40 Minuten dauert es, bis der Funke so richtig überspringt. Zuvor hat Herbert Grönemeyer sich im Münchner Olympiastadion abgemüht, es mit "Schiffsverkehr", dem namensgebenden Titel seines aktuellen Albums, donnern lassen und zur Ruhrpott-Nationalhymne "Bochum" roten Qualm aufsteigen lassen.
Herbert Grönemeyer ist lockerer geworden: Beim Konzert (hier Anfang Juni in Berlin) überzeugt er mit Bühnenarbeit, viel Gefühl - und Selbstironie.
(Foto: dpa)Er hat die Ballade "Halt mich" gesungen, dabei - den Text leicht abgeändert - dem Publikum "es ist schön, dass es euch gibt" zugesungen - und schließlich den Münchnern vor "Fernweh" damit geschmeichelt, dass man bei einer so schönen Stadt wie der Ihren das genannte Gefühl ja gar nicht kennen würde.
Kurzum, Herbert Grönemeyer hat alles versucht, München aus der Reserve zu locken, aber dann platzt der Knoten doch erst beim zehnten Song des Abends: "Männer nehmen in den Arm", nuschelt der Silbenschlucker aus dem Pott und plötzlich steht sogar der VIP-Bereich. Das anfangs so reservierte Publikum taut auf, es wird getanzt, geklatscht, aus vollem Hals mitgesungen. Neustart, alles auf null. Glücklicherweise wird das Konzert noch zwei Stunden dauern.
Herbert Grönemeyer muss niemandem mehr etwas beweisen. Die Alben des 55-Jährigen haben ein Abonnement auf die Spitzenposition der Charts, von Kritikern und Fans wird er geliebt und in der Nähe von Bremen ist sogar eine Buslinie nach dem Sänger benannt. Eine Haltestelle heißt "Sparkasse Groß Mackenstedt / Currywurst". Wie soll man das noch toppen?
Im Frühjahr hat Grönemeyer eine neue Platte herausgebracht, seine dreizehnte, und plötzlich geizten die Kritiker, die sich "Schiffsverkehr" angehört haben, mit Lob. Eine häufig gebrauchte Vokabel im Bezug auf das Album war: "solide".
Verlässliche Größe
Dennoch: Selbst mit einem "soliden" Album füllt dieser etwas blasse Mann, der mit Vokalen auf Kriegsfuß zu stehen scheint, dessen Tanzschritte immer ein wenig unbeholfen wirken und dessen Sätze man nicht immer so einfach versteht, in einer bewundernswerten Routine die Stadien. Welcher deutsche Musiker schafft das noch?
Von Pur hat man auch schon lange nichts mehr gehört, Westernhagen profitiert inzwischen nicht einmal mehr vom Ruhm früherer Tage und Peter Maffay, der an diesem Abend ebenfalls in München spielt, begnügt sich mit der kleineren Olympiahalle.
Grönemeyer dagegen bleibt die verlässliche Größe. Zwar ist das Olympiastadion nicht bis auf den letzten Platz gefüllt, aber doch ordentlich besucht. Auf der Bühne, die der Fotograf und Regisseur Anton Corbijn gestaltet hat, steht in großen weißen Buchstaben "Hrbrt" - eine Anspielung auf die Grönemeyer'sche Angewohnheit, Vokale mit seinem Genuschel zu verschlucken. Inzwischen kann es sich der Wahl-Londoner leisten, mit diesem Makel (so es denn überhaupt einer ist) zu kokettieren.