Grasbrunn:Pfeilgrad zwischen Sandkasten und Pubertät

Grasbrunn: "Du, Frau Eixenberger, mein Vater will ein Kind von dir" - schon als Grundschullehrerin muss man sich einiges anhören.

"Du, Frau Eixenberger, mein Vater will ein Kind von dir" - schon als Grundschullehrerin muss man sich einiges anhören.

(Foto: Claus Schunk)

Im Hexenkessel der Grundschule: Christine Eixenberger begeistert mit ihrem Programm "Lernbelästigung"

Von Udo Watter, Grasbrunn

Zahl und Qualität der Gewalttaten im bayerischen Oberland wären heute womöglich von ganz anderem Kaliber, hätte Christine Eixenberger ihr Jurastudium abgeschlossen. Zumindest geht die 30-Jährige, in Schliersee aufgewachsene Kabarettistin davon aus, dass die Freunde ihres Bruders in dem Fall die stammeseigenen Neigung zur Wirtshausrauferei weidlich ausgenutzt hätten. Zum einen, weil sie ja stets auf vertrauten juristischen Beistand hätten hoffen dürfen. Und natürlich andererseits, um ihr - befeuert vom Bruder - beruflich weiterzuhelfen: "Schlag zu, mei Schwester braucht a Arbeit."

Dazu ist es bekanntlich nicht gekommen. Eixenberger war schnell angeödet von Jura, sattelte auf Lehramt für Grundschule um und lernte nach dem Studienabschluss die Wonnen und Unbilden der Referendariatszeit kennen. Ihr zweites Soloprogramm "Lernbelästigung", das sie jetzt im Bürgerhaus Grasbrunn präsentierte, schöpft aus diesen Erfahrungen: als Teamchefin von diversen Rotzlöffeln, die "mit einem Bein noch im Sandkasten, mit dem anderen schon in der Pubertät stecken".

Die Bühne ist nun das Klassenzimmer, wo ihre Figuren aufeinandertreffen - darunter sind mehr oder weniger liebenswerte Schratzen. Dass die junge Lehrerin dabei mit Sprüchen à la "Du, Frau Eixenberger, mei Vater will ein Kind von dir", konfrontiert wird, oder sie ein blutwurstjunger Verehrer unter dem Pseudonym "Presssack-Charly" auf Facebook anbaggert, damit kommt sie klar. Besonders achtsame Menschen könnten ihr sogar vorwerfen, sie parodiere ihre Schüler mitunter ganz schön despektierlich, aber ein bisserl böse darf Kabarett schon sein. Man spürt ja gleichzeitig die große Sympathie Eixenbergers für ihre kleinen Figuren, die sich mit den Mysterien der Sexualkunde auseinandersetzen müssen, von semi-intelligenten Eltern geprägt sind ("Der Vater vom Marinus hat so viel Hirn wie der Spatz Fleisch auf der Kniescheibe") oder schon früh ins Blickfeld der Headhunter auf der Suche nach Humankapital geraten. Viertklässler, die auf dem Pausenhof mit offenen Schnürsenkeln herumrennen, haben gute Chancen: Wer sich seine Schuhe in dem Alter noch nicht binden kann, hat dafür wahrscheinlich Kantonesisch gelernt, so die Theorie. Was Eixenberger, die seit 2016 auch in der ZDF-Reihe "Marie fängt Feuer" die Hauptrolle spielt, an den Kindern schätzt, ist ihre Direktheit: Dass sie "grad'raus" sind oder "Voll auf Zwölf". Auch Eixenbergers Humor kommt ohne große Umwege daher, die Melange aus schlagfertiger Frotzelei und ambivalenter Herzigkeit bewirkt, dass bei ihr selbst derbes Bairisch charmant klingt.

Auch wenn sie en passant Seehofer und Söder kleine Spitzen mitgibt, und die Gelüste bayerischer Bürgermeister auf immer neue Gewerbegebiete und Autobahnzubringer beschreibt - politische Zutaten spielen kaum eine Rolle. Eixenberger ist auch keine, die mit raffinierten Wortspielen oder doppelbödigem Witz aufwartet. Ihre Fähigkeit, komisch und entlarvend in verschiedene Rollen zu schlüpfen, ihre quirlige Eloquenz und ihr lausbübischer Flirt mit dem Publikum, schaffen aber eine Atmosphäre, wie sie nur beim guten Live-Kabarett entsteht. Schön, wie sie immer wieder den in der ersten Reihe sitzenden Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) mit einbezieht, den sie etwa ermuntert, über einen Seehofer-Witz zu lachen ("Sie dürfen ruhig") oder unter dessen Blick sie Schwierigkeiten simuliert, auf der Bühne aus dem Sexualkundetext vorzulesen.

Der Planet Schule und seine Umlaufbahnen bieten ihr die Möglichkeit, über vieles zu spotten, die Auswirkungen von G 8, rätselhafte Entscheidungen des Kulturministeriums, SUV-fahrende Helikopter-Mamas, oder Eigenheiten des Lehramtsstudiums. Dass sie wegen ihres Hauptfachs auch Mittelhochdeutsch lernen musste, bewies sie mit einer Rezitation aus dem Nibelungenlied und der unschlagbaren Schlussfolgerung: "Das kann man mal brauchen, wenn man nach Mittelhochdeutschland in den Urlaub fährt." Auch Exkursionen in die Welt des Gerichts oder der Disco - wo sie selten dämlich angemacht wird - finden ihren Niederschlag an diesem Abend.

Meistens im Mittelpunkt stehen indes ihre Schüler, und auch wenn sie ob deren Eskapaden mitunter selbst nicht vor Gewaltfantasien gefeit ist - Eixenberger nimmt man gerne ab, dass sie die Kleinen zu "sozialen Wesen" erziehen will, mit all ihren liebenswerten Schwächen. Das echte Klassenzimmer muss derzeit freilich auf die erfolgreiche Kabarettistin und Schauspielerin verzichten.

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