Brauchtum:Das Weihnachtsanblasen verkürzt die Wartezeit aufs Christkind

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Musik zum Fest gibt es beim traditionellen Weihnachtsanblasen. (Foto: Renate Schmidt)

Seit mehr als 40 Jahren wird bei einer familienfreundlichen Veranstaltung an Heiligabend diese Tradition gepflegt.

Von Laura Geigenberger, Grasbrunn

Um Weihnachten und Silvester ranken sich vielerlei Traditionen: das Christkindleinschließen etwa, oder auch das Neujahrsanblasen. Bei letzterem zogen in vielen Städten schon vom 17. Jahrhundert an Stadtmusiker – sogenannte Stadtpfeifer – von Haus zu Haus und boten ihre Musik als eine Art Neujahrsgruß an, im Tausch für Geldspenden, eine Brotzeit oder Getränke.

Das Schießen in der Zeit um die Wintersonnenwende, ursprünglich wohl dazu gedacht, die Wintergeister zu vertreiben, lässt sich bis ins Jahr 1666 zurückverfolgen. Im 19. Jahrhundert wurde der Brauch christianisiert und Bestandteil der weihnachtlichen Liturgie: Jesus Christus, dem „Mensch gewordenen Gottessohn als einen Königsprinzen“, sollte damit eine Wiegensalve gewidmet werden, erläuterte im Jahre 1953 etwa der Pfarrer von Feldmoching.

Wilhelm Dresel (CSU), der mittlerweile verstorbene Altbürgermeister der Gemeinde Grasbrunn und ein Kind des Zweiten Weltkrieges, mochte jedoch die Schießerei nicht. Bei seiner Idee im Jahre 1978, zu Weihnachten in seiner Gemeinde eine familienfreundliche Veranstaltung zu organisieren, sollten die Musik und ein friedliches Beisammensein im Vordergrund stehen. So erzählt es der Grasbrunner Ortschronist Rolf Katzendobler. „Dresel hat das Neujahrsablasen zu einem Weihnachtsanblasen umgemünzt, um in der Gemeinde ein neues Gemeinschaftsgefühl zu schaffen.“

Rolf Katzendobler ist Ortschronist von Grasbrunn und Kreisdenkmalpfleger. (Foto: Claus Schunk)

Denn 1978 war für die Kommune mit einer großen Veränderung einhergegangen: Im Zuge einer Gebietsreform wurde Harthausen, das von 1907 an mit Möschenfeld eine eigene kleine Gemeinde gebildet hatte, nach sieben Jahrzehnten wieder in Grasbrunn eingegliedert. „Das war keine einfache Zeit gewesen“, erinnert sich Rolf Katzendobler. „Nach dieser ,Zwangsverheiratung’ mit der neuen Gemeinde, dass sie wirklich zusammenwächst.“

Altbürgermeister Wilhelm Dresel sei jedoch sehr um ein Zusammengehörigkeitsgefühl bemüht gewesen – und das von ihm erdachte Weihnachtsanblasen in Grasbrunn ein Schritt in diese Richtung. Bei Blasmusikklängen, warmen Getränken und Plätzchen sollten die Grasbrunner Bürgerinnen und Bürger aus allen Gemeindeteilen zueinanderfinden.

Bis heute hält sich der Brauch in Grasbrunn, der nun immer abwechselnd in den Gemeindeteilen Neukeferloh, Grasbrunn und Harthausen begangen wird. Der Ablauf ist immer derselbe: Am 24. Dezember um 16.30 Uhr leitet der Bürgermeister mit einer kurzen Ansprache die besinnliche Zeit ein, die Freiwillige Feuerwehr reicht Glühwein und Punsch. Musikalisch begleitet wird das Weihnachtsanblasen schon immer von der Ammertaler Blasmusik – einst gegründet als Neukeferloher Blasmusik.

„Das Anblasen wurde von Anfang an gut angenommen“, sagt Ortschronist Rolf Katzendobler. „Oft hat man sich schon lange nicht mehr gesehen und das ist eine schöne Gelegenheit, wieder ins Gespräch zu kommen.“ Für die Grasbrunner Kinder sei der Brauch zudem eine willkommene Ablenkung vom sehnsüchtigen Warten aufs Christkind. Laut Katzendobler gibt es das Weihnachtsanblasen auch noch in einigen weiteren Gemeinden in Südbayern. Die Grasbrunner Geschichte hinter ihrer Tradition dürfte jedoch einzigartig sein.

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