Grasbrunn:"Deine" Mudda für Grundschüler

An der Grundschule Neukeferloh rufen Arbeitsblätter zum Thema "Jugendsprache" Empörung bei den Eltern hervor

Von Johanna Mayerhofer, Neukeferloh

Sie wollte Missverständnisse zwischen Kulturen deutlich machen - und erntete damit nur Unverständnis. Bei einer Projektwoche zum Thema "Multi-Kulti" an der Grundschule Neukeferloh verteilte die Schulsozialarbeiterin Arbeitsblätter zum Thema "Jugendsprache" an die Sechs- bis Zehnjährigen. Darauf zu sehen: Gesten und deren Bedeutung in verschiedenen Ländern, darunter auch beleidigende und sexistische Ausdrücke - für einige Eltern der Grundschüler ein fragwürdiges Unterrichtsmaterial.

Auf einem Arbeitsblatt der Sozialarbeiterin war etwa ein Schlag mit der flachen Hand auf die Faust abgebildet. Was ein Brasilianer als Zeichen für "Jetzt habe ich ein Problem" versteht, verbindet man in Deutschland mit "diversen Beleidigungen um den Koitus". Wissen, das für Grundschüler unangemessen ist, finden Eltern. "Kinder in diesem Alter lernen Dinge schnell, nehmen auf und reflektieren es nicht", sagt der Elternbeiratsvorsitzende der Grundschule. Von anderen Eltern erfuhr der Vater von den Arbeitsblättern, welche die Kinder mit nach Hause brachten. Viele Schüler zeigten sich nun irritiert, wendeten die gelernten Beleidigungen auch verbal bei ihren Eltern an. Die Beschimpfungen gegen Mütter, die auf einem zweiten Arbeitsblatt aufgeführt waren, hätte besonders Alleinerziehenden zu schaffen gemacht, berichtet der Vorsitzende. Sprüche wie "Deine Mutter arbeitet aufm Fischkutter, als Gestank" oder "Deine Mutter ist zu blöd, um eine leere Schublade aufzuräumen" waren dort zu lesen.

"Kinder werden auf dem Schulhof und in der Öffentlichkeit mit einer gewiss nicht immer kindgerechten Sprache konfrontiert", sagt Andrea Pelters, Rektorin der Schule. Der Vorschlag der Schulsozialarbeiterin, Jugendsprache pädagogisch aufzuarbeiten, wurde in einer Projektgruppe realisiert. Laut einer Stellungnahme des Kreisjugendringes (KJR) und der Schulleiterin sind "Deine Mudda"-Sprüche "ein bekanntes Jugendsprache-Phänomen". Die Kinder hatten demnach die Aufgabe, "sich kritisch mit diesem Inhalt auseinanderzusetzen und diese Sprüche in ihrer negativen Wirkung aus verschiedenen Perspektiven wahrzunehmen". Man habe die Sozialarbeiterin "mehrfach darauf hingewiesen, den Inhalt pädagogisch äußerst sensibel mit den Kindern zu bearbeiten". Dass die Arbeitsblätter ohne weitere Informationen an die Eltern weitergegeben wurden, sei "ein bedauerlicher Fehler". Die fehlende Einbindung der Eltern bemängelt auch der Beiratsvorsitzende: "Jetzt können wir nur noch Schadensbegrenzung betreiben."

Die Reaktion der Eltern sei nachvollziehbar, sagt Bürgermeister Klaus Korneder (SPD). "Wir sind eine kleine Gemeinde im Landkreis und kein sozialer Brennpunkt." Die Schüler kämen in ihrem Alltag mit derlei Ausdrücken wenig in Berührung. Die Gemeinde unterstützt die Sozialarbeit an der Grundschule und finanziert die Stelle zu 50 Prozent. "Es wird gute Arbeit geleistet", sagt Korneder. Umso überraschter sei er von dem kritisierten Projekt gewesen. Am Donnerstagabend hat der Bürgermeister zu einem ersten Gespräch mit Schulleitung, Elternbeirat und KJR gebeten. Vom Kreisjugendring erwartet er eine Stellungnahme zu dem Vorfall und eine Erklärung zu den eigentlichen Projektabsichten.

Grundschulrektorin Pelters kündigt für die kommende Woche weitere Gespräche mit den Eltern an. Dann werden die Schulaufsicht im Münchner Landratsamt und ein Beratungslehrer dabei sein. Welche Konsequenzen die Affäre für die Sozialarbeiterin haben wird, die seit dem 1. Oktober 2010 an der Grundschule tätig ist, ist noch unklar. Nach den massiven Beschwerden der Eltern hat sie die Projektgruppe aufgelöst und ist seitdem krank gemeldet.

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