Süddeutsche Zeitung

Grasbrunn:"Aufklärung hilft gegen Vorurteile"

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Pfarrer Gereon Sedlmayr von der evangelischen Petrigemeinde in Neukeferloh bietet regelmäßig Religionsunterricht für Erwachsene. Zurzeit beschäftigt er sich mit dem Koran

Interview von Irmengard Gnau, Grasbrunn

Meldungen über im Namen des Islam begangene Gewalttaten und andere religiös motivierte Anfeindungen häufen sich in den vergangenen Monaten. Sie können Vorurteile gegenüber Religion und religiösen Menschen im Allgemeinen befeuern, wie insbesondere Muslime häufig erfahren müssen. Gereon Sedlmayr, evangelischer Pfarrer der Petrigemeinde in Neukeferloh, Baldham und Vaterstetten, bietet seit drei Jahren "Religionsunterricht für Erwachsene" an. Darin wirft er mit den Teilnehmern an jeweils vier Abenden einen wissenschaftlichen Blick auf bestimmte theologische Fragestellungen.

SZ: Herr Sedlmayr, inwiefern erleben Sie bei den Menschen das Bedürfnis, sich mit Religion auseinanderzusetzen?

Gereon Sedlmayr: Ich sehe einiges Interesse. Früher hat es vor allem hinsichtlich der eigenen Religion Wissensbestände gegeben, die heute nicht mehr so bestehen. Umgekehrt ist unser Blick für die Welt weiter geworden; viele Leute bringen Erfahrungen mit anderen Religionen durch persönliche Begegnungen oder Reisen mit. Die meisten Teilnehmer in meinen Kursen haben eine gewisse Vorbildung, und über zusätzliche Informationen hinaus versuche ich, ihr Wissen in einen Zusammenhang zu bringen.

SZ: Für Ihren aktuellen Kurs haben Sie den Koran, das heilige Buch der Muslime, als Thema ausgewählt. Warum?

Ich glaube, das ist einfach angebracht. Der Koran ist Grundlagentext für die Lebensführung zahlreicher Muslime in unserem Land. Aus meiner Sicht gehört es von da her zur Bildung dazu, sich mit dem Koran auseinander zu setzen. Mit der Bibel übrigens auch.

SZ: Inwieweit kann die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Religion das Verständnis für andere Kulturen befördern?

Unter anderem hilft sie dabei, Fremdes in die eigenen Vorstellungskreise einzuordnen. Aufklärung hilft gegen Vorurteile. Es geht auch um mehr, als Texte zu lesen. Man muss auch deren unterschiedliche Funktion verstehen. Viele türkische oder nicht arabischsprachige Muslime lesen den Koran beispielsweise auf Arabisch. Das läuft dann eher auf eine ästhetische Wahrnehmung heraus. Die Tatsache, dass sich Menschen für religiös halten, heißt zudem nicht zwingend, dass sie sich inhaltlich mit ihrer jeweiligen heiligen Schrift beschäftigt haben, das hat zum Beispiel auch eine Studie über evangelikale Christen in den USA gezeigt.

SZ: Welche Rolle spielt für das Verstehen der Dialog zwischen Religionen und ihren Institutionen, also auch den Kirchen?

Die evangelische Kirche in Bayern hat einen Islambeauftragten, und den finde ich gut. Aber ich denke, angesichts dessen, welche Bedeutung das Thema Weltreligionen hat, stehen wir sicherlich noch am Anfang.

SZ: Sie bieten Religionsunterricht für Erwachsene an - sollten religionswissenschaftliche Fragen auch im Schulunterricht stärker thematisiert werden?

Ich kann mich noch an meinen eigenen Religionsunterricht erinnern - es ist oft schwierig, Heranwachsenden Wissen über Religionen abstrakt zu vermitteln, wenn der Bezug zu ihrer Lebenswirklichkeit fehlt. Wir bräuchten Personen, die das praktisch vermitteln. Aber grundsätzlich halte ich es für wichtig, das Interesse der Schüler an philosophischen und weltanschaulichen Fragen zu wecken.

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Quelle:
SZ vom 17.11.2016
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