Mobilität:Verkehrsberuhigung - aber bitte autofreundlich

Mobilität: Radfahrer haben es auf der Gräfelfinger Bahnhofstraße bisher schwer.

Radfahrer haben es auf der Gräfelfinger Bahnhofstraße bisher schwer.

(Foto: Catherina Hess)

Das Konzept eines Planungsbüros für die Gräfelfinger Bahnhofstraße sieht eine Reduzierung der Geschwindigkeit und den Wegfall von Parkplätzen vor. Das geht vor allem der CSU zu weit.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Sicherer, attraktiver, ruhiger - so wünschen sich die Gräfelfinger Gemeinderäte den Verkehrsfluss in der Gemeinde. Jetzt haben sie nach zwei Jahren Bearbeitungszeit ein Verkehrskonzept vorgelegt bekommen, das 150 Maßnahmen gestreckt auf die nächsten 15 bis 20 Jahre vorsieht. Mutig ist daran der vorgeschlagene Komplettumbau der Bahnhofstraße mit einer Reduzierung der Geschwindigkeit und der Parkplätze, der einigen Gemeinderäten schon wieder zu weit geht. An anderen Stellen haben die Planer wenig Spielraum gehabt.

Der ganz "große Wurf" hat Marion Appelmann von der CSU gefehlt, und ihr Fraktionskollege Thomas Heidenreich zeigte sich "ein bisschen enttäuscht" von der Präsentation. Viel Neues sei nicht dabei. Es ruhten große Erwartungen auf dem Verkehrskonzept. Neue Wegeverbindungen, mehr Versuche, den Verkehr neu zu sortieren, hätte sich Heidenreich gewünscht. An vielen der vorgeschlagenen Maßnahmen sitzen die Gräfelfinger ohnehin schon dran: hier eine bessere Querverbindung für Radler, dort eine Fahrradstraße oder eine Verlegung der Bushaltestelle.

Aber was kann man schon erwarten von so einem Konzept? Deutlich wurde bei der Präsentation am Mittwochabend in einer Sondersitzung des Gemeinderats in der Mehrzweckhalle des Kurt-Huber-Gymnasiums, dass die vorhandene Infrastruktur mit allen Straßen und Wegen, der vorhandene Platz im Straßenraum und auch Geschwindigkeitsvorgaben den enggesteckten Rahmen bilden, in dem die Verkehrsplaner kreativ sein können. Hinzu kommt die Abhängigkeit von anderen Akteuren wie dem Straßenbauamt, das über Kreisstraßen regiert, die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG, wenn es um öffentlichen Nahverkehr geht oder Anbieter alternativer Mobilitätskonzepte, wenn etwa Carsharing-Modelle das Angebot bereichern sollen.

"Autos werden mir hier zu viel ausgegrenzt"

Nicht zuletzt gehört auch die Bereitschaft der Entscheidungsträger zur Veränderung zu diesen Rahmeneckpunkten. Wie weit es damit her ist, wird sich bei den unzähligen Diskussionen zeigen, die sich in den nächsten Monaten und Jahren um einzelne Maßnahmen entzünden werden. Einen Vorgeschmack gab es schon am Mittwoch. Denn die Umgestaltung der Bahnhofsstraße, auf der tagtäglich der Verkehr tobt - einen "ziemlichen Verhau" nannte Verkehrsexperte Hellmuth Ammerl vom Ingenieurbüro Obermeyer die Zustände - und die einen Unfallschwerpunkt bildet, könnte der große Wurf sein. Doch der ging dann manchen schon zu weit: "Autos werden mir hier zu viel ausgegrenzt", sagte Appelmann, und ihre Parteifreundin Ochmaa Göbel fand, die Bahnhofstraße solle bleiben wie sie ist. Dabei war, als das Konzept noch reine Theorie war und es nur um Leitlinien ging, weniger Auto-Dominanz auf Gräfelfings Straßen gewünscht und mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer.

Es gab auch Stimmen, die den Umbau der Bahnhofstraße "sinnvoll" finden. Dazu gehörte Lion Buro von der Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing. Der Vorschlag der Verkehrsplaner sieht vor, den Abschnitt zwischen Rottenbucher Straße und Kreisverkehr am Bahnhof zu einem beruhigten Geschäftsbereich mit Tempo 20 oder 30 zu machen. Der Straßenraum soll deutlich schmäler werden, dafür die Gehwege breiter, was Platz für gastronomische Angebote, Bänke oder Brunnen schafft. Aus Schrägparkplätzen sollen Längsparkplätze und das Angebot um 50 Stellplätze reduziert werden. Denn so viele Fahrzeughalter sind laut den Experten vom Büro Obermeyer Dauerparker. Sie sollen künftig ihr Auto in der Tiefgarage unter dem Bürgerhaus abstellen, wo die Parkzeit verlängert werden soll.

Ganz nebenbei erwähnten die Verkehrsplaner noch eine einschneidende mögliche Veränderung, die am Mittwoch im Gremium aber keine Reaktion auslöste: Den Bau der Entlastungstraße, die in ihrer kurzen Variante das Gewerbegebiet an die Autobahn A 96 anbinden würde und den Knotenpunkt Pasinger Straße entlasten würde. Die Straße wurde in einer längeren Variante vom Kreistag abgelehnt und unter Gräfelfinger Gemeinderäten ist die Straße, ob kurz oder lang, sehr umstritten. Verkehrsplaner Ammerl hingegen hatte die Straße einst erfunden und hält auch an ihr fest: Richtig greifen viele Verkehrsmaßnahmen seiner Meinung nach erst, wenn die Entlastungsstraße da ist. Aber die Debatte wollte Bürgermeister Peter Köstler (CSU) am Mittwoch nicht mehr ankurbeln.

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