Einen "Riesenumbruch" nennt Pfarrer Markus Zurl, was Gräfelfing bevorsteht. Die katholische Pfarrei St. Stefan plant radikale bauliche Veränderungen auf ihren Grundstücken rund um die Kirche im Ortszentrum, die mit einer deutlichen Verdichtung einhergehen. Das Pfarrheim und der Kindergarten sollen abgerissen und die Grundstücke in Erbpacht vergeben werden. Die Gemeinde soll den Kindergarten neu bauen, ein Investor Wohnungen und Büros schaffen. Die Pfarrei selbst will Räume im Neubau anmieten, auch einen Pfarrsaal. Auf diese Weise will die Kirche die Last der Immobilieninstandhaltung abwerfen, denn das Ordinariat zahlt nicht für die dringend nötige Renovierung der Gebäude. Hintergrund sind offenbar finanzielle Probleme der katholischen Kirche, speziell des Erzbistums München und Freising, die diese auch anderswo dazu zwingt, sich von Immobilien zu trennen.
Es ist eine bittere Erkenntnis, die Pfarrer Markus Zurl und Kirchenpfleger Ulrich Althoff am Dienstag erstmals offiziell Mitgliedern der Kirchenverwaltung, des Pfarrgemeinderats und Kindergarteneltern präsentierten: Nach Jahren der Verhandlungen mit dem Ordinariat um das Geld für eine Renovierung und Sanierung des Kindergartens St. Stefan in der Bahnhofstraße, des Pfarrheims in der Rottenbucher Straße und der Pfarrkirche ist klar geworden, dass es keinerlei finanziellen Zuschuss zum Erhalt der Gebäude im jetzigen Format in Gräfelfing gibt. So wurde die Idee des Abrisses und der kompletten Neuordnung der Grundstücke samt Bebauung geboren.
"Wir haben alles überlegt, wir sehen keine Alternative", sagt Markus Zurl. Die Idee wurde bereits dem Gräfelfinger Gemeinderat präsentiert. Dort gebe es Bereitschaft, "den Weg mitzugehen". Das bestätigt Bürgermeister Peter Köstler (CSU): "Dem Grundkonzept stehen wir positiv gegenüber." Über viele Einzelheiten wie den Kindergartenneubau sei aber noch viel zu verhandeln. Köstler betont, dass die Gemeinde den Kindergarten samt Hortgruppe brauche.
In einem Brief an die Pfarreien hat Kardinal Marx klar gemacht, dass nicht alle Gebäude erhalten werden können
Die Kirche hat schlicht kein Geld, all ihre Bestandsbauten zu renovieren. Das wurde bei diversen Terminen der Gräfelfinger Kirchenverantwortlichen im Ordinariat deutlich. Sandra Bullacher, Vorsitzende des Gräfelfinger Pfarrgemeinderats, referierte aus einem Brief von Kardinal Reinhard Marx an die Pfarreien. Darin habe er dazu aufgefordert, sich Gedanken zu machen, welche Gebäude zu erhalten sind oder auch anderweitig genutzt werden können. Der Kardinal habe deutlich gemacht, dass nicht alle Gebäude erhalten werden, sagte Zurl bei der Präsentation der Pläne. Das Zauberwort bei der Diözese sei "multifunktionale Nutzung", dann flössen "eher Gelder".
Für Gräfelfing heißt das konkret, die Werktagskapelle der Pfarrkirche in einen Saal umzubauen, der vielfach genutzt werden kann. Der Kindergarten soll auf dem 15 000 Quadratmeter großen Grundstück von der Bahnhofstraße abrücken und ganz am anderen Ende möglichst nah an die Flurstraße gebaut werden. Entlang der Bahnhofstraße soll dafür Wohnungsbau entstehen. Auch in der Rottenbucher Straße ist ein neuer Gebäudekomplex gewünscht. Zurl sprach von einem "Haus der Begegnung" mit Gastronomie, Räumen für die Kirchenverwaltung und Wohnungen sowie einem Saal. Hier will die Kirche künftig Räume mieten.
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"So schmerzlich es ist, aber die Veränderung ist eine Chance", findet Zurl. "Wir öffnen uns der Gemeinde und der Öffentlichkeit", es könne ein ganz neues Zentrum in Gräfelfing entstehen. Mit der Umgestaltung stelle sich die Kirchengemeinde "für die Zukunft" auf. Zurl und Kirchenpfleger Ulrich Althoff plädieren für einen nüchternen Blick auf die Bestandsgebäude: "Füllen wir diese noch?", fragt Zurl. Das Pfarrheim sei zu groß dimensioniert für die Zukunft und auch der Kindergarten soll kleiner werden.
Die Pfarrei steht unter Druck: Brandschutzanforderungen im Pfarrheim können nicht mehr erfüllt werden, an allen Ecken und Enden nagt im Pfarrheim und im Kindergarten der Zahn der Zeit, auch Barrierefreiheit ist nicht gegeben. Zurl wirbt dafür, den Zeitpunkt zu nutzen: "Jetzt hat die Diözese zugestimmt und der Gemeinderat ist offen."
Bei der Vorstellung der Planung zeigen sich einige Zuhörer entsetzt
Noch ist nicht entschieden, in welchem Ausmaß in Erbpacht gebaut wird. Die Gemeinde habe signalisiert, dass bei einem Bauprojekt in der Größenordnung ein städtebaulicher Wettbewerb nötig sei. Zurl zeigt sich überrascht, dass der Gemeinderat die Idee grundsätzlich so positiv aufgenommen habe, aber klar ist auch, dass Gräfelfing Wohnungen benötigt. Hier ergibt sich eine Chance. Bis tatsächlich gebaut wird, könnten leicht zehn Jahre vergehen. Der Kindergartenbau könnte jedoch vorgezogen werden.
Die Reaktionen unter den Zuhörern bei der Präsentation waren gemischt - wohlwollend und auch voller Kritik. Manche zeigten sich "entsetzt" über die Pläne. Hier werde "Immobilienwertschöpfung auf dem Rücken der Kinder" betrieben, die durch die neue Situierung des Kindergartens den großen Garten verlieren würden, lautete ein Vorwurf. Ein anderer Zuhörer zeigte sich "schockiert und wütend" über die Pläne. Man spreche von einem neuen Kirchenzentrum, während das Zentrum aber um die Hälfte verkleinert werde. Das Erzbistum München und Freising sei eines "der reichsten der Welt", sagte er. Es sei "skurril" davon zu sprechen, dass es kein Geld für Renovierungen gebe.
Ob die Gräfelfinger Pfarrei auch finanziell profitieren wird von dem Neubaukonzept, muss sich zeigen. Auf eine Frage aus dem Publikum, wer die Einnahmen aus der Erbpacht erhalte, beschrieb Zurl eine der großen Aufgaben, die auf die Kirchenverwaltung zukommt: In welchem Maße die Einnahmen in der Kirchenstiftung bleiben, hänge von der Neuordnung der Grundstücksaufteilung ab, an der gerade im Ordinariat gearbeitet werde. "Hier müssen wir ein Auge darauf haben, so der Pfarrer.