Süddeutsche Zeitung

SZ-Adventskalender für gute Werke:Wenn nicht nur der Kühlschrank leer ist

Der Menü-Service des Malteser Hilfsdienstes in Gräfelfing ermöglicht alten Menschen nicht nur einmal am Tag eine warme Mahlzeit, er ist für diese oft auch der einzige Kontakt nach draußen. Damit mehr Kleinrentner in den Genuss kommen, braucht es weitere Patenschaften.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Armut findet oft hinter verschlossenen Türen statt. Gerade im Landkreis München ist das der Fall, dem berühmten Speckgürtel, in dem es Kommunen gibt, die zu den reichsten Deutschlands zählen. Hier verstecken die Menschen ihre Armut, weil es ihnen peinlich ist, nicht teilnehmen zu können, weil sie sich schämen, dass der Mantel schon so alt ist, die Wohnung zu ärmlich, um Gäste zu empfangen, und weil der Kühlschrank oft leer ist. Wer einen Blick auf die Armut hat, sind die Fahrer und Fahrerinnen des Menüservices des Malteser Hilfsdienstes in Gräfelfing. Sie bringen Bedürftigen eine warme Mahlzeit, wenn nötig auch täglich. Finanziert wird das über die Mahlzeitenpatenschaften, die ins Leben gerufen wurden, weil es bei Menschen am Lebenswichtigsten mangelt: an Essen.

Wenn das Geld knapp ist, dann bleibt oft nur noch Brot mit Marmelade als Mahlzeit am Tag, wie Katrin Dietze sagt. Sie organisiert die Mahlzeitenpatenschaften bei den Maltesern. Die wirtschaftliche Armut geht immer Hand in Hand mit sozialer Armut: Die Betroffenen gehen nicht mehr vor die Tür, ziehen sich zurück, auch weil jeder Besuch im Café und jeder Ausflug Geld kosten. Meist kommt noch eine körperliche Einschränkung hinzu, eine schwere Krankheit oder Behinderung. Die Vereinsamung in Armut ist die Folge. Es seien immer Schicksale, die sich hinter den Türen zeigten.

Die Fahrer haben auch einen Blick auf die Lebenssituation und den Zustand ihrer Kunden

Der Fahrer vom Menüservice ist oft der einzige persönliche Kontakt, der den Menschen geblieben ist. "Sie warten auf ihn, er gibt die Tagesstruktur vor", sagt Dietze. Die Fahrer bringen das Essen bis in den Kühlschrank, sie sind mehr als Essenslieferanten, sie nehmen auch eine Fürsorgepflicht wahr. Sie kennen ihre Kunden und haben einen wachsamen Blick auf sie. Wenn diese verwirrt erscheinen, zunehmend abbauen oder wenn die häuslichen Zustände signalisieren, dass jemand nicht mehr allein zurechtkommt, dann gibt der Fahrer Rückmeldung bei den Maltesern, die daraufhin aktiv werden können. Manchmal wird auch ein Hausnotruf über die Spenden der Mahlzeitenpatenschaften finanziert, damit die Menschen auf Knopfdruck zu Hause Hilfe rufen können.

Die Idee der Mahlzeitenpatenschaften wurde 2009 geboren. Die Malteser liefern "Essen auf Rädern" aus für Menschen, die nicht mehr selbst kochen können. Deutlich wurde dabei, dass es Menschen gibt, die sich nicht nur diesen Service, sondern überhaupt keine nährstoffreiche Ernährung leisten können. Über die Mahlzeitenpatenschaften erhalten sie warmes Essen, das über Spenden finanziert wird. Etwa 3300 Euro kostet eine Patenschaft im Jahr. Damit ist ein tägliches warmes Hauptgericht sichergestellt, das schockgefrostet geliefert wird und in neun Minuten in der Mikrowelle, die ebenfalls über Spenden gesponsort werden kann, aufgewärmt wird. Wer möchte, kann auch eine Suppe, Salat und ein Dessert bekommen. Dann wird die Patenschaft etwas teurer. Firmen und Privatleute gehören zu den Spendern. "Keiner muss eine ganze Patenschaft übernehmen, jeder kann spenden, so viel er will", sagt Dietze.

Das größte Problem sei, an die Menschen, die das Essen dringend benötigen, heranzukommen. Selbst melden sie sich nicht beim Malteser Hilfsdienst, die Scham ist zu groß. Es sind ambulante Pflegedienste, Sozialdienste im Krankenhaus, der Hausarzt, eine Nachbarschaftshilfe, der Pfarrer oder auch Bürgermeister, die den Kontakt herstellen. Seit 2019 ist der Ex-Fußballprofi Paul Breitner Schirmherr der Initiative, seitdem sei das Konzept noch einmal bekannter geworden. Breitner hat schon viele Touren des Menüservice begleitet und an Türen geklingelt.

Um Vorräte für einen Blackout anzulegen, fehlt den meisten das Geld

Die meisten ihrer Kunden erhielten Grundsicherung, sagt Dietze. Sie ist aber nicht die Voraussetzung für eine Mahlzeitenpatenschaft. Es genügt ein Rentenbescheid. Wer weniger als 600 Euro im Monat zur Verfügung hat, nach Abzug der festen Kosten wie Miete und Energiekosten, kann ein warmes Essen erhalten. Viele haben "deutlich weniger als 600 Euro zur Verfügung". Betroffen sind oft Frauen, die nur eine kleine Rente erhalten, weil sie ihr Berufsleben für die Familienversorgung zurückgestellt haben. Oder es sind Witwen und Witwer, die von der kleinen verbleibenden Rente des verstorbenen Ehepartners leben müssen. Viele nehmen aus Scham zusätzliche Hilfe wie Grundsicherung gar nicht in Anspruch. Der aktuelle Sozialbericht des Landratsamtes offenbart, dass es eine große Dunkelziffer verdeckter Armut im Landkreis gibt. Bis zu 4000 Personen, die berechtigt wären, beantragen keine Hilfe wie Grundsicherung.

Die Inflation und die explodierenden Energiekosten machen die Sorgen hinter den Türen noch größer. Da ist die 82-Jährige, die einen 40 Jahre alten Kühlschrank hat und fürchtet, dass der Stromfresser ihre Energiekosten bald unbezahlbar macht. Da ist die andere Kundin, deren einzige Freude ihre Katze ist, sie aber Sorge hat, bald das Futter für sie nicht mehr bezahlen zu können. Viele haben Angst vor einem Strom-Blackout, denn Vorräte können sie sich für solche Fälle mangels Geld nicht anlegen. Dietze befürchtet, dass ihr Kundenkreis demnächst noch größer wird, aber gleichzeitig die Spendenbereitschaft für die Mahlzeitenpatenschaften zurückgeht. Sollte es wirklich knapp werden, wäre denkbar, eine Zeitlang nur noch Hauptgerichte auszuliefern, um so den Kundenkreis vergrößern zu können. Dann gibt es keine Suppe, keinen Salat und kein Dessert mehr.

So können Sie spenden

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