Gräfelfing:Wohnträume für Alte und Junge, Familien und Singles

Gräfelfing: Gemeinsames Wohnen für Generationen - das soll mit dem neuen Wohnprojekt auf dem ehemaligen Doemens-Gelände in Gräfelfing erreicht werden.

Gemeinsames Wohnen für Generationen - das soll mit dem neuen Wohnprojekt auf dem ehemaligen Doemens-Gelände in Gräfelfing erreicht werden.

(Foto: Stefanie Aumiller/imago images)

Auf dem ehemaligen Gelände der Brauakademie Doemens soll ein gemeinschaftliches Wohnprojekt entstehen. Interessensgruppe, Gemeinde und Kommunalbauunternehmen haben ein erstes Konzept erstellt, nun dürfen alle am Ort daran mitarbeiten.

Von Annette Jäger, Gräfelfing

Wie wohnt es sich am schönsten? Ein Blick über den Gartenzaun zum Nachbarn verrät, dass das sehr individuell ist. Die einen freuen sich an pickenden Hühnern im verwilderten Garten, die anderen machen jedem unkontrollierten Wachstum mit Rindenmulch den Garaus. Man kann ahnen, wie groß die Herausforderung ist, ein Konzept für gemeinschaftliches Wohnen zu entwickeln. Die Gemeinde Gräfelfing will das wagen und hat ein Wohnprojekt auf dem ehemaligen Doemens-Gelände in der Stefanusstraße initiiert. Es ist ein Novum in München und Umgebung: Erstmals agieren eine Kommune, ein kommunales Wohnungsbauunternehmen und eine Interessensgruppe von Bürgern im Dreiklang. Am Mittwoch wurden der Öffentlichkeit die Eckdaten vorgestellt, verbunden mit der Einladung, mitzugestalten.

Ein paar Runden hat die Idee, auf dem Doemens-Gelände ein besonderes Wohnprojekt zu realisieren, schon im Gemeinderat gedreht. Sicher ist inzwischen, dass die Gemeindebau Gräfelfing, das kommunale Wohnungsunternehmen der Gemeinde, Eigentümerin des Grundstücks werden soll, die Bauherrenrolle übernimmt und auch die Verwaltung der späteren Wohnungen. Einig ist man sich auch, dass hier Mietwohnungen entstehen sollen, kein Genossenschaftsmodell, wie es schon mal angedacht war.

Erste Gedanken, wie Wohnen in den geplanten rund 40 Wohneinheiten aussehen könnte, wurden auch schon geschmiedet: In der Interessengemeinschaft (IG) Alte Brauakademie haben sich interessierte Bürger zusammengeschlossen, die ein Wohnkonzept erarbeiten wollen. Seit Sommer ist die IG ein eingetragener Verein mit 39 Mitgliedern. In einem ersten Workshop wurden Arbeitskreise gebildet, die bis Mitte Dezember die diversen Themenfelder des Zusammenlebens beackern wollen, angefangen bei der Frage, wie viel Privatheit und wie viel Gemeinschaft stattfinden soll, bis hin zur Überlegung, wer künftig in den Wohnungen leben wird. Einig ist man sich, dass Alte und Junge, Singles und Familien, darunter auch Menschen in besonderen Lebenslagen, einen Platz finden sollen.

Gräfelfing: Initiatoren des Projekts: die Architektin Patricia Young Balik und Gemeinderat Martin Feldner.

Initiatoren des Projekts: die Architektin Patricia Young Balik und Gemeinderat Martin Feldner.

(Foto: Catherina Hess)

Der Zusammenschluss der Aktiven ist völlig offen, betonte Martin Feldner, Gemeinderat der Grünen, Dritter Bürgermeister und gemeinsam mit Patricia Young-Balik Vorsitzender der IG. Engagierte Nachbarn, potentielle Mitbewohner - alle sind eingeladen, mitzuwirken. Man muss dazu auch nicht Vereinsmitglied werden. Eines soll nur allen klar sein, sagte Feldner: Wer jetzt am Konzept mitarbeitet, erwirbt kein Wohnrecht im späteren Projekt. "Es gibt kein Privileg für Vereinsmitglieder."

Über allem schwebt die "Realitätskeule": Die Wirtschaftlichkeit muss gegeben sein

Der nächste Workshop findet am Mittwoch, 16. November, von 18 bis 20 Uhr in den ehemaligen Doemens-Bauten in der Stefanusstraße 8 statt. Parallel zum Wohnkonzept wird am Kooperationsvertrag zwischen Gemeindebau und IG Alte Brauakademie gearbeitet. In dem Vertrag wird festgelegt, wie viel Mitsprache und Mitentscheidung die IG am Projekt hat. Die IG hat hier schon Vorstellungen geäußert: Sie würde gerne in der Jury des Architektenwettbewerbs sitzen und bei der späteren Vergabe der Wohnungen mitwirken.

So mancher Wohntraum wird an der "Realitätskeule" scheitern, sagte Natalie Schaller von der Stattbau GmbH. Das Münchner Unternehmen steht Wohnprojektinitiativen begleitend zur Seite, so auch den Gräfelfingern. Denn letztendlich gehe es auch beim gemeinschaftsorientierten Wohnen um Finanzierbarkeit und Realisierbarkeit. So wird sich zeigen, ob ein Yoga-Raum, eine Fahrradwerkstatt, eine gemeinsame Dachterrasse oder ein Gästezimmer für alle auch machbar sind. Das betonte auch Till Reichert, Geschäftsführer der Gemeindebau: "Die Wirtschaftlichkeit muss gegeben sein." Die Baukosten müssen sich über die Dauer des Wohnens - etwa 80 Jahre - amortisieren. Diese Vorgabe sind die Leitplanke für alle Ideen und Wünsche. Außerdem muss der Zuschnitt der Wohnungen auch für spätere Generationen taugen. Scheitert das gemeinschaftliche Wohnen, müssen die Wohneinheiten für andere Wohnideen nutzbar sein.

Gräfelfing: Wo noch die alten Gebäude der Brauakademie Doemens stehen, soll im März 2025 Spatenstich sein.

Wo noch die alten Gebäude der Brauakademie Doemens stehen, soll im März 2025 Spatenstich sein.

(Foto: Catherina Hess)

Wenn im März 2025 - so der grobe Plan - der Spatenstich erfolgt und wenn im Juni 2026 hoffentlich schon die Bewohner einziehen, wird sich zeigen, ob die Gemeinde mit dem Projekt das erreicht hat, was Bürgermeister Peter Köstler (CSU) bei der Infoveranstaltung als Wünsche formuliert hat: bezahlbaren Wohnraum für Gräfelfinger ermöglichen, ein modernes Mobilitätskonzept integrieren, eine ökologische Bau- und Lebensweise verankern und Voraussetzungen für eine lebendige Nachbarschaft schaffen, die über den Gartenzaun hinausstrahlt.

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