Süddeutsche Zeitung

Gottesdienste am Heiligen Abend:Abpfiff für stille Nacht

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In Unterhaching wollten Katholiken und Protestanten gemeinsam im Sportstadion Weihnachten feiern, weil sich die Pandemie zuspitzt, haben sie ihre Christmetten jetzt ins Internet verlegt - wie viele andere Kirchen auch.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

An keinem Tag im Jahr sind die Kirchen so voll wie an Weihnachten. Gottesdienste bleiben im harten Lockdown weiter erlaubt, doch müssen sich die Pfarrgemeinden die Frage stellen: Wie soll das gehen? Kann man das verantworten, dass sich viele Menschen treffen? Die Hygienevorschriften sind streng, statt an traditionellen Ritualen festzuhalten, gilt es Organisationstalent und Kreativität zu beweisen, um den Menschen eine Teilhabe an einem Weihnachtsgottesdienst zu ermöglichen. Im Landkreis gehen die Kirchen unterschiedliche Wege: Manchen verlegen die Zeremonie nach draußen, anderswo kann man sich den Pfarrer und seine Predigt nur virtuell nach Hause streamen oder sich Sets mit Liedern und Gebeten für analoges Weihnachten zum Selbermachen abholen. Einige Gemeinden halten an der Christmette in der Kirche fest, allerdings ausschließlich am frühen Abend, mit reduzierter Teilnehmerzahl und Kartenreservierung. Die Karten sind allerdings meist schon längst alle vergeben.

Unterhaching hat insgesamt vier Kirchen, drei katholische und eine evangelische. Aber alle Gotteshäuser sind nicht sonderlich groß. So kamen die Pfarrer auf die Idee, sich zusammenzutun und gemeinsam in die größte Einrichtung der Gemeinde auszuweichen: ins Fußballstadion. "Die Ökumene ist sehr lebendig in Unterhaching", sagt Pfarrerin Christiane Ballhorn. Es wäre fast so etwas wie ein erster Unterhachinger ökumenischer Kirchentag daraus geworden, "Stille Nacht" und "Ave Maria" statt Fußballgesänge auf dem großen Sportplatz der Spielvereinigung. Die Nachfrage nach Karten war groß, die nach Ordnern ebenfalls. Man hätte das schon hingekommen, inklusive Schnelltests und einer Ärztin vor Ort.

Doch dann sagten die evangelische Heilandskirche und der katholische Pfarrverband diese große Veranstaltung doch ab. "Jetzt hat sich die Lage eben verschlimmert. Natürlich müssen auch wir unseren Beitrag dazu leisten, dass die Pandemie in unserem Umfeld nicht noch schlimmere Ausmaße annimmt. An diesem Punkt geht die Gesundheit vieler einfach vor", teilen sie mit. Erlaubt gewesen wäre der Gottesdienst im Stadion, "aber es wäre nicht das richtige Zeichen gewesen", sagt Claudia Köhler, Kirchenpflegerin und Mitglied der evangelischen Landessynode. "Es ist für die Kirchen nicht einfach, es in diesen Zeiten richtig zu machen."

In einer deutschlandweiten Weihnachtsstudie hatte Professor Philipp Rauschnabel von der Universität der Bundeswehr in Neubiberg herausgefunden, dass von den 28 Prozent der Menschen, die in den vergangenen Jahren an Weihnachten in der Kirche waren, fast die Hälfte einen traditionellen Gottesdienst in der Kirche, allerdings mit Hygienekonzept wie begrenzte Teilnehmerzahl und ohne Singen, wünscht. 29 Prozent befürworten Open-Air-Veranstaltungen und 28 Prozent virtuelle Gottesdienste. 19 Prozent finden, es solle so sein wie immer, ohne spezielle Corona-Regeln und 21 Prozent würden dieses Jahr ganz verzichten. Von den 72 Prozent, die auch sonst Weihnachten nicht in die Kirche gehen, sagen 76 Prozent: Diesmal kein Gottesdienst.

In Unterhaching wird es einen virtuellen ökumenischen Gottesdienst geben, zum ersten Mal feiern Katholiken und Protestanten an Weihnachten gemeinsam, am 24. Dezember werden Ballhorn und ihr Kollege Fabian Ludwig zusammen mit dem katholischen Pfarrer Axel Windecker und Gemeindereferentinnen Kristin Undisz im Live-Stream aus St. Alto zu sehen sein. "Ansonsten bleibt die Kirche leer", sagt Ballhorn. "So können wir an Heiligabend auch dieses Jahr in Wort und Krippenspiel sowie mit Musik und Gebet verbunden sein", teilen die Pfarrer mit. Für die individuelle Andacht haben die Kirchen die ganze Woche über geöffnet, auch gibt es einen Stationenweg zwischen den Gotteshäuser und "To-go-Angebote". Auch die Laudatekirche in Garching und die evangelische Kirchengemeinde Unterschleißheim/Haimhausen haben alle geplanten Präsenzgottesdienst abgesagt.

Die Messe stattdessen auf Freiflächen vor den Kirchen zu verlegen, klingt einfacher, als es ist. Denn auch hier müssen Abstände eingehalten werden, keiner darf seinen Platz verlassen. Die Jerusalemkirche in Taufkirchen hat den geplanten Weihnachtsgottesdienst auf dem Rathausplatz zwar abgesagt, zwei Open-Air-Veranstaltungen im Innenhof der Kirche wird es dennoch geben: Einen Familiengottesdienst mit kleinem Krippenspiel auf der Bühne und eine Vesper mit Band und Livegesang auf der Bühne vom singenden Pfarrer Joachim Rohrbach und seiner Frau Carolin. Ansonsten ist das Singen aber verboten.

Auch die evangelische Jakobuskirche in Pullach wählt den Weg nach draußen, nämlich auf die Kuhwiese. "In vier unterschiedlichen Gruppen pilgern wir durch Pullach, um dort nacheinander den Weihnachtssegen zu empfangen", teilt das Pfarramt mit. Eine Christvesper ist zudem am Heiligen Abend auf der Südseite der Kirche geplant. Ein ähnliches Programm mit Freiluftgottesdienst auf dem Kirchhof bietet die Jesuskirche in Haar an, auch im Pfarrverband Vier Brunnen Ottobrunn, wird für die Familiengottesdienste auf die Plätze vor den Kirchen, auf den Dorfplatz (Hohenbrunn) und die Wiese beim Jakobhof (Putzbrunn) ausgewichen. Wie bei Gottesdiensten in den Kirchen ist auch hier ist die Anzahl der Teilnehmern begrenzt, vielerorts heißt es daher bereits: Ausgebucht!

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SZ vom 22.12.2020
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