Gitarrenfestival Ottobrunn:Saitenweise gute Musik

Luis Borda bei Konzert in München, 2011

Der argentinische Wahlmünchner Luis Borda dergilt als einer der bedeutendsten Vertreter des Tango Nuevo, sowohl als Interpret wie als Komponist.

(Foto: Robert Haas)

Von Klassik über Tango Nuevo bis Fingerstyle und Gypsy Jazz: Beim dreitägigen Festival der Gitarre in Ottobrunn zeigen Größen des Genres die ganze Vielfalt des Instruments.

Von Udo Watter, Ottobrunn

Der Dichter Rainer Maria Rilke gilt als einer der feinnervigsten und sensibelsten Künstler, die je in deutscher Sprache geschrieben haben. Wie hoch empfindsam der in 1875 in Prag geborene Lyriker die Welt aufnahm, zeigt sich etwa in dem Gedicht "Stille", das so beginnt: "Hörst du Geliebte, ich hebe die Hände - hörst du: es rauscht. . . Welche Gebärde der Einsamen fände sich nicht von vielen Dingen belauscht? Hörst du, Geliebte, ich schließe die Lider und auch das ist Geräusch bis zu dir."

Allein die Vorstellung, das Schließen der Augenlider zu vernehmen, entführt einen eventuell schon in besonders zartbesaitete Seinsebenen.

Statement für einen anderen Zugang zur Welt

Johannes Tonio Kreusch liebt den Klang der klassischen Gitarre. Er liebt ihn auch deswegen, weil er nach innen gerichtet ist, weil er inmitten eines zunehmend lauteren, lärmenden, beschleunigten Zeitalters ein unaufdringliches, aber sanftes und intensives Statement für einen anderen Zugang zur Welt sein kann.

Wer ihren "intimen Tönen" lauscht, auch der hört auf einem anderen, feineren Level - etwa wenn der international renommierte Virtuose Kreusch Etüden des brasilianischen Komponisten Heitor Villa-Lobos spielt, Lautenmusik Bachs oder Eigenkompositionen. Der 1970 geborene klassische Gitarrist ist auch wieder einer der Protagonisten, die in der Reihe der Ottobrunner Konzerte das Festival der Gitarre gestalten. Vor zwei Jahren, bei der ersten Auflage spielte er noch zusammen mit seiner Frau, der Violinistin Doris Kreusch-Orsan, diesmal wird er allein auf der Bühne des Wolf-Ferrari-Hauses ein Crossover-Programm mit Eigenkompositionen präsentieren.

Luis Borda bei Konzert in München, 2011

Der Argentinier und Wahlmünchner Luis Borda gilt als herausragender Vertreter des Tango Nuevo.

(Foto: Robert Haas)

Kreusch schätzt die Vielfalt der Gitarre

"Die kontemplative, leisere Seite der Gitarre ", nennt Johannes Tonio Kreusch das. Gleichwohl will der gebürtige Münchner, der zusammen mit seinem Bruder, dem Jazzpianisten Cornelius Claudio Kreusch, künstlerischer Leiter der Ottobrunner Konzerte ist, das ganze Spektrum des von ihm so geliebten Saiteninstruments zeigen: "Wir wollen die Gitarre in ihrer Vielfalt und in all ihren Klangmöglichkeiten darbieten." So treten in Ottobrunn gefühlvolle Songwriter oder klassische Duos ebenso auf wie rockige Fingerspitzenakrobaten. Das Publikum wird jazzige und brasilianische Klänge hören, aber auch Tango Nuevo, Gypsy Jazz oder Blues. Vom Freitag, 1. Juli, bis Sonntag, 3. Juli (an diesem Tag finden Workshops statt), werden im Wolf-Ferrari-Haus nicht nur andere, sondern quasi alle Saiten aufgezogen.

Der Freitagabend ist gleich ein besonderer Höhepunkt, den diverse namhafte Solisten und Ensembles im Festsaal gestalten. Neben Kreusch, der das Konzert eröffnet, wird etwa die Singer-Songwriterin Christina Lux auftreten, die ihre Fans "Lux-Lauscher" nennt und deren Stil zwischen Soul und Folk schwebt, etwa wenn sie "Love is my religion" singt. Ihr Album "Playground" war 2012 für den Preis der deutschen Schallplattenkritik nominiert. Das Amadeus Guitar Duo besteht aus der Kanadierin Dale Kavanagh und dem Deutschen Thomas Kirchhoff. Seit 1991 gastiert das klassische Duo auf Bühnen in der ganzen Welt und die beiden haben satte 15 CDs herausgebracht. Carlos Barbosa-Limas charakteristischer Stil integriert klassische und jazzige wie Latin-Elemente. Er gilt als einer der bedeutendsten Interpreten brasilianischer Musik und ist eine weltweit gefeierte Größe. "In Gitarrenkreisen eine Legende", sagt Kreusch.

Er selber wird mit Barbosa-Limas in Ottobrunn auch im Duo agieren, ansonsten spielt der in Sao Paulo geborene Grandseigneur der Gitarre, der noch beim großen Andrès Segovia lernte, eigene Bearbeitungen von Jazz- und Brazil-Klassikern. Der belgische Fingerstyle-Gitarrist Jacques Stotzem schöpft musikalisch aus Blues, Folk, Ragtime und Jazz. Zu seinen Vorbildern gehören Mississippi John Hurt und Stefan Grossmann. Ein großartiger Solist, verwendet er gerne Fingerpicks am Daumen und an zwei Fingern der rechten Hand. Auch perkussive, rockige Elemente prägen seinen dynamischen Stil. Gezupfte und geschlagene Passagen wechseln sich bei ihm ab, ebenso swingende Bass-Linien, reiche Akkorde, Blues-Artikulationen und Arpeggien.

Gitarrenfestival Ottobrunn: Singer-Songwriterin Christina Lux präsentiert gefühlvolle Balladen.

Singer-Songwriterin Christina Lux präsentiert gefühlvolle Balladen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Am Samstag herrscht im Ratssaal Clubatmosphäre

Am Samstag, 2. Juli, findet im Wolf-Ferrari-Haus, dann allerdings im Ratssaal, der zweite konzertante Teil des Festivals statt. "In einer Art Clubatmosphäre", wie Kreusch sagt. Luis Borda wird dort sein Können zeigen, der argentinische Wahlmünchner gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des Tango Nuevo, sowohl als Interpret wie als Komponist. Der 61-Jährige lebt schon seit den Neunzigern in Deutschland und hat etwa die Musik zum Film "12 Tangos - Adios Buenos Aires" aus dem Jahr 2005 von Arne Birkenstock komponiert. Im zweiten Tel des Abends wird das Diknu Schneeberger Trio aufspielen.

Der junge österreichische Gitarrenvirtuose Diknu Schneeberger gilt als absolutes Ausnahmetalent des Gypsy Swing, hochvirtuos, im Geiste von Django Reinhardt, der perfekte Technik mit lockerer Verspieltheit, Melodiegefühl mit unglaublicher Geschwindigkeit verbindet. Das ist zwar dann nicht mehr ganz so intim und kontemplativ wie der klassische Stil von Johannes Tonio Kreusch, steht aber ebenso für Gitarrenkunst auf hohem Niveau.

Karten gibt es im Wolf-Ferrari-Haus unter 089/60 808 302. Für das Konzert am Freitag, 1. Juli, kosten die Tickets 32,50 Euro, ermäßigt 22,50 Euro. Für das Konzert am Samstag, 2. Juli, 19 Euro, ermäßigt zwölf Euro. Weitere Informationen gibt es unter www.ottobrunner-konzerte.com oder www.wfh-ottobrunn.de. Zusätzlich zu den Konzerten geben die Künstler am 2. und 3. Juli Workshops, für die man sich online anmelden kann.

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