Geschlechtergerechtigkeit:Neue Rollen für Frau und Mann

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Ob an der TUM-Fakultät für Maschinenwesen oder im Garchinger Rathaus. Eigens bestellte Fachkräfte setzen sich für mehr Gleichberechtigung ein. Der "Equal Pay Day" am kommenden Dienstag führt wieder vor Augen, wie wichtig diese ist

Von Carina Irimia, Garching

Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit: Das fordert der "Equal Pay Day", der dieses Jahr auf Dienstag, 17. März, fällt. Das Datum wird jedes Jahr neu auf den Tag berechnet, bis zu dem Frauen arbeiten müssen, um im Durchschnittsgehalt auf den Wert zu kommen, den Männer bereits bis Ende des Vorjahres erreicht haben. Aktionstage wie dieser oder der jährliche Weltfrauentag Anfang März sollen darauf aufmerksam machen, dass immer noch Unterschiede zwischen Männern und Frauen gemacht werden.

"Ich finde es sehr wichtig, dass es solche Tage gibt, aber allein damit ist es nicht getan", sagt Lene Ihrig. Sie ist seit zwei Monaten Referentin für Chancengleichheit und Vielfalt für das Maschinenwesen an der Technischen Universität (TUM) in Garching - einer Männerdomäne bis heute.

Obwohl es bereits ein Büro für Chancengleichheit für die gesamte TUM gibt, schlug die Fakultätsleitung vor, für das Maschinenwesen ein extra Büro gegen Ungleichheiten aller Art einzurichten. Unterschiede zwischen Mitarbeitern, wie beispielsweise bei der Bezahlung, würden sich manchmal durch Vorurteile einschleichen, weil die Menschen nicht geschult seien, darauf zu achten. Deshalb ist es wichtig, dass es Personen gibt, die darauf nicht nur an speziellen Tagen aufmerksam machen, sondern das ganze Jahr über beobachten, ob Unterschiede gemacht werden. Nicht nur bei der Bezahlung. Denn: Gleichstellung ist mehr als Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen, so komme es unter anderem auch auf Herkunft, Religion und sexuelle Orientierung an.

Otto und Redl sollen sich besonders dafür einsetzen, dass auf der Führungsebene die Gleichberechtigung von Frauen und Männern gefördert wird und dass Chancengleichheit in allen Bereichen als Leitprinzip berücksichtigt wird. Selbst gehen sie dabei als Vorbild voran. (Foto: Privat)

Um mehr Diversität in Garching kümmern sich auch Christopher Redl und Cornelia Otto. Sie teilen sich im Rathaus die Stelle als Gleichstellungsbeauftragte und besetzen sie damit weder nur männlich, noch nur weiblich. Die Idee zu diesem Tandem, wie sie es nennen, gab der Stadtrat. Cornelia Otto übernimmt die kommunale, während Christopher Redl sich um die betriebliche Gleichstellung kümmert. "Wenn aber jemand lieber mit Frau Otto reden möchte, anstatt mit mir, ist das natürlich auch möglich", sagt Redl. Auch wenn das Angebot bisher noch nicht so stark in Anspruch genommen werde, sei es wichtig, dass sich die Menschen an jemanden wenden könnten. So planten sie beispielsweise auf Nachfrage einer Mutter bei einer neuen Schule neben den weiblichen und männlichen Toiletten auch eine für das dritte Geschlecht ein. Vor allem aber sei es ihre Aufgabe, in Gesprächen konstruktiv zu erkennen, wo etwas geändert werden könnte.

Lene Ihrig betreut im Maschinenwesen der TUM nicht nur Studierende, sondern auch Lehrende und Forschende. "Alle sollen sich entfalten können und wertschätzend miteinander umgehen", sagt sie. Statt Gleichstellung bevorzugt sie die Worte Chancengleichheit und Vielfalt. Jeder solle den Weg gehen können, den er sich wünsche, ohne durch bestimmte Merkmale eingeschränkt zu werden.

Eine große Baustelle, wenn es um gleiche Bezahlung, Gleichstellung und Chancengleichheit geht, sind immer noch Vorurteile, welche Geschlechter eher für bestimmte Berufe geeignet seien. Insgesamt hat die TUM einen Frauenanteil bei den Studierenden von 34 Prozent, im Maschinenwesen hält sich der Wert hingegen konstant bei etwa 15 Prozent. Die Universität versucht bereits viel, um Mädchen früh für das Metier zu begeistern: "Wenn wir Mädchen in der Schule das Gefühl geben, dass es seltsam ist, sich für MINT-Fächer (Anm. d. Red.: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu interessieren, dann werden sie die auch nicht studieren", sagt Ihrig. Entscheidend seien dabei auch Vorbilder, die junge Mädchen bestärken und sie inspirieren. Bei den Professuren gibt es da Erfolge. 2005 waren lediglich sieben Prozent des Professorenkollegiums weiblich, heute sind es 19 Prozent. Früher wurden Leiter von Bereichen aus der Industrie oft als Professoren berufen oder sie hatten bereits einige Qualifikationsstufen hinter sich. Doch mit jeder der Qualifikationsstufen sank der Frauenanteil. Ein Recruiting-System, das 2012 eingeführt wurde, ermöglicht jetzt eine Professur mit weniger Qualifikationsstufen. Damit können mehr junge Menschen und Frauen berufen werden. Sie können wiederum Mädchen zu Vorbildern werden.

Seit Anfang 2017 sind Cornelia Otto und Christopher Redl als kommunale Gleichstellungsbeauftragte bei der Stadt Garching tätig. (Foto: Privat)

Doch in Bezug auf die Berufswahl geht es auch um Chancengleichheit für Männer. Viele, die sich für einen Beruf im sozialen Bereich interessieren, entscheiden sich aus finanziellen Gründen oder auch aufgrund des sozialen Status dagegen. Beispielsweise wären mehr männliche Erzieher als Rollenvorbilder wichtig für Kinder, aber "in der Regel werden Kinder und Schüler bis zur weiterführenden Schule von Frauen betreut", sagt Otto. Mehr Erzieher spielen auch eine Rolle, wenn es um ungleiche Bezahlung geht. Kinderkrippen und Horte können berufstätige Mütter und Väter entlasten. Da es immer noch oft Frauen sind, die für die Erziehung der Kinder zunächst zu Hause bleiben, erreichen sie beispielsweise im öffentlichen Dienst erst zwischen einem bis drei Jahre später einen Lohn, den Männer früher erhalten. "Aber beide sollen später dieselbe Rente beziehen können", sagt Otto. Vor allem in den großen Firmen in Garching sei es bereits selbstverständlich, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihre Kinder mit an den Arbeitsplatz bringen könnten.

Christopher Redl hat selbst etwas getan, um festgefahrene Rollenbilder aufzubrechen. Er ist erst seit einigen Tagen aus seiner vierwöchigen Elternzeit zurück, im Sommer kommen weitere drei Monate dazu. "Da sieht man, wie wichtig die Zeit mit dem Kind ist, die man verpasst, wenn man nicht zu Hause ist", sagt er. Jeder Mann sollte das in Anspruch nehmen können, findet Redl. "Ich hoffe, ich bin ein Vorreiter", doch dafür brauche es Unterstützung vom Arbeitgeber. Im Garchinger Rathaus sei die Elternzeit für Männer selbstverständlich. Otto und Redl sind sich sicher, das werde wichtiger werden. Wegen des Fachkräftemangels sollten Unternehmen mehr auf Gleichstellung achten. "Ein Arbeitgeber, der einen Arbeitsplatz mit Chancengerechtigkeit und Zugang zu Führungspositionen für alle vorsieht, hat auch einen Wettbewerbsvorteil", sagt Otto.

© SZ vom 14.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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