Geschichte:Bauernschneider, Schaffler, Zehmer

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Ein Ort verändert sein Gesicht: Nicole Bergmann vom Gemeindearchiv, Anja Pütz vom Aschheim-Museum und Ortchronist Peter Stilling mit einer alten Ansicht vor dem Bauernschneiderhof. (Foto: Angelika Bardehle)

Das Aschheim-Museum präsentiert zu seinem 30-jährigen Bestehen ein Buch über die Bauernhöfe des Ortes. Die Sammlung setzt den alten Hofnamen ein Denkmal und illustriert nebenbei die Entwicklung der Landwirtschaft.

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Begonnen hat alles bei der Jagd. Peter Stilling, so erzählt er es, war eingeladen zu einer Jagdgesellschaft im nach Alt-Aschheimer Zungenschlag "Bauernschneider Dick" bezeichneten, recht dicht bewachsenen Waldstück auf dem Gebiet des sogenannten Bauernschneiderhofs. Beim anschließenden gemeinsamen Hasenragout stellte Stilling fest, dass seinen Begleitern zwar durchaus das Gelände, nicht aber dessen übertragener Name geläufig war.

Ein Umstand, den der Ortschronist so nicht stehen lassen wollte. Er machte sich auf die Suche nach Fotografien, Erzählungen und anderen Nachweisen, um die alten Hofnamen in Aschheim und Dornach für die Nachwelt festzuhalten. Das Ergebnis von Stillings emsiger Recherche ist nun in ein Buch eingeflossen, das passend zum 30-jährigen Bestehen der geschichtlich-heimatkundlichen Sammlung der Gemeinde, des heutigen Aschheim-Museums, an diesem Sonntag erscheint.

Auf den Dachböden waren erstaunlich viele alte Fotos

Museumsleiterin Anja Pütz und Nicole Bergmann, die seit 2015 dem Aschheimer Gemeindearchiv vorsteht, stellen die Sammlung der einzelnen Hofnamen darin in einen zeitgeschichtlichen Kontext. So ergibt sich ein anschauliches Bild, wie sich die zwei Dörfer Aschheim und Dornach von den 1880er-Jahren bis 1939 und darüber hinaus entwickelt haben. "Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden in Aschheim und Dornach keine großen Höfe mehr gebaut", erklärt Bergmann. In der Nachkriegszeit lag der Fokus vielmehr auf dem Siedlungsbau, schließlich brauchten zunächst Flüchtlinge, später Kinder und Zuzügler ein Heim in den beiden damals noch eigenständigen Gemeinden, die stetig wuchsen, wie die vielen Luftaufnahmen im Band eindrücklich beweisen.

Auch die bestehenden Höfe haben sich im Laufe der Jahrzehnte verändert, sie wurden renoviert, umgebaut oder zum Teil anders genutzt. Die Autoren stellen alten Fotografien, die vielfach aus Dachböden und Familienalben stammen, aktuelle Aufnahmen gegenüber. "Die meisten Leute haben zuerst gesagt, sie hätten keine Fotos von ihren Höfen, aber am Ende haben sie aus den Zigarettenschachteln doch noch Bilder hervorgezaubert", erzählt Stilling. Aus den Aufnahmen, die er bei den Aschheimern sammelte, stellte er einen Film zusammen, der 2014 zum ersten Mal in Aschheim gezeigt wurde. Das Interesse war riesig und bestärkte Stilling und Pütz darin, diesen Teil der Ortsgeschichte auch in einem Buch festzuhalten.

Mehr als 80 Höfe und öffentliche Gebäude sind nun mit Namen und Bild in dem Band verzeichnet. "Interessanterweise sind auch die Hofnamen im Wandel", sagt Museumsleiterin Pütz. Bei manchen hat der Familienname, durch Verkauf, Erbschaft oder andere Gründe, den Hofnamen irgendwann abgelöst. Andere Hofnamen halten sich bis heute, zumindest unter den alteingesessenen Aschheimern: Der Schmidbauerhof, wo einst der Schmied wohnte; der Schafflerwirt, der seinen Titel von dem dort früher ansässigen Fassmacher hat; oder der Zehmerhof, benannt nach der Zehent-Abgabe. "Unter welchem Namen ein Hof im Ort bekannt ist, ist oft auch eine Generationenfrage", hat Pütz festgestellt.

Heute gibt es noch etwas mehr als 20 landwirtschaftliche Anwesen

Der Sitz des Museums, das Kulturelle Gebäude, war einst selbst ein Hof, der Summererhof, und trug die heute ungewöhnliche Hausnummer Aschheim 28 1/2. "Hausnummern waren lange vor Straßennamen üblich, um die einzelnen Häuser eines Dorfes zu identifizieren", erklärt Bergmann. Die halben Nummern - vereinzelt finden sich sogar Drittelangaben - seien entstanden, wenn zwischen zwei Häusern nachträglich ein weiteres Gebäude eingefügt wurde, ein Austragshäusl zum Beispiel. Diese und weitere interessante Daten fördert das Buch zu Tage und bietet so gerade für Jüngere oder Neu-Aschheimer künftig eine bessere Orientierung, über wen an den Stammtischen des Ortes so gesprochen wird. Dabei blicken die Autoren auch in die Gegenwart und Zukunft des Ortes. Obgleich Aschheim an seiner Identität als Dorf weiterhin bewusst festhält, hat sich die traditionell gewichtige Rolle der Landwirtschaft deutlich verändert. War um 1960 noch etwa ein Drittel der Erwerbstätigen in Aschheim und Dornach in bäuerlichen Betrieben beschäftigt, sank der Anteil bis 1970 bereits auf etwa zehn Prozent; auf der anderen Seite haben die Bereiche Produktion, Handel, Verkehr und Dienstleistung an Gewicht gewonnen. Heute lassen sich in Aschheim und Dornach noch etwas mehr als 20 landwirtschaftliche Betriebe zählen - demgegenüber stehen Gewerbegebiete mit einer Vielzahl an Firmen.

Das Buch "Aschheim und Dornach - Höfe und öffentliche Gebäude im Wandel der Zeit" erscheint im Volk-Verlag und ist im Handel erhältlich. Am Sonntag, 26. November, von 17 Uhr an stellen es die Autoren anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Aschheim-Museums im Kulturellen Gebäude, Münchner Straße 8, vor. Außerdem zeigt Peter Stilling eine neue Fassung seines Films. Der Eintritt ist frei.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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