Weihnachtsgeschenke:Antrag unterm Christbaum

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Manchen reicht schon die Weihnachtsdeko, manche wünschen sich einfach Zeit mit der Familie. (Foto: Hartmut Pöstges)

Ein hölzernes Surfbrett für Jochen Schweizer, zwei Ringe für Ochmaa Göbel und etwas Zeit mit der Familie für Kerstin Schreyer: Acht Menschen erzählen von ganz besonderen Geschenken.

Von SZ-Autoren

Socken, Gutscheine und Geld sind die Klassiker unter den Weihnachtsgeschenken. Wer etwas Besonderes sucht, um es unter den Christbaum zu legen, könnte es mit Selbstgebasteltem versuchen, das soll laut einer Studie der Bundeswehruni in diesem Jahr hoch im Kurs stehen. Mit etwas Suchen finden sich auch bei verschiedenen Anbietern im Netz sicherlich unvergessliche Präsente. Wie wäre es mit einer "Übernachtung für zwei im Alpaka-Gehege im Sauerland" oder für echte Wasserratten mit einem "Ozeanprojektor"? Ein "Bluetooth-Bogen für Smartphones" klingt auch einigermaßen aufregend. Doch kommen diese Ideen auch an? Menschen aus dem Landkreis München erinnern sich an Geschenke, die sie besonders begeistert, berührt oder einfach nur überrascht haben - so sehr, dass sie diese nie vergessen werden.

Liebe und Wertschätzung

Joachim Faul und sein Schützling Joseph Bukenya. (Foto: Claus Schunk)

Es ist Hans-Joachim Fauls 76. Geburtstag, gegen 19 Uhr, Ende November. Er hat niemanden eingeladen und nichts geplant, als es an seiner Wohnungstür in Taufkirchen in klingelt. Sechs ugandische Flüchtlinge stehen da. Sie singen ein Ständchen, überreichen ihm eine mit weißem Zuckerguss überzogene Marzipantorte und ein Trikot der ugandischen Fußballnationalmannschaft. Einer der Flüchtlinge ist Joseph Bukenya. Die vergangenen zwei Jahre begleitete Faul ihn zu Ämtern, füllte mit ihm Anträge aus, half ihm bei den Hausaufgaben. Im Herbst zahlte sich der Aufwand schließlich aus: Joseph Bukenya, ein leidenschaftlicher Fußballer, ein Mann, der davon träumt, eines Tages Frau und Kind zu haben, bekam einen Ausbildungsplatz als Lagerist. Und der Geburtstag seines Helfers war für ihn der Moment, Danke zu sagen. "Ich habe nur Rotz und Wasser geheult", sagt Hans-Joachim Faul, so überwältigt sei er gewesen - von der Liebe, Wertschätzung und Achtung, die diese Geste ausdrückte. Es sei für ihn das schönste Geburtstags- und Weihnachtsgeschenk zusammen gewesen. Dabei habe er für sein Engagement keine Gegenleistung erwartet. Er helfe, weil er anderen die Unterstützung geben wolle, die er selbst nie hatte. Faul wuchs in den Nachkriegsjahren ohne Vater und ohne Mutter bei seinen beiden Omas auf. Er wurde Graveur, ein erfolgreicher Handwerksmeister, wie er selbst sagt, doch alles habe er sich alleine erkämpfen müssen. Weil das schwierig gewesen sei, wolle er jetzt anderen helfen. chrh

Zwei Songs für dich

Claudia Köhler, hier mit ihrem Ehemann, hat von ihrem Sohn zwei Songs bekommen. (Foto: Claus Schunk)

Claudia Köhler, Gemeinderätin der Grünen aus Unterhaching und seit diesem Herbst auch Landtagsabgeordnete, hat drei Söhne. Der mittlere, Daniel, ist ein begnadeter Musiker. Intensiv habe er viele Jahre lang klassische Gitarre gelernt und später im Abitur sogar mit diesem Instrument eine Prüfung abgelegt, das Additum, wie die Politikerin sagt. Klar liegt es da nahe, dass Weihnachten auch musiziert wird. Der Sohn hatte sich aber etwas ganz Besonders überlegt. Seine Mutter ist heute noch gerührt, wenn sie an das Geschenk von ihrem Daniel denkt, das er ihr an Weihnachten 2013 gemacht hat. "Ich hatte ein schwieriges Jahr mit eingeklemmtem Halswirbel, monatelangen Schlafstörungen und schlechten Nachrichten hinter mir", erinnert sie sich. Ihr Sohn habe ihr dann an Heilig Abend eine MP3-Player überreicht. Er hatte zwei Titel mit der Gitarre aufgenommen: "Largo" von Vivaldi und "Davids Song". "Das war richtig viel Arbeit, bis die Aufnahmen so waren, wie er sich das vorgestellt hatte", sagt Köhler. Er habe dann zu ihr gesagt: "Mama, wenn du nicht schlafen kannst, dann hörst du dir das nachts mit Kopfhörern an. Dann geht es bestimmt besser." Und so war es dann auch. "Es war ein wunderbares Geschenk", sagt Claudia Köhler. Hauptberuflicher Gitarrist ist Daniel dann zwar doch nicht geworden, inzwischen arbeitet er als Koch in der Schweiz. Seine Mutter kann sich aber weiterhin seine Musik anhören. hilb

Radio de Luxe

Corinna Weiss freut sich über ihr Retro-Radio. (Foto: Claus Schunk)

Liebevoll blickt Corinna Weiss auf ihr Telefunken-Radio "Bajazzo de Luxe", das einen festen Platz in ihrem Atelier hat. Die Haarer Künstlerin, die Acrylbilder im Stil eines märchenhaften, fantastischen Realismus malt, hat es im vergangenen Jahr von ihrem Mann bekommen, der ihr damit einen Herzenswunsch erfüllt hat. Seit jeher mag Corinna Weiss alte Geräte, sei es die mechanische Brotschneidemaschine oder der metallene Flötenkessel. Das Radio war ein besonderes Geschenk mit Geschichte. Im Sommer 2017 war Weiss mit ihrem Mann bei einem Hofflohmarkt und entdeckte ein altes Radio, wie sie es aus ihrer Kindheit kannte. "Das war noch richtig gutes Material und war sehr gut verarbeitet." Warum sie das Radio beim Hofflohmarkt nicht erwarb, kann Weiss gar nicht mehr sagen. Ihr Mann Ingo aber verspürte ihren sehnlichen Wunsch und machte sich auf die Suche nach einem Transistorradio aus dem Geburtsjahr seiner Frau. Seit sie sich kennen, schenkt er ihr immer etwas zum Riechen, zum Schmecken, zum Hören. So überraschte er sie mit dem Radio-Modell "Bajazzo de Luxe". "Das Radio ist nur zwei Jahre jünger als ich", sagt Corinna Weiss und dreht versonnen am Senderwahlknopf. "Es funktioniert wunderbar und hat einen richtig schönen Klang", schwärmt sie. "Manches Mal mache ich einfach meine Ateliertür zu, drehe es an und lasse meine Gedanken schweifen. Meine Künstlerkollegen hier an der Hans-Pinsel-Straße in Haar wissen, dass ich dann Ruhe brauche." abo

Die Puppe aus der DDR

Eine blonde Puppe - das war Ochmaa Göbels liebstes Stück. (Foto: Claus Schunk)

Jedes Kind aus der Nachbarschaft wollte sie sehen. Diese Puppe mit den langen blonden Haaren. "Ich war das einzige Mädchen weit und breit, dass eine europäische Puppe besaß", sagt Ochmaa Göbel. Ihr Vater hat ihr die Puppe Ende der Achtzigerjahre aus der DDR mitgebracht, dem damaligen sozialistischen Bruderland der Mongolei, in dem er immer wieder war, um in Thüringen die Fabrikation von Wurstwaren zu erkunden und Maschinen zu kaufen - und die Sprache zu lernen. Und auch in Ochmaa Göbel, die ihren Vater zu Hause in der mongolischen Hauptstadt Ulan-Btor immer wieder Deutsch sprechen hörte, wuchs schon als kleines Mädchen der Wunsch, die fremde Sprache näher kennen zu lernen: "Eine Sehnsucht nach diesem Land mit der schönen Sprache und den wunderschönen Puppen." Eine Sehnsucht, die sie sich später als Au-pair-Mädchen und Übersetzerin erfüllen sollte - und die sie gewissermaßen ihrem Ehemann, Landrat Christoph Göbel, in die Arme trieb, mit dem sie heute gemeinsam mit den beiden Söhnen in Gräfelfing wohnt. Die wunderschöne Puppe bekam Ochmaa Göbel übrigens an einem 31. Dezember geschenkt. An diesem Datum wird in der Mongolei Weihnachten gefeiert. Schon unter Dschingis Khan, sagt Ochmaa Göbel, habe es in der Mongolei Religionsfreiheit gegeben, und seitdem haben auch christliche Traditionen ihre Spuren in einer Gesellschaft hinterlassen, die nach wie vor stark vom Buddhismus und vom Schamanismus beeinflusst wird. Neben der Puppe erinnert sich Ochmaa Göbel gerne an eine zweites Weihnachtsgeschenk, das ihr Christoph Göbel 2011 gemacht hat. Ein "aufwendig eingepacktes Geschenk", wie sie sagt. Darin zwei Ringe. "Er tat so geheimnisvoll", sagt Ochmaa Göbel über ihren Mann, der dann doch mit der Sprache herausrückte - und ihr an Heiligabend einen Heiratsantrag machte. müh

Gesundheit und ein Paar Socken

Johannes Streitberger ist froh, seinen Dienst leisten zu dürfen. (Foto: Claus Schunk)

Als katholischer Pfarrer sind die Weihnachtstage für Johannes Streitberger eine besondere Zeit. Allerdings geht es bei ihm weniger um die Fragen, wann an Heiligabend die Kerzen am Christbaum angezündet werden oder was unterm Baum liegt, sondern vor allem darum, die Gottesdienste und Krippenfeiern in Unterschleißheim und Lohhof zu koordinieren und eine gelungene Weihnachtspredigt vorzubereiten. Einen Wunschzettel hat Streitberger auch nicht. "Ich bin froh, wenn ich gesund bin und meinen Dienst tun kann", sagt er. Über kleine Gaben von Gemeindemitgliedern freut er sich natürlich trotzdem, eine Tüte Plätzchen, die plötzlich an der Tür seiner Wohnung hing zum Beispiel. Einige Frauen haben ihm auch schon selbstgestrickte Socken geschenkt, sagt er. Die trägt er gerne. Größere Geschenke annehmen darf er als Pfarrer aber gar nicht. Häufiger kommt es vor, dass er zu Heiligabend selbst zum Verteiler guter Gaben wird. Gerade in der Vorweihnachtszeit möchten viele Menschen etwas von ihrem Wohlstand abgeben. Ein älteres Gemeindemitglied, sagt Streitberger, habe nach einer gelungenen, riskanten Operation vor einiger Zeit beschlossen, aus Dankbarkeit jedes Jahr vor Weihnachten 1000 Euro zu spenden. Das Geld kommt nun Menschen in Not aus der Pfarrei zugute; wenn Streitberger von einer Notlage erfährt, prüft er diese und leitet dann Hilfe in die Wege. Manche Unterstützung ist nicht finanzieller Art. Heuer erinnert sich Streitberger besonders an den Fall einer Brasilianerin, die lange arbeitssuchend war und keine Stelle fand. Dank einiger Kontakte und Vermittlungsbemühungen arbeitet sie heute als Quereinsteigerin im Pflegeheim. "So etwas ist für mich ein kleines Weihnachten", sagt er. gna

Stressfreie Tage

Zeit mit ihrer Tochter. Das wünscht sich Kerstin Schreyer. (Foto: Claus Schunk)

Schon als einfache Landtagsabgeordnete wusste Kerstin Schreyer, was es heißt, mit einem vollen Terminkalender zu leben, von Veranstaltung zu Veranstaltung zu eilen, wenn eine Sitzung die andere jagt, der nächste Wahlkampf schon wieder bevorsteht. Seit die CSU-Politikerin im März Ministerin geworden ist, ist ihr Leben noch mal enger getaktet. Da bleibt einfach noch weniger Zeit neben dem Job, als Chefin des Sozialministeriums ist sie ständig gefragt. Umso mehr schätzt die Unterhachingerin jede freie Minute, jede freie Stunde, jeden freien Tag. Sie sagt: "Das schönste Geschenk, welches mir an Weihnachten gemacht werden kann, ist Zeit. Aus dem Blickwinkel, dass vor dem Heiligen Abend schon alles organisiert und abgearbeitet ist und ich ohne Stress die Feiertage genießen kann." Nur dann habe sie Zeit, um Unternehmungen mit ihrer Familie zu machen, sagt sie. Zeit, sich mit Freunden zu treffen und in die Kirche zu gehen. Daraus tanke sie ihre Kraft, sagt Schreyer. hilb

Ein Unikat

Hannah Stegmayer mit der Skulptur "Mental Rotation". (Foto: privat)

Hannah Stegmayer ist Kunsthistorikerin und Kulturwissenschaftlerin, sie hat Ausstellungen kuratiert, mit bildenden Künstlern zusammengearbeitet - und sie ist mit einem Bildhauer verheiratet. Kein Wunder also, dass die Leiterin des Pullacher Bürgerhauses in ihrem Leben so manche, von kreativen Händen gestaltete Arbeit geschenkt bekommen hat. "Die Wände sind voll davon", sagt sie. Stegmayer sagt aber auch: "Meine Familie ist nicht besonders sentimental beim Schenken, etwas ironisch oder ganz vernünftig und an dauerhaften Dingen interessiert." Manchmal gab es für sie auch eher verrückte, manchmal gar keine Weihnachtsgeschenke. 2012 bekam sie von ihrem Mann Toni aber endlich eine besonders gelungene Arbeit: "Eine ziemlich schwere Skulptur 'Mental rotation' aus Belgisch Granit, weil ich mir dies gewünscht hatte", sagt sie. Stegmayer, die schon qua Ausbildung und Beruf ein Auge fürs Schöne hat, schwärmt: "Ich mag sie gerne, weil sie gebogen ist, fast wie ein Rückgrat, und weil mir die Proportion und der Stein sehr angenehm sind. Diese Skulptur arbeitet mit dem Zufall. Sie ist geschnitten und gebrochen, jeder Bruch wird anders, ein Unikat." Das Glück der Beschenkten durfte sie indes nur ein paar Jahre genießen. Ein österreichischer Kunstsammler, der die Qualität der Skulptur erkannte, wollte sie unbedingt kaufen - und setzte sich schließlich mit seinem Angebot durch. Hannah Stegmayer musste sich 2017 von ihrem Präsent trennen, sie erhielt dafür von ihrem Mann eine Kopie der Arbeit, die angesichts von Toni Stegmayers kreativer, dem Zufall integrierender Arbeitsweise natürlich keine perfekte war. Insofern ist nun auch die Kopie wieder ein Unikat. wat

Ein hölzernes Surfboard

Jochen Schweizer ist zum Surfer geworden. (Foto: privat)

Bungee Jumping, Lasertag, Alpaka-Wanderungen, Feng Shui, Übernachtung im Iglus. Mit seinen Gutscheinen wurde Jochen Schweizer deutschlandweit bekannt. Gegenstände zu verschenken, ist eigentlich nicht Teil seines unternehmerischen Konzepts. Auf seiner Homepage wirbt er mit dem Slogan "Du bist, was du erlebst". Allerdings hat der König der Geschenke im vergangen Jahr selbst ein Präsent bekommen, das ihm ganz besonders am Herzen liegt: "Zu meinem 60. Geburtstag haben sich meine Mitarbeiter dann ein ganz besonderes Geschenk einfallen lassen: Ein hölzernes Surfboard, bedruckt mit einem meiner Lebensmottos von Jon Kabat-Zinn. 'You can't stop the waves, but you can learn to surf'", sagt der Unternehmer. Denn surfen, daran hatte sich Schweizer bis zum Bau seiner Arena vor zwei Jahren noch nicht versucht. Inzwischen allerdings ist es sein bevorzugtes Morgenritual geworden. Er sagt: "Seither trainiere ich, so oft es mein Kalender zulässt, in den frühen Morgenstunden, noch bevor die Arena öffnet. Für mich ist das der beste Start in den Tag." Und seit dem Geburtstag im vergangenen Juni am liebsten auf seinem Board, das steht nämlich jederzeit einsatzbereit in seinem Büro in Taufkirchen. Und dient auch gleich als Motivation für die frühen Morgenstunden, denn das Motiv darauf ist Schweizer selbst: "Darauf gedruckt ist ein großes Mosaik aus Porträtfotos all meiner Mitarbeiter, die gemeinsam ein Foto von mir auf der Welle beim Surfen darstellen. Ein sehr persönliches Geschenk", sagt Jochen Schweizer. koso

© SZ vom 24.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Weihnachten
:Typologie der Schenker

Der eine hat die Geschenke schon längst verpackt, der andere stürzt in letzter Minute in die Läden. Einer schreibt Gedichte, der andere faltet Geldscheine. Ein Überblick von Streber bis Patriot.

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