Süddeutsche Zeitung

Geschäftszentrum:Einkaufen schwer gemacht

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Weil der Investor mit zwei alten Eigentümern im IAZ nicht handelseinig wird, stockt der Umbau der Mall am Unterschleißheimer Rathausplatz. Wenn Edeka im April schließt, gibt es dort keinen Lebensmittelmarkt mehr

Von Gudrun Passarge, Unterschleißheim

Die drei älteren Frauen genießen ihr Plauderstündchen im IAZ am Unterschleißheimer Rathausplatz. Sie sitzen an einem Tisch und trinken Kaffee. Und was machen sie, wenn der Edeka-Laden Ende April seine Filiale im Einkaufszentrum dicht macht? Da geraten die Frauen kurz in Fahrt. Sie berichten von den Unterschriften, die sie gesammelt und dem Bürgermeister übergeben haben. "Wir haben so gekämpft, aber es hat nix genutzt", sagt die eine. Aber wo gehen sie dann einkaufen? "Da müssen wir in den Bus steigen und nach Lohhof fahren", lautet eine Aussage. "Oder mit dem Taxi fahren", sagt eine andere, deren Rollator neben dem Tisch geparkt ist.

Gerade für ältere Menschen wird es eine Umstellung werden, sollte es nicht gelingen, eine Zwischenlösung für das Einkaufszentrum IAZ zu finden. Bürgermeister Christoph Böck (SPD) berichtet von Gesprächen, die stattfinden, um Edeka zu ersetzen, "aber das ist nicht so einfach". Er bedauert die Entscheidung des Lebensmittelkonzerns: "Ich hatte schon gehofft, dass Edeka bleibt, bis der Zeitpunkt gekommen ist." Gemeint ist der Zeitpunkt, auf den viele in Unterschleißheim schon so lange warten. Der Zeitpunkt, an dem im Einkaufszentrum endlich etwas vorangeht. Das sollte eigentlich schon 2017 passieren. Nun ist Böck optimistisch, dass es in diesem Jahr weitergeht mit der Planung.

Das Einkaufszentrum? Ein "Geburtsfehler"

Aktuell sind noch zwei Eigentümer mit dem Investor Rock Capital in Verhandlung. Mit dem Fotoladen sei eine Einigung auf einem guten Weg, berichtet Christian Lealahabumrung, Geschäftsführer von Rock Capital. Auch mit dem Eigentümer einer Wohnung in dem Gebäudekomplex würden noch Gespräche geführt.

Warum das von Belang ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit. Es ist immer wieder vom "Geburtsfehler" des Einkaufszentrums die Rede, von dieser Fehlkonstruktion, dass viele Eigentümer mitbestimmen durften, was und wann saniert wird. Mit der Folge, dass jahrelang gar nichts oder viel zu wenig passierte. Nach vielen Turbulenzen und einigen Investoren übernahm 2015 dann die Rock Capital Group mit Sitz in Grünwald das Einkaufszentrum, das da schon längst nicht mehr den Anforderungen der Zeit entsprach.

Ihr erklärtes Ziel: 100 Prozent der Eigentumsrechte zu erlangen. Stück für Stück kaufte sie sich die Anteile zusammen, teils nach zähen Verhandlungen. Erst, wenn nur noch einer im Boot sitzt, sprich der Investor, dann sollen die Pläne vorgelegt werden. Dass es erst dann passieren soll, verteidigt der Geschäftsführer der Rock Capital Group, die in München große Projekte wie etwa ein Wohnhochhaus im Werkviertel plant. Das sei auch ein juristisches Problem, so lange es noch andere Eigentümer gebe, sagt der Geschäftsführer.

Lealahabumrung berichtet, dass sich besonders die Verhandlungen mit dem vermutlich bald letzten Eigentümer schwierig gestalteten. Der Mann wohne nicht in Unterschleißheim, sagt Lealahabumrung. "Ob das IAZ jetzt vorwärtskommt oder nicht, das betrifft ihn ja nicht." Der Wohnungseigentümer widerspricht. Er habe sich sehr wohl schon eingesetzt im IAZ, habe das Chaos dort beendet und eine neue Hausverwaltung organisiert.

Letztlich ist es der Preis, um den beide Parteien streiten. "Wenn exorbitante Preise verlangt werden, dann sind uns die Hände gebunden", sagt der Geschäftsführer von Rock Capital. Der Wohnungseigentümer dagegen sieht es naturgemäß anders. "Der Preis ist sicher ein bisschen höher als der Marktpreis", sagt er. "Rock Capital wird sehr großen Gewinn machen, dann darf ich da einen Anteil nehmen." Wie gesagt, die Verhandlungen laufen, Ende offen. "Eine Einigung ist möglich", sagt jedoch der Wohnungseigentümer. Auch der Investor setzt darauf.

Bürgermeister Böck geht von einem Neubau aus

Doch wie geht es dann weiter, sollte Rock Capital die 100-Prozent-Marke erreichen? "Im Anschluss werden wir sehr kurzfristig mit der Planung beginnen und offiziell beider Verwaltung und der Politik vorstellig werden", sagt Lealahabumrung. Auf jeden Fall habe Rock Capital "nicht vor, das Objekt zu verkaufen", vielmehr wolle der Investor die Sanierung selbst realisieren. Am wahrscheinlichsten sei ein Neubau, wie der Geschäftsführer schon mehrfach betont hat.

Von einem Neubau geht auch Bürgermeister Böck aus. Die Stadt sei jetzt gefragt, ihre städtebaulichen Ziele zu formulieren. "Wir wollen die Gesamtplanung in diesem Jahr initiieren." Das betrifft nicht nur das IAZ, sondern auch das benachbarte Postgrundstück. Es gehört dem Betreiber der Rathaus Apotheke, Robert Müller. Seit Jahren schon versucht er, seine Pläne für ein Ärztehaus mit Einzelhandel und vielleicht auch mit Wohnungen für Senioren voranzubringen. Müller betont, er sei da gesprächsbereit in verschiedene Richtungen. Aber er müsse auch schauen, dass sich ein neues Gebäude rechne. Die Pläne dafür hat er schon in der Schublade liegen. Dazu benötigt er allerdings zunächst einmal Baurecht, denn bislang ist nur ein Postgebäude an dieser Stelle erlaubt.

Müller berichtet von zahlreichen Gesprächen, mit dem Bürgermeister, mit Rock Capital. Sein Vorwurf: "Wenn man nicht jahrelang blockiert hätte, hätte man hier eine Nahversorgung für den Rathausplatz sichern können." Edeka wäre gerne bei ihm eingezogen, sagt er, das habe er auch gemeinsam mit Vertretern des Lebensmittelkonzers dem Bürgermeister mitgeteilt. Aber er habe das Gefühl, dass die Stadt einseitig Partei ergreife und den großen Investor bevorzuge. Müller kann sogar eine Marktstudie vorlegen, dass ein Lebensmittelmarkt auf dem Postgrundstück die Entwicklung des IAZ nicht behindern würde.

Christian Lealahabumrung hat dazu eine eindeutige Meinung. "Das ist auf gar keinen Fall in unserem Sinne. Wenn Herr Müller auch einen Lebensmittelmarkt machen würde, würden wir uns gegenseitig kannibalisieren." Und Christoph Böck bestreitet die Parteinahme. "Wir wollen keinen bevorzugen. Wir haben eigene städtebauliche Interessen." Es gehe um die lebendige Ortsmitte, und "dass da keine Ruine herumsteht". Böck plädiert für ein Gesamtkonzept am Rathausplatz, mit der Einschränkung: "Es muss nicht die gesamtgroße Lösung sein in einem Stil." Aber eine gemeinsame Planung wäre schon in Hinblick auf die Stellplätze und eine gemeinsame Tiefgarage sinnvoll. Ob da ein Grundstückeigner seine Vorstellung zuerst verwirkliche oder ob der Umbau am Rathausplatz gleichzeitig passiere, das werde sich zeigen. Als Zeitplan rechnet der Bürgermeister mit zwei Jahren Planung und zwei Jahren Bauzeit. Mindestens. Und das auch erst dann, wenn der Investor und der letzte Eigentümer sich geeinigt haben. Bis dahin können die drei älteren Frauen vermutlich noch einige Tassen Kaffee trinken.

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Quelle:
SZ vom 30.01.2018
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