Geothermie:Noch ein Loch

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Aschheims Bürgermeister Thomas Glashauser (links, mit dem neuen Geschäftsführer Sebastian Ruhland) sieht die Zeit für eine zweite Bohrung gekommen. (Foto: Claus Schunk)

Die AFK Geothermie war Deutschlands erstes interkommunales Erdwärmeprojekt. Nun stehen die Gemeinden Aschheim, Feldkirchen und Kirchheim vor der Gewissensfrage: Sollen sie in eine weitere Bohrung investieren?

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Sebastian Ruhland hat sich fraglos eine spannende Aufgabe gesucht. Vor vier Wochen hat der 34-Jährige die Geschäftsführung der AFK Geothermie GmbH übernommen, als erster hauptamtlicher Vollzeit-Geschäftsführer ist er nun für die Organisation und Verwaltung des interkommunalen Erdwärmeprojekts verantwortlich. Sein Vorgänger Manfred Durner, der den Betrieb ursprünglich nur interimsweise leiten sollte, wird nach nunmehr fünf Jahren in den Ruhestand gehen.

Vor zehn Jahren taten sich die Nachbargemeinden Aschheim, Kirchheim und Feldkirchen zusammen und beschlossen, in Sachen Energie gemeinsam in die Zukunft zu investieren. 2008 begann man mit der Bohrung auf dem Claim "Ascaim" westlich des Autobahnrings A 99. Aus mehr als 2200 Metern Tiefe wird seit 2009 85 Grad Celsius heißes Wasser gefördert und zur Gewinnung von Fernwärme genutzt.

Damit war die AFK Geothermie GmbH das erste interkommunale Geothermieprojekt der Republik, darauf ist man bis heute stolz in der Geothermie-Zentrale in Aschheim. "Es ist ein besonderes Projekt", sagt auch Ruhland, "auch wegen des großen Netzes". Gut 78 Kilometer Leitungen verlaufen zwischen den drei Gemeinden, insgesamt sind etwa 1050 Stationen bei Privat- und Firmenkunden an die Fernwärmeversorgung aus der Tiefe angeschlossen.

Der Zuspruch freut den neuen Geschäftsführer. "Das ist eine gute Basis. Wir stehen jetzt aber auch vor der Herausforderung, wie wir auf dieser Basis weitermachen", sagt Ruhland. "Wie bleibt man ein Geothermie-Projekt, das auch unter neuen Investitionen wirtschaftlich darstellbar ist?"

Die Frage ist eine Geld- und eine Gewissensfrage. Die Wärmepumpe der AFK mit einer maximalen Förderleistung von 85 Litern pro Sekunde stößt langsam, aber sicher an ihre Grenzen. Der Aschheimer Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU), der das Projekt seit zehn Jahren kommunalpolitisch begleitet und im Herbst turnusmäßig den Vorsitz des Aufsichtsrats der GmbH übernommen hat, fordert deshalb eine weitere Bohrung.

Das trifft in Kirchheim, Feldkirchen und Aschheim nicht nur auf Zustimmung. Der Preis eines zweiten Bohrlochs rief gerade in Feldkirchen eher Skepsis hervor; der Kirchheimer Bürgermeister und vorherige Aufsichtsratsvorsitzende Maximilian Böltl (CSU) schätzte diesen zuletzt auf etwa 20 Millionen Euro, je zehn für die Bohrung selbst und den Netzausbau.

Bis die Geothermie Gewinne abwirft, wird es noch dauern

Alle drei Kommunen haben für den Aufbau der AFK Kredite aufgenommen. Bis die GmbH Gewinne abwirft, wird es wohl noch einige Jahre dauern. Gleichwohl hat das Projekt viele Befürworter. "Das Netz war teuer, wir brauchen weitere Energie, um es zu nutzen", sagt Glashauser. Auch wenn es eine finanzielle Herausforderung werde: "Wir wollen weiter Geothermie machen und kein Blockheizkraftwerk werden."

Die Argumentationslage der Befürworter erschwert, dass Öl und Gas derzeit besonders günstig zu haben sind. "Dafür sind wir mit der Geothermie unabhängiger von Preisschwankungen", sagt Ruhland. Hinzu kommt der Umweltaspekt, dem sich die Gemeinden verpflichtet sehen. "Ich denke, jetzt ist der richtige Zeitpunkt für eine zweite Bohrung", sagt Glashauser darum. Angesichts großer anstehender Neubaugebiete, etwa der Kirchheimer Ortsmitte, bedürfe es weiterer Kapazitäten.

Um die Kosten für alle drei kommunalen Gesellschafter stemmbar zu machen, werde es womöglich neue Finanzierungsmodelle brauchen, sagt Glashauser. Diese will der neue Aufsichtsratsvorsitzende gemeinsam mit seinen Bürgermeisterkollegen und Geschäftsführer Ruhland nun angehen. "Wir analysieren gerade den Ist-Zustand: Was kann unsere Anlage und unser Netz, und welche Finanzierungsmöglichkeiten haben wir? Die Ergebnisse wollen wir zusammenführen und sehen, was möglich und energetisch sinnvoll ist und was die drei Kommunen wollen", sagt Ruhland.

Die gemeinsame Geothermieanlage der Gemeinden Aschheim, Feldkirchen und Kirchheim steht in Aschheim. (Foto: Claus Schunk)

Das bestehende Netz soll verdichtet werden, unter anderem durch eine bessere Kundenakquise. Außerdem will Glashauser ein verstärktes Augenmerk auf die Öffentlichkeitsarbeit legen - gegenüber Bürgern wie Gemeinderäten. Von Seiten der kommunalpolitischen Gremien war zuletzt immer wieder Kritik laut geworden, die Geschäfte der AFK seien zu intransparent. Das will Glashauser verbessern. Die Gemeinderäte in Aschheim, Feldkirchen und Kirchheim sollen näher an das Projekt heranrücken, nicht zuletzt, um als Kommunikatoren für die Bürger zu fungieren und diese für die Geothermie zu begeistern.

Die Möglichkeit für eine zweite Bohrung hätte die AFK wohl, unweit des ersten Bohrlochs auf dem Gelände der Zentrale, erklärt Glashauser. Das Unternehmen hatte sich zuletzt außerdem in der Nähe von Vaterstetten einen weiteren Claim gesichert. Die geologischen Untersuchungen hätten allerdings ergeben, dass das Wasser dort zwar heißer sei als in Aschheim, erläutert Ruhland, es liege jedoch auch tiefer und wäre somit teurer zu fördern. Hinzu kämen die Kosten für das Rohrleitungsnetz bis in die Energiezentrale.

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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