Süddeutsche Zeitung

Energiekrise:Die Lösung könnte Geothermie heißen

Seit durch den Ukraine-Krieg die Rohstoffpreise steigen, verzeichnen Anbieter von Tiefenwärme im Landkreis eine enorme Nachfrage. Auf einen Anschluss muss man jedoch lange warten.

Von Iris Hilberth

Bei Neubauvorhaben zählt der Geothermieanschluss in vielen Gemeinden des Landkreises mittlerweile fast schon zur Standardausstattung. Im Bestand hingegen waren bislang Hauseigentümer in Bezug auf das Nachrüsten noch zögerlich, wenn es die alte Heizung noch ein paar Jahre tat. Doch die gestiegenen Preise fossiler Energieträger und jetzt auch noch der Krieg in der Ukraine verstärken den Wunsch, von Öl und Gaslieferungen unabhängig zu werden. Das führt offenbar zu einem schnelleren Umdenken: In Unterhaching, Pullach, Oberhaching und Unterföhring bestätigen die Anbieter der Tiefenwärme eine sprunghaft gestiegene Nachfrage nach einem Anschluss an das Fernwärmenetz. Von heute auf morgen geht das häufig aber nicht.

Wirft man einen Blick auf den Unterhachinger Netzplan, in dem der aktuelle Ausbaufortschritt der Geothermie eingezeichnet ist, wird zwar deutlich, dass in den meisten Straßen die Rohre längst verlegt sind. Doch die Fernwärme vor der Tür besagt noch nicht, dass sie bis zum nächsten Winter auch im Haus sein wird. Wolfgang Geisinger, der Geschäftsführer der Geothermie Unterhaching, muss die Erwartungen auf einen flotten Anschluss dämpfen. "Wir haben einen Vorlauf von eineinhalb bis zwei Jahre", sagt er. Grund seien Lieferengpässe für das Material und geringe Kapazitäten bei den Baufirmen, "die sind komplett ausgebucht", so Geisinger, und nicht jeder Heizungsbauer könne Fernwärmeanlagen einbauen. Auch die Förderanträge seien für dieses Jahr bereits durch. Dabei kann Geisinger sich vor Anfragen kaum retten, eine doppelt so hohe Nachfrage wie sonst gebe es aktuell. Doch wer spontan beschließt, sich von seiner Öl- oder Gasheizung zu trennen, den muss Geisinger derzeit auf das nächstes Jahr vertrösten.

Auch in Pullach ist die Nachfrage rasant nach oben gegangen. Von einem "Wahnsinns-Anstieg" spricht Helmut Mangold, Geschäftsführer der Innovative Energie Pullach (IEP). Am Montag habe er 20 Anfragen bekommen, am Dienstagvormittag weitere zehn. Sonst schließt die IEP jährlich etwa 50 Häuser an. 70 bis 80 würde man schaffen. Wenn der Bedarf noch größer werde, müsse die IEP nach Dringlichkeit entscheiden, wer zuerst drankommt. Etwa 2700 Gebäude gibt es in der Gemeinde, knapp 1200 seien bereits am Netz. Mit der jetzigen Kapazität könnte die IEP entweder alle Einzelhäuser oder die Industrie komplett anschließen. "Wir brauchen eine zusätzliche Bohrung", sagt Mangold.

In Unterföhring gibt es die bereits. Etwa 60 Prozent der Gebäude sind mittlerweile mit der Geothermie verbunden, in fünf bis sechs Jahren sollen es bis zu 90 Prozent sein, so der Plan der Geovol Unterföhring GmbH. "Tatsächlich haben wir seit Beginn des Krieges mehr Anfragen", sagt Geschäftsführer Peter Lohr, "aber wir sind sehr gut vorbereitet." Mit den Neubauten in Unterföhring sei die Nachfrage eh schon gestiegen, und damit man keine Probleme mit Lieferschwierigkeiten bekomme, habe die Geovol schon im vergangenen Jahr aufgrund der Corona-Krise begonnen, Material zu bestellen und in Lagern bereitzuhalten. Mit den Baufirmen bestünden zudem Rahmenverträge, zwei Kolonnen seien schnell und flexibel einsetzbar. "Wir können einen Anschluss innerhalb weniger Wochen fertigstellen", verspricht Lohr. Abhängig sei der Umstieg auf die Geothermie eher davon, ob noch Öl im Tank und ob der Gasvertrag schon gekündigt sei.

Mehr Baufirmen an der Hand haben seit kurzem die Gemeindewerke Oberhaching, die den Netzausbau im Ort vorantreiben. So hat sich eine weitere Arbeitsgemeinschaft (Arge) einer Rohr- und einer Tiefbaufirma auf Initiative der Gemeindewerke eigens für diese Arbeiten gegründet. "Damit wird es uns möglich, zusammen mit der bereits im Ort tätigen Arge dieses Jahr mehr als 100 Hausanschlüsse, vielleicht sogar bis zu 150 zu realisieren, sollten nicht Material- und Lieferengpässe, verursacht durch den Ukrainekrieg, dies erschweren", sagt der Geschäftsführer der Gemeindewerke, Thomas Hümmer. Mehr als 150 Anschlüsse im Jahr seien allerdings in Oberhaching nicht zu bewerkstelligen, zumal die Baustellen stets mit Fahrbahnverengungen einhergingen. Aktuell ist man in Oberhaching ebenfalls bei einem Ausbau von etwa 60 Prozent angelangt, in fünf Jahren will man bei 85 Prozent sein, was einer vollen Erschließung entspräche, "denn nicht überall ist es möglich", sagt Hümmer und verweist auf abgelegene Gebäude.

Auch in Unterhaching will man beim Geothermieausbau mehr Tempo machen. Von 4000 Objekten sind 1500 erschlossen, in Dreiviertel der Straßen liegen schon Rohre. "Bis zum Sommer wollen wir mit dem Gemeinderat eine Strategie entwickeln, wie wir das beschleunigen", sagt Geschäftsführer Geisinger. Die gute Botschaft aber sei: "Es ist genug Wärme da, um den ganzen Großraum München zu heizen."

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