Es könnte der ersehnte Booster für den kräftigen Ausbau der klimafreundlichen Tiefengeothermie sein. Das Bundeswirtschaftsministerium hat mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und dem Versicherungsunternehmen Munich Re ein Programm für eine Absicherung von Risiken erarbeitet. Sollte der Bundeshaushalt 2025 mit den dafür vorgesehenen Mitteln verabschiedet werden, könnten Kommunen sich damit bereits zum Jahresbeginn dagegen wappnen, dass eine ergebnislose Bohrung sie ruiniert.
Rund um München gibt es vielerorts bereits Geothermie-Kraftwerke. Das Molassebecken im Voralpenraum bietet – ebenso wie der Oberrheingraben und das Norddeutsche Becken – beste Voraussetzungen, um diese klimafreundliche Energiequelle in der Tiefe zu nutzen. Doch es kann überall passieren, dass sich ein Bohrkopf über Wochen durch den Erdmantel arbeitet und am Ende nur Enttäuschung und hohe Kosten bleiben. Eine sogenannte trockene Bohrung ist der Albtraum vieler Bürgermeister, schließlich kann diese um die 25 Millionen Euro kosten. Andreas Ronge von der KfW hat kürzlich beim „Praxisforum Geothermie Bayern“ in Pullach vorgestellt, wie dieses Risiko mit einem maßgeschneiderten Angebot künftig minimiert werden kann. „Ich glaube“, sagte er vor Branchenvertretern, „dass die Vertreter der Kommunen nachts gut schlafen können.“
Hinter dem Programm steht Ronge zufolge die Zielvorgabe aus dem Haus von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), bis zum Jahr 2030 insgesamt 100 Geothermie-Kraftwerke quer durchs Land umzusetzen. Das wäre eine Verdoppelung der bisher geschaffenen Kapazitäten. Schon im nächsten Jahr wollten KfW und Munich Re 15 Projekte unterstützen. Bis 2027 peile man 65 an. Anschieben will man das mit dem Schutzschirm für Kommunen, den die KfW gemeinsam mit dem weltgrößten Rückversicherer von 2025 an aufspannen will. Ronge rechnet damit, dass eine Erstprüfung von vorgelegten Geothermie-Projekten innerhalb von vier bis acht Wochen möglich sein wird. Die Projektskizzen seien dafür zunächst an die Munich Re zu schicken. Und zwar von sofort an bei einer Prüfgebühr von „pauschal 50 000 Euro“. Es bestehe jetzt die Möglichkeit, dass „wir Projekte umzusetzen können, die sonst vielleicht nicht möglich wären“.
Anfang der Nullerjahre waren Pioniere gefragt. Die Gemeinde Unterhaching hat 2004 die Bohrung für eines der ersten Kraftwerke auf den Weg gebracht, die Wärme und Strom in Kombination produzieren sollten. Seitdem hat sich nicht nur die Bohrtechnik massiv entwickelt, mithilfe von seismisch erstellten dreidimensionalen Bildern aus der Tiefe lassen sich auch die Risiken einer Bohrung im Vorfeld besser abschätzen. Matthias Tönnis kennt die Materie. Er war früher mal Projektleiter bei der Daldrup & Söhne AG, einem führenden Bohrunternehmen, und kümmert sich jetzt bei der Munich Re um die Risikoabschätzung solcher Bohrungen. Nach seiner Aussage gab es gerade in den Anfangsjahren „nicht unbedingt beste Erfahrungen“. Immerhin 13 Prozent der Bohrungen seien nicht erfolgreich gewesen. Aus Sicht eines Versicherers sei das bei Risiken eigentlich untragbar. Und in Wirklichkeit sei es ja „noch schlimmer“ gewesen, weil manche Bohrung erst im zweiten Anlauf geglückt sei.
Dennoch wagt die Munich Re laut Tönnis den Einstieg in das Programm. „Wir sind der einzige Versicherer, der im Markt verblieben ist.“ Vertretbar sei das vor allem deshalb, weil sich die Risikoabschätzung deutlich verbessert habe. Darüber hinaus setzt er darauf, dass sich mit der steigenden Zahl der Projekte Skalierungseffekte ergeben und sich auf diese Weise über entsprechend viele erfolgreich umgesetzte Goethermie-Kraftwerke Verluste bei gescheiterten Bohrungen „quersubventionieren“ lassen. Außerdem ist das Versicherungsprodukt so zugeschnitten, dass das Risiko begrenzt werden kann. Es würden zunächst die konkreten Bohrkosten versichert, und es werde eine gewisse „thermische Leistung“ versichert, weil man manchmal ja auf heißes Wasser stoße, aber vielleicht nicht mit der erhofften Temperatur oder Menge. Auch an „mögliche Stimulationsmaßnahmen“ sei gedacht, um nach einer Enttäuschung nacharbeiten zu können. Bei entsprechendem „Selbstbehalt“ der Kommunen, sagt Tönnis, könne die Versicherungsprämie sehr deutlich gedrückt werden.
Pullach will zwei neue Claims erschließen
Als einer der ersten würde von dem neuen Angebot gerne die kommunale Innovative Energie für Pullach GmbH (IEP) profitieren. Die Pullacher Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) kündigte an, dass auf zwei Claims in den nächsten Jahren zusätzlich zu den drei bestehenden weitere neun Bohrungen vorgesehen seien. IEP-Geschäftsführer Helmut Mangold will damit in den nächsten zwei Jahren bis zu 170 Megawatt Leistung erschließen.
Mangold wirbt für Investitionen in Geothermieprojekte. Diese lohnten sich auf jeden Fall, sagt er, bei einer Eigenkapitalquote von 30 Prozent – eventuell über Bürgerbeteiligung – und 70 Prozent Fremdkapital. Effektiver sei es, dabei groß zu denken und gleich mehrere Bohrungen in Reihe anzugehen. Mangold rät zu Partnerschaften, um effizient zu arbeiten und auch ein Redundanz-Kraftwerk zu schaffen, das einspringt, sollte die Primäranlage ausfallen.