Geothermie im Landkreis:Ganz leichtes Nachbeben

Geothermie-Anlage "Geovol" in Unterföhring, 2012

Seit 2008 wird in Unterföhring in die Tiefe gebohrt - die Mediengemeinde gilt als Vorreiterin bei der Geothermie im Landkreis.

(Foto: Florian Peljak)

Aufmerksam haben die Betreiber von Geothermie-Anlagen im Landkreis die Erschütterungen der Erde in Poing registriert. Die Energiegewinnung mit Erdwärme an sich stellt aber keiner infrage - die Auflagen sind hoch.

Von Sabine Wejsada, Unterföhring/Unterhaching

Das Beben von Poing treibt nicht nur die Bevölkerung in der Gemeinde im Landkreis Ebersberg um, auch die Betreiber von Erdwärme-Anlagen im Landkreis München haben die Nachrichten mit Interesse verfolgt. Es ist vor allem die Einschätzung von Seismologen beim Erdbebendienst Bayern, wonach es im an sich tektonisch stabilen Münchner Umland prinzipiell nur eine mögliche Erklärung für das Beben geben könnte, nämlich die Geothermie, die die Verantwortlichen in den Anlagen von Unterföhring bis Unterhaching hat hellhörig werden lassen.

"Wir sind selber am Rätseln, was da in Poing passiert ist", sagt etwa Peter Lohr, Geschäftsführer des kommunalen Geothermie-Unternehmens Geovol in Unterföhring. Dass ein Abpumpen des heißen Wassers aus der Tiefe der Erde und das nachfolgende Einbringen zurück in die Erde über eine Re-Injektionsbohrung ursächlich für das Beben sein sollen, kann sich Lohr so recht nicht vorstellen. So liefen zum Beispiel die Erdwärme-Projekte in Unterschleißheim und München-Riem seit Jahren ohne jedes Problem, sagt Lohr. Und auch die Unterföhringer Geothermie mit ihren vier Bohrungen sei bislang vollkommen reibungslos gelaufen.

"Die größten Erschütterungen hat es bei den seismischen Untersuchungen durch die Vibro-Trucks gegeben", berichtet Lohr. Diese riesigen Fahrzeuge kommen immer dann zum Einsatz, wenn Thermalwasser gesucht wird. Sie rütteln über das Gelände und erzeugen Schallwellen auf der Erdoberfläche, mit deren Hilfe auch Öl und Gas aufgespürt werden können. Bohrbeginn für das Unterföhringer Projekt war im November 2008, keine zwei Jahre später folgte die Einweihung der Energiezentrale, 2013 wurde mit der zweiten Dublette begonnen, ehe 2016 die zweite Energiezentrale in Betrieb genommen werden konnte.

Messstation zur seismischen Erfassung ist Pflicht

Alle zwei Jahre müssen Geothermie-Betreiber beim Bergamt Südbayern einen Antrag stellen, um die Anlage weiter am Netz lassen zu können, wie Lohr sagt. Seit neuestem gibt es die Auflage, eine Messstation zur seismischen Erfassung anzubringen, um das Okay der Behörde zu bekommen. Dabei handelt es sich laut Lohr um einen Kasten in der Größe eines Schuhkartons, "der im Keller eines ruhigen öffentlichen Gebäudes" installiert werden muss, um etwaige Bewegungen im Inneren der Erde aufzuzeichnen. In Unterföhring läuft dafür gerade die Ausschreibung. Noch vor Weihnachten soll das Kästchen an einem mit dem Erdbebendienst abgestimmten Standort aufgestellt werden.

Darüber macht man sich aktuell auch beim Interkommunalen Geothermie-Projekt AFK, das die Gemeinden Aschheim, Feldkirchen und Kirchheim versorgt, Gedanken. Wie AFK-Geschäftsführer Manfred Durner sagt, "verfallen wir wegen Poing nicht in Unruhe", allerdings verfolgen die Verantwortlichen ganz genau die Untersuchungen der möglichen Ursache. Hinge das Beben womöglich mit der Geothermie zusammen, so Durner, "dann wäre das ein herber Schlag", eine emissionsarme Energiequelle wäre in Frage gestellt.

Nach Angaben von Fachleuten ist es durchaus möglich - und in der Vergangenheit bereits häufiger vorgekommen - dass sich durch das abgekühlte Wasser Spannungen im Inneren der Erdschichten entladen. In Poing und den Geothermie-Kommunen im Landkreis München hat man in den vergangenen Tagen gespannt auf die Ergebnisse einer Untersuchung des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik in Hannover gewartet, das im Auftrag des Bergamts Südbayern als der entscheidenden Genehmigungsbehörde von Geothermieanlagen die Erdbebenereignisse von 2016 untersucht. Ursprünglich hätten diese bereits im Juli dieses Jahres vorliegen sollen, die Veröffentlichung war allerdings verschoben worden. Nun sollen die detaillierten Ergebnisse voraussichtlich im Oktober vorgelegt werden.

In Unterhaching hat es bereits dreimal Erdstöße gegeben

Beim Geothermie-Kongress 2017 in München in der vergangenen Woche hat eine Expertin von besagtem Leibniz-Institut bereits Entwarnung gegeben: Von den Erdbeben in Poing geht nach ihrer Überzeugung keine Gefahr aus. Die gemessenen Bodenschwinggeschwindigkeiten seien nicht stärker gewesen, als wenn beispielsweise ein schwerer Lastwagen in der Nähe über eine Schwelle rattert, erläuterte Inga Moeck, Leiterin der Sektion Geothermik des Instituts. Sie erstellt das für Oktober erwartete Gutachten zu möglichen Zusammenhängen zwischen der Geothermie und den Erdbeben in Poing, deutete beim Kongress aber bereits an, dass Zusammenhänge weder belegt noch widerlegt werden können.

Das wird Wolfgang Geisinger, Geschäftsführer der Geothermie in Unterhaching, gerne hören: In Unterhaching jedenfalls habe man das Beben zur Kenntnis genommen, "aber wir werden gar nichts ändern", sagt er. Auch wenn es auch dort in der Vergangenheit schon dreimal Erdstöße gegeben habe. Erwin Knapek, Vater der Geothermie in Unterhaching und aktuell in seinem Amt als Präsident des Bundesverbandes Geothermie bestätigt, teilt diese Meinung. Das Mikro-Beben von Poing habe keinerlei Konsequenzen für die Geothermie in und um München, sagt er. Und berge ebenso wenig Risiken für Menschen und Gebäude. Nach den Worten von Knapek sind Schwinggeschwindigkeiten von fünf Millimeter pro Sekunde in der Nähe von Wohngebäuden erlaubt, und drei Millimeter pro Sekunde nahe denkmalgeschützten Gebäuden. In Poing habe man maximale Schwinggeschwindigkeiten von 1,6 Millimeter pro Sekunde gemessen.

Dass Geothermie-Betreiber verpflichtet sind, seismologische Ereignisse im Umfeld ihrer Anlagen aufzuzeichnen, hält Knapek für ausgezeichnet. Die Daten seien enorm wichtig für die Wissenschaft. Und ermöglichen ganz nebenbei einen Blick in das Innere der Erde.

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