Generationenverhältnis:Eine Einheit

Generationenverhältnis: Tobias Meindl ist Vorsitzender der Wasserwacht in Unterföhring.

Tobias Meindl ist Vorsitzender der Wasserwacht in Unterföhring.

(Foto: Robert Haas)

Der Jugendbeirats­vorsitzende Tobias Meindl und Wolfgang Schwaiger, Sprecher der Senioren, über Gemeinsamkeiten und das Leben in Unterföhring

Interview von Sabine Wejsada, Unterföhring

In Unterföhring gibt es einen Jugend- und einen Seniorenbeirat. Die beiden gewählten Gremien vertreten jeweils ihre Generation - und setzen sich für ihre Belange ein, in der Hoffnung, dass sie bei Rathaus und Kommunalpolitikern Gehör finden. Im Interview sprechen die Vorsitzenden Tobias Meindl, 21, und Wolfgang Schwaiger, 65, über ihre Arbeit, darüber wie es sich in Unterföhring lebt und über das Verhältnis von Jungen und Älteren.

SZ: Herr Meindl, Herr Schwaiger, lassen Sie uns über das Lebensgefühl in Unterföhring reden ... Wie ist es, in der Gemeinde daheim zu sein?

Meindl: Ich finde, in Unterföhring, lässt es sich gut leben. Es wird dafür gesorgt, dass es für jeden etwas gibt. Vor allem mit den Naherholungsgebieten ums Eck, Englischer Garten, Isar, Poschinger Weiher oder Feringasee hat man genug Auslauf, kann man seine Freizeit gut nutzen.

Schwaiger: Ich bin zufrieden hier. Erstens hat Unterföhring trotz aller Veränderung in den vergangenen Jahren immer noch einen dörflichen Charakter. Wenn man zu den vielen Festen und Feiern geht, trifft man Leute, kann ratschen und sich austauschen. Für mich ist zweitens die Nähe zur Großstadt wichtig, allein schon wegen des zunehmenden Alters. Wenn man Ärzte braucht, hat man in München die Auswahl. Das Freizeitangebot in Unterföhring ist riesig, und das obwohl die Gemeinde von der Fläche her klein ist, aber man kann sehr viel unternehmen.

Sie sagen, Unterföhring ist schön, hier lässt es sich gut leben. Ist das auch ein Grund dafür, dass Sie beide sich engagieren in den Beiräten?

Meindl: Ja, das ist bestimmt auch ein Grund. Junge Erwachsene beschäftigt vor allem ein Thema: der Mangel an Wohnungen. Ich persönlich will nicht nach München ziehen, das ist mir zu voll, zu eng. Doch eine Bleibe in Unterföhring zu finden, ist schwierig.

Schwaiger: Es sind viele Bereiche, die mich veranlassen, mich zu betätigen. Früher waren es die Kinder, später dann die Senioren, auch im Hinblick auf meine eigenen Eltern. Wenn diese krank werden, muss man sich mit dem Thema auseinandersetzen, braucht Beratung und Hilfsangebote. Und jetzt möchte ich gerne meine eigenen Erfahrungen mit anderen teilen.

Was ist Ihrer Meinung nach für die jeweilige Generation, die sie vertreten, in Unterföhring besonders gelungen?

Meindl: Schaut man zum Feringasee, dann findet man Tischtennisplatten, kann Volleyball spielen. Ist man nachts in München unterwegs, kann man um kurz vor zwei mit der letzten S-Bahn vom Marienplatz nach Unterföhring fahren; die erste geht dann um 3:38 Uhr, am Wochenende sogar im Stundentakt durchgehend ohne Pause.

Schwaiger: Für mich hat Unterföhring ein Alleinstellungsmerkmal, was aktive Senioren angeht. Vom Feringahaus wird unheimlich viel organisiert: Wanderungen, Besichtigungen, Aktivitäten je nach körperlichem Zustand der Senioren. Da findet jeder etwas.

Meindl: Da möchte ich gern mit dem Fezi anknüpfen. In Unterföhring gibt es eines der aktivsten Jugendhäuser im ganzen Landkreis. Das Fezi organisiert Riesenzeltlager, an denen mehr als 100 Leute teilnehmen; es gibt Ferienfreizeiten zu fast allen Jahreszeiten. Und auch unter der Woche gibt es an die zehn Angebote. Ich glaube, da ist für viele etwas dabei, und zwar nicht nur für die Jugend, sondern auch für Kinder mit der Farm.

Herr Meindl, Unterföhring ist für seine Kinder- und Familienfreundlichkeit bekannt, auch um Senioren kümmert sich die Gemeinde besonders. Was ist mit den jungen Leuten, müssen die sich als Stiefkinder fühlen?

Meindl: Ich will nicht ganz hart draufdreschen. Aber Defizite sind schon da. Für Jugend nach dem Fezi-Alter ist nicht mehr viel geboten. Ja, seit ein paar Jahren gibt es einen Burschenverein, jüngst hat sich auch ein Deandlverein gegründet. Aber die zwei Vereine holen nur einen Bruchteil der jungen Leute ab. Schöne wäre zum Beispiel, wenn es hier im Ort eine Bar gäbe, so wie in Ismaning etwa. Wer so etwas sucht, muss entweder dorthin oder nach München.

Könnte so etwas vielleicht mit dem neuen Gocklwirt entstehen, wo ein neues Lokal einziehen soll?

Meindl: Na ja, das wird wohl nichts für junge Menschen, es soll ja eher etwas traditionell Bayerisches werden. Klar, da kann man schon einmal reingehen, um ein Bier zu trinken, aber es wird bestimmt nicht die hippe Bar wie in München.

Fehlt den Senioren auch etwas?

Schwaiger: Das ist ein weites Feld. Senior zu sein, bedeutet schon lange nicht mehr, dass man ab dem Rentenalter im Schaukelstuhl sitzt. Schauen Sie sich unsere aktiven Senioren in Unterföhring an, die sind fit bis Achtzig und darüber hinaus. Aber es gibt auch noch andere Fragen, wenn Menschen krank und pflegebedürftig sind. Darüber, was es braucht, sind wir zurzeit im Gespräch bei einem Workshop mit Gemeinderäten, Rathaus und Seniorenbeirat.

Herr Meindl, Sie sagen, es fehlt an Wohnungen für junge Leute?

Meindl: Es muss ja nicht immer eine Wohnung sein; für viele tut's auch eine WG, wenn man studiert. Wir haben überhaupt nichts Gemeindegestütztes in der Art, auch auf privater Ebene gibt es nichts. Ja, Unterföhring hat viel Wohnraum, der ausgeschrieben ist ab 60 Jahren oder wenn jemand eine Schwerbehinderung hat. Auf die Gemeindewohnungen können sich junge Leute bewerben, aber sie treten in Konkurrenz mit Familien und Senioren. Da ist es Utopie, als Junger reinzukommen.

Schwaiger: Das stimmt nur teilweise. Beim Studentenwohnheim an der Apianstraße soll ein Stelzenhaus entstehen, da hat sich die Gemeinde für einen Teil das Belegungsrecht gesichert - für Studenten, Auszubildende, junge Leute.

Meindl: Aber das ist doch nicht Unterföhring, da komm ich zu Fuß nicht in den Ort. Die Senioren sind im Zentrum, gegenüber der Feuerwehr und im St.-Valentin-Hof. Und die Unterföhringer Jugend wird verschachert an ein Studentenwohnheim am Ende der Welt, im Endeffekt ist das ja schon in Johanneskirchen, dort sind die nächste S-Bahnstation und eine Bushaltestelle. Das ist nicht Unterföhring und das ist erst recht nicht das, was man der Jugend, die von daheim raus will und im Ort bleiben möchte, bieten sollte und will.

Schwaiger: Klar, das Grundstück ist abgelegen, aber es war eine günstige Gelegenheit für die Gemeinde, an Wohnungen ranzukommen. Doch es gibt Projekte wie den Wehnerhof an der Münchner Straße, wo für junge Leute, Familien und Senioren gebaut wird. Man muss auch bedenken, dass Senioren bei einem Umzug oft eine größere Gemeindewohnung frei machen. Doch die geht dann in der Regel an eine Familie.

Wäre es da nicht für die Gemeinde eine Option zu sagen: Wir halten eine große Wohnung als WG vor?

Schwaiger: Es gibt bereits WGs in Unterföhring, allerdings für Pflegekräfte und Erzieher. Über so einen Wunsch, dass so etwas für junge Erwachsene geschaffen werden könnte, sollte man diskutieren, und vorher den Bedarf nachweisen. Aber das ist der Job des Jugendbeirats. Und dann muss man abwarten, wie die Verantwortlichen reagieren. Aber das ist das normale Spiel - und wenn Du zum Schluss zwei WGs für junge Leute erreichst, dann wäre das doch gut.

Sie beide sind Vorsitzende von Beiräten, die beratende Funktion haben. Wie groß ist Ihr Einfluss auf die Entscheider im Gemeinderat?

Meindl: Dabei kommt es ganz aufs Thema an. Es ist enorm abhängig davon, ob die Parteien so etwas schon in ihrem Programm stehen haben und dann sagen können, die Jungen wollen das auch. Dann sind die Chancen gut. Wenn das Thema nicht passt, dann wird es eher nichts. Und es ist wichtig, ob man schon jemanden gewonnen hat für eine Sache.

Schwaiger: Das Wichtigste ist, das Gespräch zu suchen mit allen, da kann es keine politische Gruppierung geben, die man nicht versucht zu überzeugen. Man braucht Mehrheiten für eine Idee. Manchmal klappt es, dann wieder nicht. Es ist schon so, dass es davon abhängt, ob eine Partei das Thema programmatisch besetzt hat. Wenn's lästig ist, dann kann es länger dauern, bis es kommt.

Die Beiräte brauchen also einen langen Atem...

Meindl: Nicht nur das. Beim Beschluss, einen zweiten Rettungsweg für den Boulderraum in der Scheune auf der Kinder- und Jugendfarm bauen zu wollen, hat letzten Endes aber etwas anderes den Ausschlag gegeben. Ich habe mir vom Fezi Material geben lassen mit den Zahlen der Nutzer, die regelmäßig zum Klettern kommen, und damit dann unseren Jugendbeirat versorgt, der ja dann schließlich eine eindeutige Entscheidung getroffen hat. Diese Zahlen wurden dann auch an den Gemeinderat gegeben. Ich denke, das hat geholfen.

Schwaiger: Ich bin gespannt, ob das Landratsamt das im Hinblick auf den Brandschutz genehmigt, weil dort oben ja Heu lagert. Eventuell geht die Geschichte wieder zurück in den Gemeinderat, um eine andere Lösung zu suchen. Im Hinblick auf die Kommunalwahl wird da wohl keiner Nein sagen und den Boulderraum aufgeben.

Ist das Beibringen von Zahlen ein mühsames Geschäft für die Beiräte, ohne das aber nichts geht, wenn man den Gemeinderat auf seiner Seite haben will?

Schwaiger: Auf jeden Fall. Wir vom Seniorenbeirat sind bei Seminaren, schauen uns die Altenarbeit und -einrichtungen in anderen Gemeinden an, reden mit den Verantwortlichen dort. Ohne Unterlagen und einem Nachweis des Bedarfs geht gar nichts.

Müssen Sie als Beiräte ihren Themen hinterherlaufen oder kommt die Gemeinde auf sie zu und bittet um Expertisen?

Schwaiger: Das ist ganz unterschiedlich. Wir sind neue Organe der Gemeinde. Beide Seiten müssen lernen, damit umzugehen. Dieser Prozess dauert. Mittlerweile ist es für den Seniorenbeirat so, dass es das eine oder andere Thema gibt, worüber wir informiert werden. Das war am Anfang nicht so, da mussten wir jedem Thema nachlaufen.

Meindl: Uns gibt es noch nicht so lang, das mag wohl eine Rolle spielen. Bisher ist die Gemeinde nicht auf uns zugekommen. So haben wir im Hinblick auf die Sanierung des Fezis zweimal angefragt, ob wir mitreden dürfen, erst dann kam die Einladung. Das muss sich wohl alles erst einlaufen, dass es uns gibt. Und wir müssen schauen, dass wir an den Themen dranbleiben, die für uns wichtig sind.

Auf der großen Politik-Bühne ist gerade zu beobachten, dass die Jungen aufbegehren und den Älteren nicht mehr allein das Feld überlassen wollen, gerade beim Klimaschutz. Steuern wir auf einen neuen Generationenkonflikt zu?

Schwaiger: Ich hoffe, dass der immer da war. Die Jungen müssen aufbegehren. Das war zu meiner Zeit schon so. Man muss neue Wege aufzeigen, in andere Richtungen denken, aber man darf sich nicht auseinanderdividieren lassen. Im Endeffekt sind wir von der Sozialstruktur her eine Einheit, der eine soll nicht gegen den anderen ausgespielt werden.

Meindl: Beim Klimathema ist in den vergangenen Jahren zu viel geschludert und nichts getan worden. Da sitzen vorne in den Entscheidungsgremien Leute, die betrifft es nicht und die interessiert es auch nicht. Ich glaube, es hat etwas bewirkt, dass man den Klimaschutz auf die Straße bringt. Die jungen Leute sind politischer geworden. Man darf nicht Jung gegen Alt ausspielen, aber es braucht Bruchkanten, um etwas zu ändern

Schwaiger: Die Jungen haben die Zukunft vor sich, sie müssen anderen auf die Zehen treten. Letzten Endes funktioniert eine tief greifende Veränderung nur über einen Schulterschluss. Und erforderlich ist das Zuhören mit Respekt, Ideen aufnehmen, gemeinsam Wege finden.

Meindl: Wo ein Schulterschluss möglich ist, muss man ihn suchen. Ich glaube aber, wenn ein Thema alle Altersklassen betreffen würde und alle dafür auf die Straße gingen, würde die Politik ganz schnell hüpfen. Die Älteren sollen daran denken, was in 50 Jahren ist, wenn nicht für ihre Kinder, dann für ihre Enkel.

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