Gemeindefinanzen:Die Ersparnisse schmelzen dahin

Gemeindefinanzen: Die CSU möchte bei der Volkshochschule sparen. Fraktionschef Dietrich Keymer bemängelt, dass diese im Unterschied zur Musikschule mit ihren Zuschüssen nicht auskommt.

Die CSU möchte bei der Volkshochschule sparen. Fraktionschef Dietrich Keymer bemängelt, dass diese im Unterschied zur Musikschule mit ihren Zuschüssen nicht auskommt.

(Foto: Claus Schunk)

Haar muss 2023 ein Loch von 31 Millionen Euro stopfen, weil nach Rekordeinnahmen die Steuern wegbrechen. Die Aussichten für die kommenden Jahre sind düster.

Von Bernhard Lohr, Haar

Die Gemeinde Haar steht finanziell am Scheideweg. Sie ist aktuell so reich wie nie und blickt doch in den Abgrund. Der Gemeinderat hat am Dienstag gegen die Stimmen der Grünen einen Haushalt mit einem Volumen von 116 Millionen Euro verabschiedet. 31 Millionen Euro der geplanten Ausgaben müssen aus den Rücklagen gedeckt werden, weil nach dem Wegzug des Pharmakonzerns MSD nur noch elf Millionen Euro an Gewerbesteuer erwartet werden. Die dank Nachzahlungen von MSD in den vergangenen beiden Jahren auf einen Rekord von 77,7 Millionen Euro angeschwollenen Ersparnisse schrumpfen laut Plan bis 2026 auf drei Millionen Euro. CSU-Fraktionschef Dietrich Keymer warnte angesichts dessen, eine Kommune mit 24 000 Einwohnern stehe bei einer Gewerbesteuer auf derart niedrigem Niveau vor strukturell großen Problemen.

Dabei hat Haar viel vor, etwa beim Bau weiterführender Schulen, bei der Verkehrswende und auch beim Klimaschutz. Die Grünen wollten per Antrag in der Haushaltssitzung kurzfristig erreichen, dass mit Umschichtungen im Etat 2023 zugunsten eines Wohnhauses an der Freibadstraße ein Einstieg in den seit Jahren vorliegenden Sanierungsfahrplan für kommunale Gebäude gelingt. Ihr Sprecher Mike Seckinger beklagte, die Gemeinde begnüge sich mit "Trippelschritten" beim Klimaschutz. Der Antrag fiel gegen die Stimmen der CSU und Teilen der SPD durch. Die Grünen lehnten daraufhin den Etat in seiner Gänze ab.

Die CSU will die "dramatisch hohen" Zuschüsse an die VHS kürzen

Die Meinungen gingen weit auseinander, wie mit der sich abzeichnenden Krise umzugehen ist. Die Grünen bezeichneten es als wenig vernünftig, Zukunftsinvestitionen in Klima und sozialen Zusammenhalt zu kappen. Die CSU hielt entgegen, dass bei Grünen und SPD die Dramatik der Lage noch nicht angekommen sei. Die CSU forderte ihrerseits per Antrag zu beschließen, dass die Volkshochschule eine 2023 ohnehin freiwerdende Stelle der Fachbereichsleitung für Gesundheit nicht nachbesetzt. Keymer beklagte Zuschüsse an die VHS "auf dramatisch hohem Niveau", die von 418 000 Euro im Jahr 2019 auf mittlerweile an die 700 000 Euro gestiegen seien. Ein "Signal" sei gefordert. SPD, Grüne und FDP lehnten das ab. Peter Siemsen (FDP) bezeichnete es als fragwürdig, ausgerechnet im florierenden Gesundheitsbereich den Chef einzusparen. Nun wird ein Gutachten zu den Abläufen in der VHS abgewartet.

Die 31 Millionen Euro für den Ausgleich des Haushalts muss die Gemeinde aus dem Sparstrumpf holen, weil 2023 besonders viel Geld an den Landkreis zu überweisen ist und weil viele Projekte laufen. Der Gasthof zur Post wird saniert, beim Bürgerhaus steht Gleiches an. Ein Anteil an der Erweiterung des Ernst-Mach-Gymnasiums ist zu tragen und bei dem als Modellprojekt für eine Kreislaufwirtschaft konzipierten Neubau des Jugendtreffs Dino will man wenigstens weiterplanen. Der Gemeindeanteil für den schnellen Radweg vom Landkreis Ebersberg nach München muss außerdem bezahlt werden. Und: Der Sportpark an der Vockestraße wird aufgewertet. Ein Kunstrasen-Kleinspielfeld ist geplant, ein Basketball- und Soccerfeld, dazu eine Kletterwand und eine Calisthenics-Anlage. Ein Teil des Areals soll frei zugänglich werden. Kosten für die Gemeinde: knapp eine Million Euro.

Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) kündigte an, sämtliche potenzielle Gewerbeflächen in Haar erneut abzuklopfen, um Unternehmen anzusiedeln und neue Gewerbesteuereinnahmen zu generieren. Am Rande kam in der Sitzung zur Sprache, dass Haar nächstes Jahr Großes anpacken könnte: Es gibt Gespräche über eine Freiflächen-Photovoltaikanlage. Bukowski verhandelt mit Grundstückseigentümern westlich des Sportparks in Eglfing, um dort statt in Gronsdorf den seit Langem anvisierten Schulcampus mit Fachoberschule und auch einer Realschule zu ermöglichen, deren Bau von der Kommune mitzufinanzieren wäre. SPD-Fraktionschef Thomas Fäth beklagte in dem Zusammenhang eine mangelhafte Kommunikation des Bürgermeisters, der in einer Senioren-Informationsveranstaltung von seinen Campus-Plänen erzählt hatte. Im Gemeinderat, so sagte Fäth, habe dazu noch keine Meinungsbildung stattgefunden.

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