Süddeutsche Zeitung

Ukraine-Geflüchtete:Warten auf das Geld aus dem Entlastungspaket

Noch immer sind keine Bundesmittel bei den Kommunen angekommen. Die Grünen sehen den Grund in der "Verschleppungstaktik" der bayerischen Staatsregierung.

Von Iris Hilberth, Landkreis München

Geflüchtete aus der Ukraine erhalten in der Regel Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II). Das ist mehr als nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, es werden Kosten für die Unterbringung übernommen und die Betroffenen werden in die gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen. Weil das Kommunen finanziell zusätzlich belastet, hat der Bund Mittel aus den Umsatzsteuereinnahmen zur Verfügung gestellt.

Der Freistaat Bayern hat nach eigenen Angaben bereits 79 Millionen Euro abgerufen, bei den Kommunen ist aber noch kein Cent davon angekommen. Denn die Staatsregierung hatte im Dezember erst einmal eine "Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze" auf den Weg gebracht. Die beiden Grünen-Landtagsabgeordneten aus dem Landkreis München, Claudia Köhler und Markus Büchler, empört diese Vorgehensweise. Sie werfen der Staatsregierung vor, die Mittel absichtlich zurückzuhalten, um die Bundesregierung schlecht aussehen zu lassen.

"Andere Bundesländer schaffen die Weiterleitung der Mittel auch ohne zusätzliches Gesetz. Aber Bürokratie als CSU-Verschleppungstaktik, das kennen wir ja aus der bayerischen Integrationspolitik. Unternehmen und Helferkreise können ein Lied davon singen", kritisiert Büchler die Staatsregierung. Nach Angaben der Grünen hat der Landkreis München aktuell 1500 Personen aus der Ukraine unterzubringen, die privat wohnenden Geflüchteten seien dabei nicht eingerechnet.

Tatsächlich wartet auch der Landkreis München noch auf das Geld. "Das Gesetz ist noch nicht verabschiedet. Daher kann aus diesem zusätzlichen Entlastungspaket auch noch nichts im Landkreis angekommen sein", teilt das Landratsamt mit. Bisher erstatte der Bund 67,4 Prozent der Unterkunftskosten. Wie viel Geld zusätzlich auf den Landkreis München entfällt, könne man noch nicht sagen. "Wir gehen davon aus, dass sich die Verteilung an den Leistungsausgaben der Landkreise und kreisfreien Städte für Kosten der Unterkunft und Heizung für die Geflüchteten aus der Ukraine orientieren wird", so Sprecherin Christine Spiegel.

In der Antwort auf eine Anfrage Köhlers im Plenum des Landtags, was denn mit dem Geld sei, betonte Innenminister Joachim Herrmann (CSU), dass "der Freistaat Bayern mit Blick auf die Geflüchteten aus der Ukraine im Jahr 2022 in Vorleistung für den Bund" gegangen sei. Auch unterstütze der Freistaat die Kommunen massiv durch die Duldung von "Fehlbelegern" in staatlich finanzierten Flüchtlingsunterkünften, insbesondere bei Ukraine-Flüchtlingen. Das aber betrifft die Zeit, bevor die Kriegsgeflüchteten aus der Ukraine ins SGB II gewechselt sind. Fortan sind zwei Drittel der Kosten durch den Bund abgedeckt, ein Drittel aber soll durch jene zusätzlich zugesagten Bundesmittel aus der Umsatzsteuer fließen. Herrmann betont in einem Brief an Köhlers Münchner Landtagskollegin Gülseren Demirel, dass Bayern diese 79 Millionen Euro "vollumfänglich an die Kommunen" weiterleiten werde.

Aber das dauert. Weil eine "landesrechtliche Regelung zur Weiterleitung" fehle, wie es in dem Gesetzentwurf aus dem Dezember heißt. Herrmann schreibt an die Grünen-Abgeordnete Demirel: "Eine Umsetzung ist, wie im Gesetz ausgeführt, erst möglich, wenn die zur Festlegung eines Verteilungsmaßstabs erforderlichen kreisscharfen Daten zu den finanziellen Lasten vorliegen." Eine entsprechende Sonderauswertung der Bundesagentur für Arbeit werde erst Ende April zur Verfügung stehen. Claudia Köhler kann darüber nur den Kopf schütteln: "Wir halten die Argumentation mit der fehlenden gesetzlichen Grundlage im Zusammenhang mit dem Sozialgesetzbuch für absurd."

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