Gedenken:Die Namen der Namenlosen

Gedenken: Am Volkstrauertag im November wurde der neu gestaltete Friedensplatz in Unterhaching eingeweiht. Jetzt fehlen noch die Gedenktafeln.

Am Volkstrauertag im November wurde der neu gestaltete Friedensplatz in Unterhaching eingeweiht. Jetzt fehlen noch die Gedenktafeln.

(Foto: Claus Schunk)

Die Gemeinde Unterhaching will an die Opfer des NS-Regimes und die Opfer des Weltkrieges mit Stelen erinnern. Doch das ist nicht so einfach wie gedacht.

Von Iris Hilberth, Unterhaching

Der Friedensplatz in Unterhaching ist längst umgestaltet, eingeweiht wurde er auch bereits. Was jetzt noch fehlt, sind die geplanten Gedenktafeln, die an die Gefallenen der beiden Weltkriege, an Vermisste, an Bombenopfer und an Opfer des NS-Terrorregimes erinnern sollen. Die Gestaltung erweist sich als schwieriger als erwartet.

In mühevoller Recherchearbeit haben der Zweite Bürgermeister Alfons Hofstetter (parteifrei) und Heimatpfleger Günter Staudter 225 Namen zusammengetragen. Doch wie diese auf den insgesamt vier Tafeln aufgeteilt werden und ob die bisher erfolgten Nachforschungen ausreichend waren, darüber herrscht im Gemeinderat Uneinigkeit.

Insbesondere Korbinian Rausch (CSU) mahnt zur präzisen Wortwahl und strikter Trennung zwischen Gefallenen und Opfern des Nationalsozialismus. Der stellvertretende Fraktionssprecher ist selbst am Institut für Zeitgeschichte (IFZ) im Zentrum für Holocaust-Studien tätig und mit der Thematik vertraut. Er sagt: "Um den wirklichen Opfern gerecht zu werden, müssen wir die Namen physisch trennen und ordentlich recherchieren."

Staudter und Hofstetter hatten sowohl das Heimatbuch der Gemeinde von Heimatforscher Rudolf Felzmann durchgesehen als auch die Namen der schwarzen Tafeln an der Kirchhofmauer beziehungsweise die Inschrift im ehemalige Ossarium von St. Korbinian berücksichtig sowie das Gemeindearchiv ausgewertet. Unter den Opfern des NS-Regimes steht bislang nur der Name des Unterhachinger Juden Emil Schürmann, ein Kunsthistoriker, der 1941 von den Nazis im Konzentrationslager Kaunas in Litauen ermordet wurde.

Staudter glaubt nicht, dass durch weitere Studien mehr Namen hinzukommen würden. Schließlich seien die Adressbücher und Sterbebücher durchgeschaut worden. Rausch ist da anderer Ansicht. "Laut Statistik müssten es 20 bis 30 Personen sein", sagt er, Die seien aber nicht unbedingt in der Gemeinde zu finden, sondern vielleicht im Bundesarchiv.

"Wir wissen nicht, wie viele Geistliche und wie viele Politiker damals verschwunden sind."

Die Nazis seien sehr gründlich gewesen, Leute aus den Melderegistern zu tilgen und von der Bildfläche verschwinden zu lassen, "so trivial ist das nicht." In den Fünfzigerjahren sei zudem viel unter den Teppich gekehrt worden. Auch Hofstetter räumte ein: "Wir wissen nicht, wie viele Geistliche und wie viele Politiker damals verschwunden sind." Harald Nottmeyer (SPD), der sich als Denkmalbeauftragter vor zehn Jahren mit dem Thema beschäftigt hatte, schätzt, dass ein, zwei Namen noch dazukommen könnten.

Rausch schlägt vor, die Recherche einem Profi-Historiker zu übertragen. 20 000 Euro würde das seiner Einschätzung nach kosten, "aber Unterhaching sollte die einmalige Chance nutzen, um seiner historischen Verantwortung gerecht zu werden und das Thema mit der gebotenen Ernsthaftigkeit aufzuarbeiten." Nur so könne verhindert werden, dass Unterhaching sich blamiere. Er erinnert an Straßen, deren Namen geändert werden mussten, weil sie nach Tätern benannt worden waren, "Ich mahne zu großer Sensibilität, das hat mir die Leitung des IFZ absolut ans Herz gelegt", sagte Rausch.

Die Grünen schlugen daraufhin vor, die Aufstellung der Tafeln noch einmal zurückzustellen. Doch damit war die Mehrheit im Gemeinderat nicht einverstanden. "Wir müssen auch mal weiterkommen, können den Vorschlag aber im Auge behalten", meinte CSU-Fraktionschef Richard Raiser. Hofstetter verwies darauf, dass die Tafeln so gestaltet seien, dass ein Nachtragen von Namen möglich sei, "wir können eine Tafel frei lassen."

Beschlossen wurde nun erst einmal die Aufstellung der Tafeln mit den bekannten Namen. Die Liste ist auf der Webseite der Gemeinde unter der Rubrik "Aktuelles" einsehbar. Bis zum 31. Januar nimmt Staudter (Telefon 089/6111503) Ergänzungen entgegen. Die Liste kann auch zu den Öffnungszeiten am Empfang des Unterhachinger Rathauses abgeholt werden. Über eine mögliche weitere Recherche soll noch beraten werden.

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