Süddeutsche Zeitung

Gedenken:Bundeswehr will in Hochbrück an Weiße Rose erinnern

Der Sanitätsdienst soll künftig den Namen von Christoph Probst tragen. Es wäre das erste Mal, dass eine Kaserne nach einem Mitglied der Widerstandsgruppe benannt wird

Von Patrik Stäbler, Garching

"Ich gehe Euch jetzt einen Sprung voraus, um Euch einen herrlichen Empfang zu bereiten." Diesen Satz hat Christoph Probst am 22. Februar 1943 in einem Brief an seine Mutter geschrieben - dem letzten Brief seines Lebens. Kurz darauf wurde der 23-Jährige zusammen mit Sophie und Hans Scholl von den Nazis hingerichtet, da sie alle der Widerstandsgruppe der Weißen Rose angehörten.

Vor allem die Geschichte der Geschwister Scholl ist bis heute weithin bekannt und zigfach erzählt worden; zu ihren Ehren tragen deutschlandweit etwa 600 Straßen sowie 200 Schulen ihren Namen. Anders sieht es bei Christoph Probst aus: Nach ihm sind lediglich drei Schulen benannt worden - in seinem Heimatort Murnau, in Gilching und in Neu-Ulm; dazu kommen etwa ein Dutzend Wege und Straßen.

Die Familie muss zustimmen

Nun soll nach dem Wunsch der Bundeswehr eine Kaserne den Namen des Widerstandskämpfers erhalten - nämlich die derzeit noch unbenannte Liegenschaft in Garching-Hochbrück. Dort ist das Zentrale Institut des Sanitätsdiensts der Bundeswehr beheimatet sowie einige weitere Dienststellen, etwa die Hundezwingeranlage der Feldjäger. Ihre Kaserne soll künftig Feldwebel-Christoph-Probst-Kaserne heißen. Voraussetzung hierfür ist laut Bundeswehr die Zustimmung der Familie von Christoph Probst sowie die des Garchinger Stadtrats, der sich an diesem Dienstag mit dem Thema beschäftigen wird.

Das Plazet des Gremiums gilt als wahrscheinlich. Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) sagt, dass er sich über den Antrag der Bundeswehr gefreut habe. Solche Namensgebungen würden sich sehr gut "gegen das Vergessen" eignen, sagt der Rathauschef - und verweist auch auf die Garchinger Mittelschule, die in wenigen Wochen in Max-Mannheimer-Mittelschule umbenannt wird.

Vonseiten der Familie Christoph Probsts gebe es ebenfalls "grundsätzliche Zustimmung", sagt Vincent Probst, das letzte noch lebende Kind des Widerstandskämpfers, das in Hamburg wohnt. Jedoch schränkt er ein, dass er mit der Bundeswehr gerne noch über den anvisierten Namen sprechen würde. "Der Begriff Feldwebel klingt in meinen Ohren martialisch", sagt Vincent Probst, der nach eigener Aussage "keinen Bezug zum Militär" hat. Zudem erinnert er daran, "dass mein Vater das Militär als enorme Bedrohung empfunden hat".

Die Bundeswehr verweist unterdessen darauf, dass Christoph Probst während des Zweiten Weltkriegs Sanitätsfeldwebel einer Studentenkompanie in Innsbruck war - "deshalb findet sich auch der Zusatz Feldwebel im beabsichtigten Kasernennamen wieder". Überdies habe das Weiße-Rose-Mitglied seine Ausbildung und seinen Wehrdienst in Oberschleißheim absolviert, "was zusätzlich einen starken lokalen Bezug herstellt". Generell orientiere man sich bei Namensgebungen am Traditionserlass der Bundeswehr. Zudem sollen die vor Ort stationierten Soldaten und die Öffentlichkeit in einen "offenen Dialogprozess" eingebunden werden. Im Falle Hochbrücks blieben am Ende zwei mögliche Namensgeber übrig: der Münchner Apotheker Wilhelm Buisson und Christoph Probst. Letzterer habe sich dann bei einer Abstimmung unter den etwa 180 Beschäftigten klar durchgesetzt, teilt die Bundeswehr mit.

Nun ist geplant - sofern alle Beteiligten zustimmen - die Kaserne am 6. November 2019, dem 100. Geburtstag von Christoph Probst, offiziell auf ihren neuen Namen zu taufen. Damit würde erstmals eine Kaserne nach einem Mitglied der Weißen Rose benannt. Andere Widerstandskämpfer der NS-Zeit wurden zwar schon als Namensgeber herangezogen, jedoch entstammten diese zumeist der Wehrmacht - etwa im Fall der Graf-Stauffenberg- oder der Major-Karl-Plagge-Kaserne, die nach einem deutschen Offizier benannt wurde, der etliche jüdische Zwangsarbeiter vor der Ermordung bewahrt hat.

Enkel Christoph Probst unterrichtet am Christoph-Probst-Gymnasium

Gänzlich neu ist die Ehrung der Weißen Rose durch das Militär indes nicht: Schon 2012 hat die Sanitätsakademie der Bundeswehr in Neuherberg ihr Audimax auf den Namen von Hans Scholl getauft. "Ich habe Respekt davor, dass die Bundeswehr versucht, hier eine Erinnerungskultur zu pflegen", sagt Hildegard Kronawitter, die Vorsitzende der Stiftung Weiße Rose.

Zum konkreten Fall in Hochbrück will sie sich nicht äußern. Jedoch sagt sie mit Blick auf die vielen umbenannten Straßen, Plätze und Schulen: "Diese Institutionen werden dadurch Träger der Erinnerung. Gerade an Schulen kann das sehr fruchtbar sein für das Wissen der Kinder über den Widerstand."

Ähnlich sieht das Christoph Probst, ein Enkel des Widerstandskämpfers. Er trägt nicht nur denselben Vornamen wie sein Großvater, sondern unterrichtet auch als Lehrer am Christoph-Probst-Gymnasium in Gilching. "An unserer Schule setzen sich die Schüler intensiv mit der Geschichte meines Großvaters und der Weißen Rose auseinander", sagt Christoph Probst. Und genau das müsse mit einer solchen Benennung auch einhergehen. "Es bringt nichts, wenn man nur den Namen an das Türschild klebt", betont Probst.

Um sich ein eigenes Bild davon zu machen, wie die Bundeswehr in Hochbrück die Erinnerung an seinen Großvater pflegen will, hat er dem dortigen Institut des Sanitätsdiensts einen Besuch abgestattet. "Mein Eindruck ist, dass die Bundeswehr-Angehörigen dort sehr bewusst mit diesem Namen umgehen", sagt Christoph Probst. "Ich selbst und auch meine Schwester und mein Bruder befürworten daher diese Namensgebung."

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SZ vom 24.09.2018
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