Gedenken an NS-Verbrechen:Den Opfern Namen geben

Gedenken an NS-Verbrechen: Ein Gedenkort für die Zwangsarbeiter in der Flachsröste Lohhof erschafft die Künstlerin Kirsten Zeitz mit einem Denkmal an der Fach- und Berufsoberschule und einem Weg der Erinnerung.

Ein Gedenkort für die Zwangsarbeiter in der Flachsröste Lohhof erschafft die Künstlerin Kirsten Zeitz mit einem Denkmal an der Fach- und Berufsoberschule und einem Weg der Erinnerung.

(Foto: Florian Froese-Peeck/oh)

Die Stadt Unterschleißheim verneigt sich mit einem Weg der Erinnerung vor den 500 Frauen und Männern, die in der Flachsröste Lohhof von den Nazis zur Zwangsarbeit gezwungen wurden

Von Bernhard Lohr, Unterschleißheim

Erst vor einigen Wochen sind Nachfahren des ehemaligen Verwalters der Flachsröste Lohhof ins Unterschleißheimer Rathaus gekommen und haben dort ein Buch abgegeben, das neue Erkenntnisse über die dort während dem Nationalsozialismus ausgebeuteten Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter geliefert hat. Das auf 30. Juni 1944 datierte Registerbuch nennt die Zahl von 118 Arbeitern, was deutlich mehr ist, als bisher bekannt war. Nicht nur für Historiker wie Maximilian Strnad, der ein Buch über die Flachsröste geschrieben hat, ist der Fund einmal mehr Verpflichtung, den NS-Opfern Namen zu geben.

Bei dieser Aufgabe, die Identität der Menschen zu klären, ist trotz jahrelanger intensiver Recherche ein Ende nicht abzusehen. Zuletzt haben auch Schüler der Fach- und Berufsoberschule Lohhof mit Projekten mitgewirkt. Ein Teil dieses Vorhabens ist der Erinnerungsort, den die Künstlerin Kirsten Zeitz in Lohhof mit einem Denkmal an der Fach- und Berufsoberschule und einem Weg der Erinnerung schaffen will. Ihre Arbeiten im Atelier schreiten voran. So entstehen Plaketten aus Metall mit den Namen der Geknechteten; die Embleme sollen entlang des Weges eingelassen werden. Dieser führt zur Johann-Kotschwara-Straße auf der anderen Seite der Bahntrasse, wo ein Lernort entsteht. Dort befindet sich heute noch das Fabrikgebäude der Flachsröste. Ein markanter Turm kennzeichnet den ansonsten unscheinbaren Bau.

Die Recherche, die Erinnerung an den Schrecken sowie das Lernen aus der Geschichte sollen aber nicht nur in Archiven und am Ort der Verbrechen möglich sein. Die PR-Fachfrau, Historikerin und frühere Leiterin des Kulturamts in Dachau, Ruth Dieckmann, stellte am Donnerstagabend im Kulturausschuss des Stadtrats ein Konzept für eine komplexe Webseite über die "NS-Zwangsarbeit in der Flachsröste Lohhof" vor. "Das ist wirklich durchdacht, das erfüllt wirklich höchste Ansprüche", sagte Kulturamtsleiterin Daniela Benker. So sollen unter anderem Biogramme der Zwangsarbeiter zu lesen sein, von denen viele in Lohhof zu Tode kamen.

Ein "Netzwerk der Erinnerung"

Der Historiker Maximilian Strnad, der etliche Schicksale aufgeklärt hat, kündigte an, dass die Webseite mit Datenbanken wie dem "Biografischen Gedenkbuch der Münchner Juden 1933 bis 1945" vernetzt werden soll, die im Münchner Stadtarchiv gepflegt und laufend aktualisiert werden. Strnad sagte der SZ, ein solches "Netzwerk der Erinnerung" biete viele Vorteile und sei die Zukunft. Bisher drohten Datensätze, sich auseinander zu entwickeln. Online-Projekte wie das von der Stadt vorbildlich geförderte in Unterschleißheim machten Erinnerungsarbeit zu einem fortschreitenden, sich weiterentwickelnden Prozess, so Strnad.

Wichtig ist dabei immer auch die Mithilfe von Menschen, die etwa Fotos zu Hause finden - oder eben solch ein wertvolles historisches Zeugnis wie das Registerbuch der Flachsröste. Vor allem aus den späten Kriegsjahren, als Frauen aus der Ukraine in Lohhof in der staubigen Fabrik arbeiteten, ist wenig Konkretes bekannt. Von 40 Frauen ging Historiker Strnad in dieser Zeit bisher aus. Dabei waren es offenkundig 118 Frauen, die unter permanenter Kontrolle des Personals Flachs verarbeiteten, der oft von weither antransportiert wurde.

Sie produzierten als Teil der Kriegswirtschaft einen wichtigen Rohstoff, um Uniformen, Rucksäcke, Zelte und Seile herstellen zu können. Die Frauen waren dabei Übergriffen und Misshandlungen von Vorgesetzten ausgesetzt.

Auf dem Weg der Erinnerung vom Bahnhof zur Fabrik, den die Zwangsarbeiter nahmen, sollen blaue Flachsblüten aus Beton eingelassen werden. Es werden Stahl-Silhouetten aufgestellt und nach letztem Stand mehr als 400 Stahlscheiben mit Namen installiert. Strnad geht heute davon aus, dass etwa 500 Menschen in Lohhof ausgebeutet wurden. Wann der Erinnerungsort und die Homepage fertiggestellt sind, ist Strnad zufolge offen.

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