Wenn morgens die Sonne über den Feldern aufgeht, die Natur noch unberührt ist, die Luft frisch nach Gras und Sommer duftet, und vielleicht ein Reh am Waldrand steht, weiß Florian Rettich, dass es sich wieder gelohnt hat, so früh unterwegs zu sein. Der Gautinger ist den Sommer über sonntagmorgens schon um fünf Uhr aufgestanden, hat sich die Laufschuhe geschnürt und sich eine Strecke irgendwo im Münchner Südwesten durch Felder, Wald und um Seen ausgesucht. Mehr als 30 Kilometer müssen es sein, so weit läuft er sonntags durch die Morgenlandschaft. Sein Sommer steht im Zeichen des Marathontrainings: Am 24. September will er seinen ersten Marathon in Berlin laufen.
Inzwischen steht er mit Vorfreude so früh auf. "Wir leben in einer Gegend, in der andere Urlaub machen", sagt er. Den Starnberger See und den Ammersee, den Forstenrieder Park, die Gegend um Andechs nimmt er in den frühen Morgenstunden mit neuem Blick wahr. Wochentags läuft er in der Stadt, vor der Arbeit durch den Englischen Garten oder den Olympiapark. "Morgenstimmung in der Großstadt - das ist ein tolles Erlebnis." Es gibt kaum Verkehr, nur wenige Menschen sind unterwegs. Sonst überfüllte Orte sind Ruheoasen. Nach einem solchen Morgen könne einen nicht mehr viel aus der Ruhe bringen.
Florian Rettich ist schon immer gerne gelaufen. Er arbeitet in der Filmbranche und ist beruflich viel unterwegs. Um sich auf Reisen zu bewegen, hat er die Laufschuhe im Gepäck. Das Laufen hilft ihm, den Jetlag zu überwinden und es beschert ihm besondere Erlebnisse: Joggen am Toten Meer, über die Golden Gate Bridge laufen, Las Vegas aus Läuferperspektive erleben. Er hat auch schon zwei Mal bei Marathonläufen in München mitgemacht, ein Mal ist er die Zehn-Kilometer-Distanz gelaufen, vergangenes Jahr den Halbmarathon. Die ganzen 42,195 Kilometer einer Marathonstrecke waren nie sein Ziel. Doch dann kam das Thema im Kollegenkreis auf - warum nicht am Berlin-Marathon teilnehmen? Ein paar Startnummern wurden verlost. Florian Rettich machte mehr aus Spaß mit, wie er sagt, aus dem sicheren Gefühl heraus, noch nie etwas im Leben gewonnen zu haben. Doch er gewann - und begann zu trainieren.
Der Trainingsplan umfasst drei Läufe pro Woche, sonntags die sich langsam steigernde lange Distanz - seit ein paar Wochen schon sind es mehr als 30 Kilometer - unter der Woche kürzere Strecken über je sieben Kilometer. Die volle Distanz über 42 Kilometer wird er zum ersten Mal in Berlin laufen. Der menschliche Körper sei nicht gemacht für solche Strecken, sagt er. Er habe Respekt davor. Aber inzwischen wird es vorstellbar, es zu schaffen. "Ich bin jetzt richtig heiß drauf." In Berlin hat er zwei Ziele: "Ich will es schaffen" und wenn möglich, in unter vier Stunden.
Seine Familie soll auch etwas vom Laufen haben. Deshalb bringt er nach seinen Sonntagstrainings Semmeln für ein Brunch mit. Und danach braucht er "ein Schläfchen". Zum Anfeuern wird die ganze Familie nach Berlin fahren.