Gastronomie:Die Post geht vielen ab

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Der Gasthof zur Post sieht von außen noch schmuck aus. (Foto: Claus Schunk)

Weil das Gebäude saniert wird, ist der Gasthof in der Haarer Ortsmitte für ein Jahr geschlossen, auch das angrenzende Bürgerhaus ist betroffen

Von Bernhard Lohr, Haar

Bis vor wenigen Wochen saßen sie noch alle in ihrem "Gasthof zur Post". Der Stammtisch war besetzt, die Gäste genossen zuhauf die Herbstsonne im Biergarten und überhaupt war richtig viel los beim Wirt am Haarer Kirchenplatz. Doch mit dem 30. September war nach 21 Jahren Schluss für Wirt Karl Dabernig und seine Familie. Die Haarer müssen jetzt ein gutes Jahr ohne den Gasthof auskommen, der mit qualitätvoller steirisch-bayerischer Küche herausstach. Auch das benachbarte Bürgerhaus schließt für Monate. Die beiden gemeindlichen Gebäude müssen dringend saniert werden. Stammgäste und auch Vereine müssen sich nach neuen Räumen umsehen.

Auch wenn Gasthof und Bürgerhaus noch schmuck aussehen, innen ist 30 Jahre nach Eröffnung einiges zu tun. Im Gasthof wird im Grunde nahezu alles erneuert, was nicht die Bausubstanz selbst betrifft. Sanitärleitungen müssen raus, die Küche wird ausgetauscht. Heizkörper, Kühltechnik und Lüftungsanlage werden saniert. Es werden neue Böden verlegt, neue Wände eingezogen und der Gastraum neu möbliert. Auch die Fassade, die Terrasse und die Biergarten-Gastronomie bekommen eine Auffrischung. Arbeiter sind bereits dabei, innen alles auszuräumen. Ansonsten wird noch geplant und die Auftragsvergabe vorbereitet. Am Dienstagabend beschloss der Gemeinderat, das den ersten Bauabschnitt, das Gasthaus, zu Kosten von 3,4 Millionen Euro anzugehen. Der zweiter Abschnitt wird das Bürgerhaus. 2,9 Millionen Euro sind dafür eingeplant. Beides gehört der Gemeinde.

Der Gasthof zur Post sieht von außen noch schmuck aus. (Foto: Claus Schunk)

Beim Gasthof will man aufs Tempo drücken. Der Plan ist laut Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU), dass zum Jahresbeginn 2023 ein neuer Pächter loslegt. Das Bürgerhaus ist wohl noch bis Ende des Jahres geöffnet, und es soll zwischenzeitlich im September 2022 ohne Gastronomie wieder zur Verfügung stehen, bevor dort 2023 richtig mit der Sanierung losgelegt wird. Näheres dazu ist noch nicht bekannt.

Betroffen sind vor allem die Vereine, die mit kleinen und großen Veranstaltungen das Bürgerhaus beleben. Sie können kaum planen. Sebastian Franz vom Deutschen Alpenverein berichtete in der Bürgerfragestunde, dass man Ausweichräume etwa in Pfarrzentren suche. Man stehe vor "schweren Monaten", sagte er und beklagte, dass 2023 wohl noch eine längere Schließung für die eigentliche Sanierung des Bürgerhauses ansteht.

Dazu gibt es offenbar keine Alternative. Reimar Pfalz, Leiter der Bautechnik im Haarer Bauamt, berichtete von komplexen Planungs- und Bauprozessen, die bei Gasthof und Bürgerhaus zum Teil zusammenhingen. Zunächst will man sich auf den denkmalgeschützten Gasthof konzentrieren. Vieles ist noch vage, auch unerfreuliche Überraschungen sind möglich. Erst kürzlich hat sich bei genauerer Untersuchung der Gebäudesubstanz herausgestellt, dass auch an Terrasse und Fassade des Bürgerhauses Schäden bestehen. Auch Dacharbeiten sind notwendig. Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) warnte, der Sanierungsbedarf und die Kosten könnten noch größer ausfallen. "Man hat in Garching gesehen, wie schnell das in die Höhe gehen kann." Dort waren für die Arbeiten am ebenfalls 30 Jahre alten Bürgerhaus 4,4 Millionen Euro veranschlagt. Mittlerweile liegen die Kosten bei 16,5 Millionen, weil sich während der Arbeiten immer wieder neue Baustellen aufgetan haben.

Das Gebäude um 1960. Damals beherbergte es eine Filmfirma. (Foto: Gemeindearchiv Haar)

Trotzdem setzt man in Haar nun nur gut sechs Millionen für das Großprojekt an und plant keinen Puffer ein. Reimar Pfalz rechtfertigte das Vorgehen damit, dass es Willkür gleichkäme, jetzt schon irgendwelche Mehrkosten s einzurechnen. "Nehmen wir fünf Prozent Puffer, 20 oder 30 Prozent?", fragte er. Es wäre nicht seriös, da irgendetwas auf die jetzt gesetzte Summe draufzusetzen. Bürgermeister Bukowski verteidigte die Aufteilung in zwei Bauabschnitte, weil man so zum einen die Kräfte bündeln und zum anderen Förderbedingungen der Regierung von Oberbayern erfüllen könne. Zuschüsse seien wohl nur für das Bürgerhaus zu erwarten, sagte er.

Anfang Oktober haben Bürgermeister Bukowski und Altbürgermeister Helmut Dworzak (SPD), der im Jahr 2000 mit Karl Dabernig den Pachtvertrag unterzeichnet hatte, den Abschied der Wirtsfamilie gefeiert. Mit dem 67-jährigen Dabernig, der sich zur Ruhe setzt, gehen sein Bruder und Küchenchef Heimo sowie die Ehefrauen Ingrid und Gudrun Dabernig. Der Abschied trifft viele Haarer hart. "Ihr alle werdet fehlen mitsamt dem tollen Essen", schreibt eine Nutzerin auf Facebook. Andere rühmen die Wertschätzung, die Gäste in dem Lokal stets erfahren hätten. Es sei ein Jammer, heißt es von vielen Seiten. Besonders die Kartenspieler würden den Gasthof vermissen.

© SZ vom 28.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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