Garchinger Umwelt-Initiative:Ein See-Elefant zur Rettung der Meere

Germering: GÜNTHER BONIN - One Earth - One Ocean

Lösung für kleine und große Probleme: Mit dem Seehamster lassen sich Plastikbecher aus dem Germeringer See fischen.

(Foto: Johannes Simon)
  • 150 Millionen Tonnen Plastikmüll verschmutzen Schätzungen zufolge weltweit die Meere und bedrohen die dort lebenden Tiere.
  • Der Garchinger Unternehmer Günter Bonin plant den Bau von Spezialschiffen, um die Ozeane zu reinigen.
  • Sein Plan: Der Abfall soll auf hoher See zu Treibstoff verarbeitet werden.

Von Gudrun Passarge, Garching

Was für ein tränenreicher Abschied von einem Plastikbecher. Er schaukelt langsam immer weiter in Richtung Mitte des Germeringer Sees. Alle Versuche, ihn mit Schnüren einzufangen oder gar mit nackten Waden mutig in die Fluten zu steigen, sind fehlgeschlagen, das kleine Mädchen aus der Kindergartengruppe ist untröstlich.

Als der Becherretter in Aktion tritt, sind die Kinder gerade unterwegs und bekommen nichts mit. Günter Bonin, 60, eigentlich Weltenretter, hat sich behände für ein paar Fotos auf den Seehamster geschwungen. Mit dem Boot, das sonst Algen, Entenkot oder Plastik einsammelt, fährt er eine elegante Kurve und schon hat er den Becher im Netz. "Wir retten auch Fußbälle und Kinderspielzeug", sagt er auf seine flapsige Art. Aber eben nicht nur.

Das Beispiel zeigt, wie das Prinzip funktioniert, das sich der Unternehmer ausgedacht hat, der sein Geld mit IT-Firmen verdient hat. Der Seehamster, er ist der dritte seiner Art, der vierte wird gerade gebaut, zeigt im Kleinen, wie die Rettung der Weltmeere von Plastikmüll funktionieren soll. Das wird dann seine große Schwester, die Seekuh übernehmen, die gerade in Lübeck gebaut wird und Ende September getauft werden soll. Wie der kleinere Seehamster ist sie wie ein Katamaran aufgebaut. Zwölf Meter lang, zehn Meter breit, soll sie so ausgestattet werden, dass sie bis zu drei Tonnen Müll an Bord nehmen kann.

Vor allen Dingen Kunststoff, der immer mehr Gewässer verschmutzt, was für viele Tiere tödlich ist. Bonin hat Zahlen parat: "Allein vier Tonnen Plastik kommen jeden Tag über die Donau ins Schwarze Meer." 150 Millionen Tonnen sollen sich Schätzungen zufolge weltweit angesammelt haben.

Günther Bonin ist ein begeisterter Segler. Er erzählt, wie er eines Tages als Skipper mit der Samarkand auf großer Fahrt war zwischen Vancouver und San Diego. Eine abenteuerliche Reise, die für ihn mit einem Entschluss endete. Er beobachtete während einer Nachtwache, wie ein Frachter den Müll auf See verklappte, um sich die Müllgebühren im Hafen zu sparen. Zuerst ärgerte er sich, dann dachte er über eine Lösung nach. "Geht nicht, gibt's nicht", habe er sich gesagt. Wenn zig Millionen Fischer alle Fische aus dem Meer holen können, dann, so überlegte Bonin, müsse es doch auch möglich sein, mit den Netzen den Müll wieder rauszufischen.

Der Unternehmer steht am Germeringer See in der Sonne und plaudert. Modische Sonnenbrille, dunkle Stoppelhaare, grau-melierter Bart, ein T-Shirt mit seinem Vereinslogo, Jeans und Jeansjacke - irgendwie alterslos. Der Mann strahlt Unternehmungsgeist aus. Aber das war vor einigen Jahren anders, sagt er.

Die Müllabfuhr im Meer ist ein Milliardenmarkt

Damals stand er an einem Wendepunkt. Seine Batterien waren "ein bisschen leer", er suchte eine neue Herausforderung. Die Idee, eine "maritime Müllabfuhr" zu entwickeln, kam da gerade recht. Bonin gründete 2010 den Verein "One Earth - One Ocean" (OEOO) mit Sitz in Garching. Das hat einfach praktische Gründe, denn so hat der Verein ein Büro, das die Firma bezahlt, die mittlerweile in eine Aktiengesellschaft zur Reinigung von Gewässern umgewandelt wurde und den Verein administrativ und finanziell unterstützt.

Bonin, der sich selbst als "realistischen Visionär" bezeichnet, will mit dem Verein aufklären und vor allem will er etwas tun. "Das wird mal ein Milliardenmarkt sein", ist er überzeugt, der Mensch werde irgendwann erkennen, dass er die Gewässer sauber halten müsse, um zu überleben.Hilfe bekommt Bonin dabei von dem promovierten Mikrobiologen Rüdiger Stöhr und dem nigerianischen Chemiker Emmanuel Duru, beide sind auf Teilzeitbasis beim Verein angestellt. Stöhr ist mitgekommen zum Termin am See, er erklärt die Strategie des Vereins.

Der Seehamster soll im Kleinen zeigen, wie es funktioniert. Er futtert ebenso mühelos Algen in sich hinein, wie er Plastikmüll einsammelt. Der Verein hat Spezialnetze mit größeren Löchern entwickelt, damit sich keine Tiere darin verfangen. "Unser Ziel ist es, schwimmende Plastikinseln anzusteuern und abzuernten", erklärt Stöhr.

Damit nicht genug, soll eines Tages noch der Seeelefant als Begleiter der Seekühe auf den Meeren unterwegs sein. Dieses Spezialschiff soll den Müll zu Treibstoff verarbeiten können; aus einer Tonne Müll könnten etwa 800 Liter Treibstoff werden.

Aber das ist noch Zukunftsmusik. Schließlich sucht der Verein noch Geldgeber. Für den Anfang hat die Telekom etwas gestiftet, die Röchling-Stiftung hat den Rohbau der Seekuh finanziert. "Wir werden demnächst gezielt in die Mitgliederwerbung gehen", sagt Bonin, denn für die vielen Pläne des gemeinnützigen Vereins braucht es eine solide Finanzierung. Da reiche es nicht aus, über die Firma bisschen Geld zu verdienen mit dem Säubern von Seen.

Mikroplastik vergiftet Fische

Ein Partner ist die "Oldenburg-Portugiesische Dampfschiffs-Rhederei", deren Schiffe auf ihren Fahrten zwischen Hamburg und den Kanaren Wasserproben für den Verein nehmen. Stöhr misst die Proben. In drei Vierteln der Wasserproben von je 20 Litern hat er bereits Mikroplastikteile entdeckt, "erschreckend", wie er findet.

Kunststoffe, so sagt er, sammelten alles, was Fett liebend ist. Dazu gehören Giftstoffe oder auch Hormone. Diese Giftstoffe wiederum nehmen Fische beim Fressen auf. Das Mikroplastikteilchen schieden sie wieder aus, das Gift bleibe im Fettgewebe und komme so auf den Teller. Was das für den Menschen für Folgen hat, sei noch nicht abschließend untersucht, sagt Stöhr, "aber es ist ein Problem, dass wir einen Teil unserer Nahrungsgrundlage vergiften."

Bonin hat noch viel vor. Begeistert erzählt er von dem Projekt in Nigeria, wo der Verein Einheimischen geholfen hat, einen mit Öl verschmutzten Flussabschnitt zu säubern. Dabei kam Wachswatte zum Einsatz, die das Öl aufsaugte. "Alle Gewässer hängen zusammen und tauschen sich aus. Es ist egal, wo das Wasserproblem ist, unser Ansatz ist es, den Menschen Geld zu geben, damit sie das Wasser säubern."

So plane er im nächsten Jahr ein Projekt mit Fischern in Kambodscha. Sie sollen mit Spezialnetzen den Plastikmüll rausholen. Natürlich sollen die Fischer bezahlt werden. Bonin hält viel von Nachhaltigkeit, und seine Umweltsorge schließt die Sorge um die Menschen mit ein. Auch dafür braucht der Verein Geld, Paten werden gesucht.

Viel zu tun also für den Mann, der sich schon als Kind über den Müll aufgeregt hat. Er möchte noch vieles anstoßen, bevor er sich irgendwann wieder anderen Dingen im Leben widmet. Um die Welt segeln, wäre so ein Wunsch, natürlich durch saubere Meere. Und mit 99, sagt er, springe er dann vom Seeelefanten ins Meer und lasse sich zum Abschied noch von einem Blauwalweibchen küssen. "Da sparen meine Kinder die Beerdigungskosten." Kurze Pause. "Das ist meine Art von Humor", es klingt wie eine Entschuldigung. In der Hand dreht er eine rosa Kleeblume. Ein Geschenk vom Kindergarten, weil er den Becher rausgefischt hat.

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