Manuel Führs steht mit ausgebreiteten Armen in seinem Garten. Die Tulpen bilden bunte Inseln im saftiggrünen Rasen, an einem Ast des alten Walnussbaums wiegt eine Schaukel im Wind. Hund Timmy streicht schnuppernd über die Terrasse. Die ehemalige Scheune schirmt den Garten und das Wohnhaus mit einem Obergeschoss und Dach vom Verkehr auf der Freisinger Landstraße ab. Vor knapp zehn Jahren ist Manuel Führs mit seiner Familie hier eingezogen, Frau und Tochter, ein Sohn und Hund Timmy kamen bald hinzu. Sie fühlten sich wohl hier, sagt Führs. Doch lange werden sie wohl nicht mehr bleiben.
Wo Führs Arme hindeuten, soll ein mehrstöckiges Wohnhaus entstehen, ein zweites im rechten Winkel dazu. Insgesamt 42 neue Wohnungen in verschiedenen Größen sollen auf dem Grundstück entstehen anstelle der derzeit drei. Ob diese Bebauung an dieser Stelle richtig ist, darum ist ein heftiger Streit entbrannt in Garching. Mit einer denkbar knappen Mehrheit hat der Stadtrat jüngst den Plänen stattgegeben. Genau der richtige Ort, um nachzuverdichten und mehr der doch dringend benötigten Wohnungen zu bauen, sagen die einen; schließlich liegt die Freisinger Landstraße 17 am Rande des Zentrums, die U-Bahn ist fußläufig zu erreichen. Dank ihrer Richtlinie zur sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) hofft die Stadt zudem, 30 Prozent der Wohnungen vergünstigt anbieten zu können. Den anderen stößt die Idee einer massiveren und höheren Bebauung dort am Rande des alten Ortskerns hingegen übel auf, sie sehen durch einen solchen Neubau die charakteristischen Züge des Garchinger Ortsbilds schwinden. Für Manuel Führs und seine Familie stellen die Baupläne ein ganz anderes Problem dar: Sie müssen nun eine neue Bleibe finden.
Grundsätzlich hat Führs Verständnis für das Verhalten der verschiedenen Beteiligten in seinem Fall. Als er vor bald zehn Jahren die Erdgeschosswohnung mit Garten von einem Kollegen übernahm, war sein Vermieter bereits über achtzig Jahre alt und verwitwet. Der Landwirt bewohnte selbst das alte Bauernhaus an der Straße, das separat stehende Mietshaus auf dem hinteren Teil des Grundstücks war einst als Altersvorsorge dazu gebaut worden.
Erbengemeinschaft verkauft das Objekt
Als der Eigentümer Anfang 2019 starb, ging das Grundstück an eine Erbengemeinschaft aus mehreren Nichten und Neffen. Unter diesen, erzählt Führs, habe jedoch keiner die Gebäude übernehmen und dafür die übrigen auszahlen können und wollen. So kam es 2020 zum Verkauf, an die Königer GmbH, ein mittelständisches Bauunternehmen aus Geisenfeld in der Hallertau, das zuletzt auch in Unterschleißheim, Ottobrunn und Brunnthal Wohnhäuser errichtet hat. Das Unternehmen will die alten Gebäude - das alte Bauernhaus, die Scheune und das Mietshaus, in dem Führs mit seiner Familie wohnt - abreißen und das Grundstück neu bebauen, dann eben deutlich dichter.
Es sei schon klar, sagt Führs, dass eine alte Scheune nicht unbedingt erhaltenswert sei. Das Bauernhaus steht seit dem Tod des Eigentümers leer, auch die Wohnung über den Führs ist schon drei Jahre lang nicht mehr vermietet. Mehr Wohnungen zu errichten in dieser Gegend, findet Führ im Prinzip auch sinnvoll. Dennoch ist er enttäuscht, vor allem vom Verhalten der Stadt. "Die Stadt hat jetzt ihre Sobon, aber was mit den aktuellen Mietern passiert, das interessiert sie nicht", sagt Führs. Er arbeitet in Oberschleißheim, die Familie möchte gern im nördlichen Landkreis und am liebsten in Garching bleiben.
Doch bislang war die Suche erfolglos, als Familie mit zwei Kindern und Hund tun sie sich schwer. Führs hat sich deshalb an das Rathaus gewandt und auch die verschiedenen Fraktionen im Stadtrat angeschrieben. Jeder, der Interesse an einer Wohnung habe, könne sich auf die städtische Warteliste setzen lassen, heißt es dazu aus dem Rathaus. Man habe die Familie über diese Möglichkeit informiert und ihr die entsprechenden Unterlagen zukommen lassen.
Im Herbst kommt Führs' Sohn in die Schule, die Eltern müssten sich jetzt um einen Hortplatz bemühen. Das ist freilich schwierig, wenn man nicht weiß, wo man dann wohnen wird. Vielleicht finde sich zumindest eine Übergangslösung für sie, hofft Führs. Dann könnte die Familie später womöglich in den fertigen Neubau einziehen, als eine von dann 42 Mietparteien. Mit dem Inhaber der Königer GmbH sei er in Kontakt, dieser habe ihm Unterstützung bei der Wohnungssuche angeboten.