Zwangsarbeit:Erinnern, nicht relativeren

Die mit der Gedenkstele in Garching beauftragte Künstlerin zieht eine falsche Parallele zur Gegenwart.

Kommentar von Wolfgang Krause

Mehr als 75 Jahre mussten vergehen, bis man sich in Garching dazu durchgerungen hat, an die Außenstelle des Dachauer Konzentrationslagers auf dem heutigen Stadtgebiet zu erinnern. Das Bekenntnis zur eigenen dunklen Vergangenheit kommt spät - aber nicht zu spät wie die Strafverfolgung der Mörder von damals, die in der Bundesrepublik so lange verschleppt wurde, bis die allermeisten Täter tot waren. Denn das Gedenken an die Opfer ist immer mit der Mahnung verbunden, dass so etwas nie wieder passieren darf. Und das ist heute genauso wichtig, wie es vor Jahrzehnten schon gewesen wäre.

Den Bezug zur Gegenwart herzustellen, ist also durchaus geboten, wenn man an das Schicksal der Zwangsarbeiter im SS-Lager Schleißheim erinnert. Allerdings muss man aufpassen, wie man das tut. Wenn die mit der Gestaltung des Mahnmals im heutigen Hochbrück beauftragte Künstlerin Lioba Leibl Parallelen zu modernen Formen der Zwangsarbeit herstellt, relativiert sie - indirekt und sicher ungewollt - das Leid der Opfer der NS-Barbarei.

Denn Zwangsarbeit ist nicht gleich Zwangsarbeit. Bei den Nazis war diese unter dem Stichwort "Vernichtung durch Arbeit" fest eingebettet in das Mordprogramm, dem Millionen vor allem jüdischer Frauen, Männer und Kinder zum Opfer fielen. Es ging nicht alleine um die Ausbeutung der Arbeitskraft, die Menschen sollten teilweise buchstäblich so schwer schuften, dass sie irgendwann tot umfielen. Das muss man im Hinterkopf haben, auch wenn das Lager in Hochbrück vielleicht nicht zu den allerschrecklichsten der schrecklichen Orte gehörte, die es damals gab.

Das soll im Übrigen kein Einwand gegen den Entwurf Leibls für die geplante Gedenkstele sein, dieser wirkt gerade wegen seiner schlichten, holzschnittartigen Ästhetik durchaus eindringlich und überzeugend. Den Erläuterungstext auf der geplanten Plakette und die über einen QR-Code abrufbaren Inhalte sollte allerdings eine Historikerin oder ein Historiker verfassen, nicht die Künstlerin.

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