Süddeutsche Zeitung

Garching:Noch viel Rauch

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Am Tag nach der Explosion in der Garchinger Stadtmitte ist ein Mann tot - und die Ursache weiter völlig ungeklärt

Von Sebastian Franz, Garching

Etwas liegt noch in der Luft. Und würde man nicht auch tags darauf immer noch riechen, dass es hier am Montagvormittag eine Explosion gegeben hat, dann würde man einfach vorbeilaufen an dem ockerfarbenen Mehrparteienhaus in der Garchinger Stadtmitte. Flachdach, im Erdgeschoss Ladenlokale, an der Ecke eine Wäscherei - schon ist man an dem unscheinbaren Gebäude vorbei und über der nächsten Kreuzung.

Doch wegen dieses Geruchs nach Ruß, nach Verbranntem wirft man doch einen Blick über die Schulter. Und dann sieht man, dass das Glas der Eingangstüren und der Fenster im Treppenhaus geborsten ist, dass die Gebäudefront über einem der Kellerfenster schwarz vor Ruß ist.

Hinter diesem Kellerfenster kam es am Montagvormittag gegen 10.35 Uhr zu einer Explosion in Räumen, die der Firma Natec Sensors gehören. Diese ist nach eigenen Angaben spezialisiert auf Durchfluss-Messtechnik für Flüssigkeiten. Eine Mitarbeiterin alarmierte den Notruf, Rettungskräfte und Polizei waren nach wenigen Minuten am Unglücksort. Laut Feuerwehr sei aus beiden Hausausgängen dichter Rauch aufgestiegen. Die Straße und die Parkplätze vor dem Haus waren übersät von Splittern und Trümmerteilen.

Ein Atemschutztrupp der Feuerwehr evakuierte das Haus und brachte alle Bewohner ins Freie; vier von ihnen litten an Rauchvergiftung. Teilweise mussten die Hausbewohner von ihren Balkonen über Leitern in Sicherheit gebracht werden.

Im Keller fanden die Feuerwehrleute einen schwerst verletzten Mann. Ein Rettungshubschrauber brachte ihn so schnell wie möglich in ein Krankenhaus nach München. Doch die Hilfe kam zu spät. Noch am Nachmittag desselben Tages erlag der Mann seinen schweren Verletzungen. Bei dem Toten soll es sich um einen 45 Jahre alten Mitarbeiter der Firma handeln. Zum Zeitpunkt der Explosion habe der Mann im Keller des Gebäudes gearbeitet, heißt es.

Der Lösch- und Rettungseinsatz dauerte am Montag mehr als vier Stunden. Beteiligt waren die Freiwilligen Feuerwehren aus Garching, Hochbrück, Ismaning und Dietersheim sowie die Berufsfeuerwehr München, das Technische Hilfswerk (THW), die Polizei und Sanitäter. Allein die Feuerwehr der Stadt war mit 25 Männern vor Ort.

Ein Anwohner schilderte der SZ am Dienstag, dass er beobachtet habe, wie der Atemschutztrupp der Feuerwehr mehrere offene Kanister aus dem Keller trug. Diese seien als Gefahrgut ausgezeichnet gewesen. Die Kanister seien anschließend in offenkundig luftdichten Fässern verschlossen worden. Seinen Namen möchte der Augenzeuge nicht in der Zeitung sehen.

Der entstandene Schaden beläuft sich nach Angaben der Polizei auf mehrere hunderttausend Euro. Die Bewohner des Hauses sind weitgehend mit einem Schrecken davongekommen, allerdings sind sie auch die Leidtragenden. Strom und Warmwasser gibt es momentan nicht, beides wurde sicherheitshalber abgedreht. Allerdings konnten alle in ihre Wohnungen zurückkehren. Das Gebäude ist nicht einsturzgefährdet, berichtet eine Mitarbeiterin der Hausverwaltung. Die meisten Mieter sind trotzdem erst einmal bei Freunden oder Verwandten untergekommen.

Von der Explosion an sich habe sie nichts mitbekommen, berichtet eine Frau, die einen Block weiter wohnt. Erst als Menschen auf der Straße auf etwas gezeigt hätten, sei sie aufmerksam geworden. Immer mehr Schaulustige seien am Montag an ihrem Fenster vorbeigelaufen, schließlich habe auch sie gerochen, dass es irgendwo brennt. Dann sei auch sie aus dem Haus gegangen, um nachzuschauen, was los war.

Die Einsatzkräfte hätten den Brandherd bereits großräumig abgesperrt, die Lage schnell unter Kontrolle gehabt. Eine weitere Gefahr bestand angeblich nicht. Den ganzen Montag habe es noch stark nach Rauch gerochen, selbst drinnen in den angrenzenden Häusern, sagt die Anwohnerin. Auch sie möchte nicht namentlich in Erscheinung treten.

Bei der Firma Natec Sensors war bis Dienstagabend niemand zu erreichen. Und von der Stadt Garching war auch keine Auskunft zu erhalten zu der Firma und etwaigen Genehmigungen zum Umgang mit gefährlichen Stoffen. Die Stadtverwaltung schickte am späten Nachmittag auf eine Anfrage der SZ nur eine schriftliche Stellungnahme von Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD): Die Polizei ermittelt aktuell bezüglich der Ursache der Explosion, daher gelte es, "sich mit Spekulationen über die Schadensursache und die Verantwortlichkeiten zurückzuhalten". Was auch immer dort passiert sei: "An dieser Tragik nehmen wir alle Anteil und sind mit unseren Gedanken bei den Angehörigen des Verstorbenen."

Etwas liegt noch in der Luft, mindestens Ruß. Spezialisten des Landeskriminalamtes und der Kriminalpolizei München ermitteln zur Ursache der Explosion.

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Quelle:
SZ vom 14.07.2021
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