Garching:Mystischer, dunkler, leiser

Garching: An Samhain treffen sich Hell und Dunkel, Leben und Tod. Neuheiden schmücken ihre Wohnungen mit Kerzen, Blüten und Herbstfrüchten.

An Samhain treffen sich Hell und Dunkel, Leben und Tod. Neuheiden schmücken ihre Wohnungen mit Kerzen, Blüten und Herbstfrüchten.

(Foto: Lumadie)

Samhain soll das keltische Ur-Halloween sein. Stimmt nicht. Gefeiert wird es trotzdem

Von Sabine Oberpriller, Garching

Dieser Tage ins Haus geflattert, die Ankündigung zu einem Halloween-Fest in Garching. Der erste Satz: "Die heidnischen Bräuche von Halloween und der protestantische Glaube müssen sich nicht ausschließen." Es geht um eine kirchliche Aktion für Kinder. Sie trägt den Titel "Hallo(ween)

Luther" (Samstag, 14 Uhr, Laudatekirche)

. Es gehört zum mystischen Charakter des Festes, auf seine dunklen, keltischen Wurzeln zu verweisen. Nur: Ganz trifft das nicht zu. Es gibt tatsächlich ein keltisches Herbstfest: Samhain, gesprochen "Samuin" oder "Semheyn". Es bedeutet "Sommerende". Da die Kelten auch auf bayerischem Gebiet lebten, wurde es wohl auch hier gefeiert. Mit dem genüsslichen Gruseln zu Halloween hat es indes wenig zu tun.

Einige feiern es heute wieder, ganz privat, wie die 26-jährige Izimul aus dem Landkreis. Sie bezeichnet sich als Chaosmagierin. "Für Neuheiden ist es ein spirituelles Fest", sagt sie. "Es hat eine stark religiöse, sinnliche Komponente."

Die Kulturwissenschaftlerin und Lehrbeauftragte an der LMU, Annegret Braun, sagt, dass es wenig schriftliche Hinweise gebe. "Aber Samhain war wohl ein keltisches Großfest, vielleicht das Neujahrsfest. " Samhain war, soviel findet sich in den spärlichen Quellen, das letzte von drei Erntedankfesten, an dem man die Tiere schlachtete, die es nicht über den Winter schaffen würden.

Dass man versuche, uralte Ursprünge von Traditionen herauszufinden und wieder aufleben zu lassen, sei normal in einer globalisierten Welt, sagt Braun. "Das ist etwas Unveränderliches, das für Stabilität sorgt." Auch wenn der Begriff im Programm alternativer Therapiepraxen und Klangheilzentren seit einiger Zeit häufiger auftaucht - auffällig ist das Fest nicht. Das liegt wohl daran, dass es gerade wegen des Umgangs mit dem Tod und mit Toten noch mystischer und dunkler daherkommt als Halloween. Daher will auch Izimul nicht auffallen, lieber nur ihren Decknamen in der Zeitung lesen.

Samhain ist Izimuls Lieblingsfest. "Die Menschen früher haben sich an den Jahreszeiten orientiert", sagt sie. "Samhain markiert das Ende des Sommers. Es ist eine Phase zwischen Traum und Wachsein." Für sie eine Zeit, in der sie sich nach innen wendet, in der sie sich zentriert. Man müsse nicht so nach außen strahlen wie es der Sommer mit sich bringe, sagt sie.

Seit fast zehn Jahren schmückt sie immer Anfang November ihr Zimmer mit Äpfeln, Nüssen, Kerzen. Es duftet nach Styrax und Stechapfel. Den Geistern und Toten stellt sie Granatäpfel bereit, weil nach der keltischen Vorstellung sich zu dieser Zeit das Jenseits und die Welt der Menschen sehr nah kommen. Für Izimul und ihre Gleichgesinnten allerdings kein Grund, die Geister abzuschrecken.

"Dieses Jahr werde ich einfach alleine meditieren", sagt Izimul. "Oder eine Geistreise in die Unterwelt machen." Letztes Jahr hat sie zusammen mit Freunden einen symbolischen Abstieg in die Unterwelt nachgestellt. Den Pfad haben sie durch die ganze Wohnung gelegt. Eine Freundin hat die Rolle der griechischen Unterweltkönigin Hekate übernommen und die anderen durch verschiedene Stationen geführt, an denen sie Körper, Seele oder Geist abgegeben und sich in Meditationen damit auseinander gesetzt haben.

Mit dem ganz ursprünglichen Samhain stimmt diese Art zu feiern übrigens auch nicht mehr ganz überein. "Die Wissenslücken wurden mit neuen Riten aufgefüllt", sagt Izimul. "Manche höhlen Kürbisse aus und backen Totenkopfkekse." Sogar Halloween hat einige inspiriert.

Heidnische und christliche Bräuche schließen sich also wirklich nicht aus. "In seiner Struktur leitet Halloween sich von einem christlichen Totenfest aus dem Mittelalter ab", sagt Annegret Braun. Die Kürbisfratze stammt der Sage nach vom Teufel persönlich.

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