Ein Beitrag in der CSU-Parteizeitschrift Garching im Dialog hat in der muslimischen Gemeinde in Garching und Hochbrück Entrüstung ausgelöst. Thomas Lemke, der stellvertretende CSU-Vorsitzende in Garching, hatte in seinem Kommentar die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) als direkten "Teil des Machtapparats von Erdoğan" bezeichnet. "Wir wollten den Islam in keiner Weise verunglimpfen", sagt der CSU-Ortsverbandsvorsitzende Jürgen Ascherl auf den dadurch entfachten Proteststurm. "Es geht uns ausschließlich um Ditib." Doch eben diese Kritik an Ditib kann etwa Bunyamin Sarac vom türkischen Frauenfreundschaftsverein Hochbrück nicht nachvollziehen. "Das ist ein anerkannter Verein", sagt er. Viele Muslime in Garching seien "sehr gekränkt und wir sind traurig".
Anlass für den Kommentar in der CSU-Zeitung war ein Treffen des Frauenfreundschaftsvereins, der zu Ditib gehört, mit einigen Garchinger Stadträten. Der Verein erläuterte dabei seine Pläne, in der zum Verkauf stehenden Sparkassenfiliale in Hochbrück ein Kulturzentrum mit Gebetsraum einzurichten. Schon seit Jahren sucht der Verein größere Räume, da die bisherigen in einem städtischen Haus neben der Gaststätte "Mei Wirtshaus" nicht ausreichen. Über das Gespräch gibt es unterschiedliche Angaben. Einige Stadträte berichten, der Verein habe einen Zuschuss von der Stadt gewollt, um das 1,6 Millionen teure Gebäude zu erwerben. Von bis zu 200 000 Euro sei die Rede gewesen.
"Wie sollen wir uns noch integrieren?"
Andere wie die SPD-Stadträtin Nihan-Serra Yamak sprechen von einem zinsgünstigen Kredit, den sich der Verein gewünscht habe. "Von der Stadt wollten wir eigentlich gar nichts", sagt dagegen Bunyamin Sarac, "außer, dass sie es uns genehmigt". Wie auch immer veröffentlichte die CSU im September ihren Kommentar mit der Überschrift "Kein Ditib-Gebetshaus in Garching-Hochbrück".
Darin führt Lemke aus, dass Ditib Teil der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet sei. Ditib entsende Imame in die deutschen Moscheen, "die oft weder Deutsch können noch ein Interesse haben, sich mit der Kultur und Gesellschaft Deutschlands zu verständigen". Bezahlt würden sie vom türkischen Staat. Viele Ditib-Gemeinden verschrieben ihre Immobilien dem Dachverband und seien so völlig vom Machthaber in der Türkei abhängig. "Das ist das Gegenteil von Integration", schreibt Lemke.
Dagegen wendet sich Hanifi Torun, Vorsitzender des Vereins FC Türk Sport Garching, Mitglied im Integrationsbeirat der Stadt und ebenfalls Beisitzer im Frauenfreundschaftsverein. "Gerade in Garching ist sehr, sehr gute Integrationsarbeit geleistet worden und wird es noch." Er sei schockiert gewesen vom Beitrag der CSU. Seit Jahrzehnten schon bestünden die muslimischen Vereine in Garching und sie hätten immer gut zusammengearbeitet. Viele Muslime engagierten sich ehrenamtlich in der Stadt, betont auch Sarac. "Wie sollen wir uns noch integrieren? Integration geht nur, wenn beide Seiten es wollen." Sarac sieht in Ditib die in Deutschland anerkannte Organisation der Muslime. "Von wo sollen wir uns sonst Imame holen, wenn nicht aus der Türkei?"
Er ist auch verärgert über die Argumentation der CSU, die Kreissparkasse gehöre den Steuerzahlern und trage deswegen eine besondere politische Verantwortung. "Darum sollte es auch keinen Verkauf an eine ausländische, nationalistische politische Einflussorganisation wie Ditib geben", heißt es in dem CSU-Kommentar. "Und wohin sind unsere Steuergelder gegangen, die wir jedes Jahr zahlen?", fragt Sarac. "Wer sind wir eigentlich hier?"
In dieselbe Richtung zielt die Kritik Toruns, der in einem Brief als Türk-Sport-Vorsitzender an die CSU schreibt: "Einige Mitglieder des Stadtrats der Stadt Garching gehören einer Partei an, die in ihrer parteieigenen Zeitung Hetzartikel der hässlichsten Art veröffentlichen. Die Veröffentlichung dieses Artikels ist mit einer freien Meinungsäußerung nicht mehr zu rechtfertigen."
Auch aus der SPD kommt Kritik an Ditib
Er fragt sich, wovor die CSU Angst habe und fährt fort: "Wir alle leben in Deutschland in einem Land mit einer gefestigten Demokratie, mit gesetzesfesten Normen und Regeln." Die türkischen Mitbürger seien es leid, "nur als Menschen auf Abruf zu fungieren". Jürgen Ascherl dagegen betont, in einer Demokratie sei freie Meinungsäußerung erlaubt und der türkische Staatspräsident Erdoğan stehe insbesondere nach den Säuberungen in seinem Land in jüngster Zeit in der Kritik.
Mit ihrer Haltung zu Ditib ist die CSU übrigens nicht allein. Auch die SPD-Stadträtin Yamak sagt klar ihre persönliche Meinung: "Ich glaube schon, Ditib ist der verlängerte Arm Erdoğans." Der Frauenfreundschaftsverein müsse sich jetzt überlegen, ob er mit Ditib zusammenarbeite. "Interreligiöser Dialog ja, Ditib nein", sagt Yamak.
Wie die Diskussion weitergeht, wird sich zeigen, wenn die Vorsitzende des Frauenfreundschaftsvereins Selma Binay aus dem Urlaub zurück ist. Die CSU hat Gesprächsbereitschaft signalisiert. "Ich glaube nicht, dass unsere Türen geschlossen sind", sagt auch Bunyamin Sarac.