Handwerk:Die letzte Wurst

Handwerk: Abschied von der Fleisch- und Wursttheke: Metzgermeister Hermann Karl und seine Frau Rosemarie.

Abschied von der Fleisch- und Wursttheke: Metzgermeister Hermann Karl und seine Frau Rosemarie.

(Foto: Robert Haas)

Der Garchinger Metzger Hermann Karl schließt am Samstag seinen Betrieb. Dass er keinen Nachfolger findet, unterstreicht einen Trend, den die Handwerkskammer in ganz Bayern beobachtet. Sie versucht deshalb, ihre Mitglieder mit Beratung auf eine erfolgreiche Übergabe vorzubereiten.

Von Irmengard Gnau, Garching

Das Schild prangt gut sichtbar an der Tür des Ladengeschäfts an der Münchner Straße 23 in Garching: "Liebe Kunden, leider hat es mit einer Nachfolge nicht geklappt. Daher ist unser letzter Öffnungstag nun endgültig der 28. Januar (Samstag)". Mehr als 53 Jahre lang, seit August 1969, verkaufte die Familie Karl an dieser Adresse Lachsschinken, Regensburger, Fleischpflanzerl und Nudelsalat an ihre Kundschaft aus Garching und von weiter her, das allermeiste davon aus der eigenen Produktion gleich hinter dem Laden. Nun sperrt Hermann Karl seine Metzgerei zu. Leicht fällt es ihm nicht, das hört man ihm an. "Es hilft nix", sagt Karl.

Hermann Karls Eltern haben die Metzgerei in Garching 1969 gegründet, seit 1998 führte der Sohn den Betrieb mit Herstellung und Verkauf fort. Die Familientradition wird nun enden. "Es ist so gut wie unmöglich, eine Nachfolge zu finden", sagt Metzgermeister Karl. "Wir haben es überall versucht, über eine Fachzeitung, über die Fleischerschule, mit dem Angebot einer Beteiligung oder der Übernahme, aber niemand hat sich gemeldet." Auch Karls Kinder wollen den Betrieb nicht übernehmen, sie haben andere berufliche Wünsche, kennen auch die hohe Arbeitsbelastung des Betriebsinhabers aus nächster Nähe. "In Hochzeiten arbeite ich 75 bis 80 Stunden die Woche", sagt Karl. "Da bleibt dir nur noch arbeiten und schlafen, das ist irgendwann nicht mehr zielführend."

Deshalb war es für den 51-Jährigen nun Zeit, die Reißleine zu ziehen. "Man wird ja auch älter", sagt er. Zur hohen Arbeitsbelastung kamen weitere Faktoren, die ihn zu dieser Entscheidung brachten. Kompliziertere Lieferketten; die Unsicherheit, inwieweit sich die drastisch gestiegenen Energiepreise niederschlagen werden auf die laufenden Kosten.

Handwerk: Die Metzgerei Karl in Garching schließt am Samstag nach 54 Jahren.

Die Metzgerei Karl in Garching schließt am Samstag nach 54 Jahren.

(Foto: Robert Haas)

Dazu kommt: Die Kunden gehen zunehmend nicht mehr in die Metzgerei, sondern zur günstigeren Konkurrenz. "Wenn der Kunde seine 200 Gramm Wurst beim Wocheneinkauf im Supermarkt mitnimmt, fehlen die mir. Wir leben vom täglichen Verkauf", sagt Karl. Gerade jetzt, wo das Geld angesichts der Inflation, bei vielen knapper ist, spürten die Metzger, dass wieder mehr Menschen im Supermarkt einkauften, bekräftigt Hubert Gerstacker, Ausbildungswart der Münchner Metzger-Innung. "Unser Alleinstellungsmerkmal als Metzger ist die Qualität - aber die sieht man nicht unbedingt, die schmeckt man erst", sagt Gerstacker. Das Geschäft der Metzgereien nimmt also tendenziell ab, während die Kosten, etwa für Fleisch und Gewürze, steigen.

Bei einer Nachfolge komme hinzu, dass möglicherweise Umbauten an dem bestehenden Betrieb nötig werden, sagt Gerstacker. Und die können teuer werden. Grundsätzlich kämpft das Metzgerhandwerk mit einem Nachwuchsproblem, bei den Meistern wie auch bei den Fachkräften. Es wird zunehmend schwieriger, junge Menschen von einer Ausbildung in dem Beruf zu überzeugen. Aktuell lassen sich im Bereich der Metzger-Innung München, der von Garmisch-Partenkirchen bis nach Erding reicht, knapp hundert junge Frauen und Männer als Metzgerinnen und Metzger ausbilden, etwa 230 sind in der Lehre zu Fachverkäuferin und -verkäufer. Die Zahl ist stabil, aber kein Vergleich zur Menge angehender Mechatroniker oder Bürokaufleute.

"Du gehst morgens in den Laden rein zu deiner Rohware und wenn du abends wieder rausgehst, hängen da die fertigen, schmackhaften Würste"

Die Konsequenz aus all diesen Faktoren: 2022 schlossen in Bayern zahlreiche Metzgereien zu. Gerstacker bedauert das. Er wirbt für seinen Beruf. "Das ist eine Erfahrung, etwas mit den eigenen Händen zu schaffen. Du gehst morgens in den Laden rein zu deiner Rohware und wenn du abends wieder rausgehst, hängen da die fertigen, schmackhaften Würste", sagt der Metzgermeister. Das Handwerk müsse noch kräftiger die Werbetrommel für seine Ausbildungen rühren, um Nachwuchs zu gewinnen und Fachkräfte in den Betrieben zu halten, forderte Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern.

Damit es Betrieben besser gelingt, bei Geschäftsabgabe eine Nachfolge zu finden, bietet die HWK kostenfrei Betriebsberatungen an. Christoph Molocher, stellvertretender Leiter der Abteilung Betriebswirtschaft und Recht, empfiehlt Betriebsleitern, mindestens drei bis fünf Jahre für eine gute Nachfolgeregelung einzuplanen. "Einen Nachfolger zu finden, ist grundsätzlich momentan nicht einfach", sagt er. "Wir haben einen Fachkräftemangel, zudem stehen in Oberbayern in den nächsten fünf Jahren etwa 8200 Betriebe zur Übernahme an." Um Übergabewillige und mögliche Nachfolger zusammenzubringen, betreibt die HWK digital eine bayernweite Betriebsbörse. Daneben bietet die Kammer an, kostenfrei den Unternehmenswert für Verhandlungen zu ermitteln und Übergebende wie Übernehmer bei Finanzierungsfragen zu unterstützen, von der Organisation von Darlehen bis hin zu Fragen der Altersvorsorge.

Metzger Karl aus Garching will künftig seine Arbeitsstunden reduzieren, womöglich bei einem Kollegen einsteigen. Noch bis einschließlich Freitag aber wird er mit seinen Mitarbeitern seine frischen Fleisch- und Wurstwaren herstellen und sie bis Samstag verkaufen. Danach bleiben Kunden in Garching noch die Metzgerei Stadler und die Vinzenzmurr-Filiale.

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