Garching:Eltern bangen weiter um Betreuungsplätze

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Die "Wichtelakademie" gibt den Betrieb der Kita auf dem Forschungscampus Garching zum Herbst 2023 auf. Knapp 100 Betreuungsplätze drohen verloren zu gehen. (Foto: Catherina Hess)

Auch ein Antrag der Grünen im Landtag bringt keine Rettung für die 86 Kita-Plätze auf dem Forschungscampus. Max-Planck-Gesellschaft, Institute und Politik schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.

Von Irmengard Gnau, Garching

Die Familien der in der "Wichtelakademie" auf dem Forschungscampus Garching betreuten Kinder müssen weiter um den Fortbestand ihrer Betreuungsplätze bangen. Bislang hat sich noch keine Lösung herauskristallisiert, wer die Einrichtung, die zum Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) gehört, mit ihren knapp 100 Plätzen von September an übernehmen wird. Die Wichtelakademie hatte nach neuen Ausschreibebedingungen des IPPs angekündigt, den Standort nicht weiter betreiben zu wollen. Vor allem die Eltern drängen auf eine Einigung. "Es ist notwendig, jetzt eine Lösung zu finden", sagt Edda Kloppmann vom Elternbeirat.

Inzwischen haben sich, auch auf Initiative des Elternbeirats hin, mehrere Politiker in die Debatte eingeschaltet. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler fordert etwa mit Fraktionskollegen, die bayerische Staatsregierung solle sich für den Erhalt der Kitaplätze einsetzen und mittelfristig die nicht mehr zeitgemäßen Gebäude renovieren. Schließlich, so die Argumentation, werde das Institut mit mehr als sechs Millionen Euro im Jahr durch Steuergelder mitfinanziert. Der Antrag wurde im Wirtschaftsausschuss des Landtags allerdings mehrheitlich abgelehnt, etwa mit dem Verweis, die Kommunen seien für die Kinderbetreuung zuständig.

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Die Stadt Garching hatte grundsätzlich ihre Bereitschaft erklärt, in der Not und für den Übergang als Betreiber der Kita einzuspringen. Allerdings scheitert eine Übernahme unter anderem daran, dass die Kommune nicht die nötigen Pädagoginnen und Pädagogen findet. Daher bemüht sich die Stadt parallel, zumindest für die 33 Kita-Kinder, die in Garching wohnen, Kapazitäten in anderen städtischen Einrichtungen zu schaffen. Die übrigen der insgesamt 86 Plätze sind von Kindern belegt, deren Eltern anderswo leben und zum Arbeiten nach Garching kommen. Für eine Dauerlösung sieht die Stadt daher die Forschungsinstitute in der Pflicht. So besuchten zuletzt acht Kinder von Mitarbeitern der Technischen Universität München (TU) die Tagesstätte. Die übrigen Plätze verteilten sich auf das IPP (elf Kinder), die ESO (elf Kinder), weitere Forschungsinstitute auf dem Campus sowie 27 externe Kinder, deren Eltern bei anderen Arbeitgebern in Garching oder München beschäftigt sind.

Forscher, die international konkurrieren wollen, brauchen eine Betreuung für ihre Kinder

Dass die Kita auf dem Campus erhalten bleibe, sei elementar, betont Elternbeiratsmitglied Kloppmann: "Vollzeitarbeit in der Wissenschaft ist praktisch nicht möglich, wenn die Kinderbetreuung nicht direkt am Arbeitsort liegt." Flexible Einstiegs- und lange Öffnungszeiten, wie sie die private Wichtelakademie anbietet, seien zudem wichtig, um den Standort für Gastwissenschaftlerinnen attraktiv zu machen. "Ein Forschungscampus, der international konkurrieren will, braucht eine funktionierende Kinderbetreuung", sagt Kloppmann.

Der Elternbeirat wünscht sich in der Sache mehr Einsatz vom IPP wie auch von der übergeordneten Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft. Das IPP verweist seinerseits auf die Generalverwaltung, diese sei für die Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Kinderbetreuung zuständig. Die Generalverwaltung wiederum zeigt auf die Kommunen: Kinderbetreuung sei kommunale Aufgabe. Die Steuergelder, welche die Max-Planck-Institute von Bund und Ländern erhielten, würden zugewiesen, um Forschung zu fördern. "Das ist unser satzungsgemäßer Auftrag", erklärt Pressesprecherin Christina Beck. "Damit ist der Eigenbetrieb einer Kita für die MPI nicht möglich, sondern muss extern ausgeschrieben werden."

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In der Vergangenheit habe das IPP dieses getan, weil Kinderbetreuung ein wesentliches Element sei, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. In Zukunft will die Max-Planck-Gesellschaft aber nicht mehr allein die Betreuung stemmen. "Angesichts der Tatsache, dass über die Hälfte der Plätze in der bisherigen Kinderbetreuungseinrichtung durch Mitarbeitende anderer Arbeitgeber in Garching belegt wurden, wird auch offensichtlich, dass es sich hier nicht um ein singuläres Problem der Max-Planck-Gesellschaft beziehungsweise des IPP handelt. Insofern muss eine Lösung durch alle Betroffenen am Standort im Verbund mit der Kommune erreicht werden", so Beck. Sie verweist auf begrenzte finanzielle Spielräume der Gesellschaft, gerade mit Hinblick auf nötige Sanierungs- oder gar Neubauarbeiten.

Die Stadt Garching versucht nun intensiv, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen. Er habe Gespräche mit der TU geführt, sagt Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD). Sie soll mit den weiteren Forschungsinstituten am Standort - der Eso, den vier Max-Planck-Instituten, den beiden Fraunhofer-Instituten wie auch Einrichtungen der LMU - eine Lösung für den ganzen Forschungscampus erarbeiten. Die Eltern hoffen, dass es für sie und ihre Kinder noch nicht zu spät ist. "Es muss doch eine rechtliche Möglichkeit geben, eine gemeinsame Lösung zu finden", sagt Kloppmann. An anderen Forschungsstandorten in Deutschland sei es schließlich auch möglich, Betreuungsplätze anzubieten.

In einer früheren Fassung des Textes war von 45 Kinder von Mitarbeitern der Technischen Universität München (TU) die Rede, die die Tagesstätte besuchen. Diese Zahl ist veraltet, laut Angaben aus dem Februar sind es nur noch acht Kinder.

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