Süddeutsche Zeitung

Garching:Wenn der Stromausfall zur Katastrophe führt

Bei der Großübung "DarkEx 2019" simulieren Retter in Hochbrück ein Zugunglück, das aus einem technischen Defekt resultiert. Nicht immer läuft der Einsatz optimal.

Von Andreas Sommer

Verletzte, Glassplitter, verbogenes Metall. Wenig später: Martinshörner. Die Freiwillige Feuerwehr von Hochbrück trifft als erstes an der Unfallstelle an der Ingolstädter Landstraße zwischen den Gewerbegebieten von Unterschleißheim und Hochbrück ein, 13 Minuten, nachdem der Notruf abgesetzt wird. Was sie sehen, ließe wohl allen Rettungskräften einen kalten Schauer über den Rücken laufen, wenn die ganze Szenerie nicht Teil der Katastrophenübung "DarkEx 2019" wäre: Ein Personenzug hat auf einem Bahnübergang einen Reisebus erfasst. Doch was war passiert?

In großen Teilen des Landkreisen ist seit mehreren Stunden der Strom ausgefallen, so das Szenario. Was bei einem geringen Zeitraum für die meisten nur ein lästiges Ärgernis ist, kann unter Umständen zu einer Katastrophe führen. Wenn beispielsweise die Schranken eines Bahnübergangs nicht mehr schließen, obwohl eine S-Bahn heranrauscht. Bei der Katastrophenübung wurde dieser Fall nachgestellt und die Koordination aller verfügbaren Rettungs- und Hilfsorganisationen für den Ernstfall geprobt.

Feuerwehrleute vor allem aus den nahen Gemeinden Unter- und Oberschleißheim sowie aus Garching und Sanitäter verschiedener Organisationen sollten mit dem Landratsamt und der Polizei Hand in Hand arbeiten und so die Folgen des gestellten Unglücks möglichst gering halten. 37 Verletzte galt es aus dem Reisebus zu bergen, der in der Szene gerade auf dem Weg nach Hamburg war. 44 weitere saßen in dem S-Bahn-Waggon. Für fünf Menschen würde jede Hilfe zu spät kommen.

Die Mimen, welche die unterschiedlich schwer Verletzten darstellen, haben häufig Spezialaufträge, um ihre Retter weiter zu fordern, dazu kam der zeitweise heftige Regen. "Lassen Sie mich los, meine Katze hat Hunger!", brüllt eine junge Frau, die einen Schock simuliert, den Feuerwehrmann an. Andere könnten, ebenfalls unter Schock stehend, die Unfallstelle verlassen haben. Um diese Personen ausfindig zu machen, testeten die Rettungskräfte zwei verschiedene Maßnahmen, erklärt Gerhard Bieber, Pressesprecher des Regionalverbands der Johanniter.

Zum einen die Rettungshundestaffel, die schon durch die angrenzenden Wälder streifte, und zum anderen zwei Drohnen, die mit gewöhnlichen Kameras, aber auch mit Wärmebildkameras ausgestattet werden können. Neben der Suche nach vermissten Personen könne man zudem mit den Flugobjekten die Lage besser sondieren als vom Boden aus. So können Lagepläne erstellt, Gefahrenpotenziale oder auch die optimalen Anfahrtswege für Rettungsfahrzeuge ausgemacht werden.

Die Retter kommen nur schwer zur Unfallstelle

Die Anfahrt der Notfallsanitäter verläuft nicht glatt, das war nicht geplant. Ein Fahrzeug der Feuerwehr, mit dem ein zweiter Zugang zu dem Bus über dessen Heckscheibe gelegt wurde, blockiert auf der einen Seite der Schienen die Straße. Die Kolonne der Rettungswagen muss bis zum nächsten Bahnübergang fahren, um an die Unfallstelle heranzukommen.

Das braucht Zeit, die in Notfällen über Leben und Tod entscheiden kann. Das weiß auch Bieber. Es habe noch weitere Schnittstellen besonders zwischen den Einsatzteams gegeben, die noch ausbaufähig seien. Auch wenn in einer realen Notsituation schneller Rettungssanitäter vor Ort gewesen wären, da diese im Ernstfall automatisiert gerufen würden, habe das wertvolle Zeit gekostet. In der kommenden Woche werde man die Ergebnisse auswerten und an einigen Details feilen. Nichtsdestotrotz war Bieber insgesamt mit dem Verlauf dieser mit großem Aufwand verbundenen Übung zufrieden.

Details, die man nicht vorausplanen oder verhindern kann, gibt es allerdings bei jedem Einsatz. Was alles an Ungeplantem dazwischenkommen kann, spürte Übungsleiter Peter Zehentner vom Arbeiter-Samariter-Bund am eigenen Leib: Er verschluckte eine Wespe, die ihn glücklicherweise jedoch nicht stach. Falls es doch einmal zu einer tatsächlichen Verletzung während einer Übung kommen sollte, kennen alle der etwa 450 Beteiligten das Codewort "Realeinsatz".

Um das tatsächliche Verletzungsrisiko gering zu halten, hat man sich für eine Bahnstrecke ohne Oberleitung entschieden, die nur selten befahren wird. Geschieht ein Unfall auf den Gleisen, so muss die Strecke freilich sofort gesperrt werden, um einen Auffahrunfall zu verhindern. Die Koordination solcher Aufgaben ist in Katastrophenfällen enorm wichtig. Bevor tatsächlich den Verletzten geholfen werden kann, muss die Unfallstelle gesichert und eine angemessene Zahl von Rettungskräften angefordert werden.

Nachdem die Verletzten geborgen wurden, ging es für die Nicht- oder nur Leichtverletzten in eine provisorische Betreuungsstelle bei Garching, ebenfalls Teil des Szenarios. Hier werden nicht nur die Beteiligten des Verkehrsunfalls betreut, auch Bürger, die aufgrund des Stromausfalls in Notunterkünften Schutz, Nahrung und Informationen bekommen sollten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4592620
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.09.2019/wkr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.