Forschung:Nervenzellen bleiben im Zoll hängen

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Die Studierenden Tobias Weinert, Marie Pruckner und Patrick Gerkamp (von links) freuen sich über die Rückkehr ihres Versuchsaufbaus. (Foto: Florian Peljak)

Studierende der TU München haben ein Experiment auf die Internationale Raumstation geschickt, mit dem die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den Alterungsprozess untersucht werden. Bei der Rückkehr gab es ein kleines Problem.

Von Narisara Behrends, Garching

Selbst Reisende aus dem Weltall müssen mit den Tücken der deutschen Bürokratie rechnen - und seien sie noch so klein. Ursprünglich wurde die Ankunft der Nervenzellen von der Internationalen Raumstation (ISS) bereits im April dieses Jahres in Garching erwartet; doch stattdessen blieb die Fracht nach ihrer Rückkehr unerwartet mehr als einen Monat lang beim Zoll auf der Erde hängen. Nun aber ist der Versuchsaufbau zurück, den Studierende der Technischen Universität München und der Wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft für Raketentechnik und Raumfahrt (WARR) vergangenen März zur Alters- und Demenzforschung zur internationalen Raumstation ISS geschickt haben.

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Zuvor hatten sie im Dezember 2021 beim "Überflieger-2-Wettbewerb" des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Luxembourg Space Agency (LSA) überzeugt und erhielten anschließend die Möglichkeit, ihr Projekt auf der ISS zu realisieren. Am 6. Juni feierte das Team nun die erfolgreiche Rückkehr seines Experiments Addonis (Ageing and Degenerative Diseases of Neurons on the ISS) .

Nach der Ankunft auf der Erde wurde am Experiment etwas Schimmel festgestellt. (Foto: Florian Peljak)

Die Daten von Addonis sollen der Wissenschaft künftig Erkenntnisse über die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf den Alterungsprozess menschlicher Zellen liefern. Zu diesem Zweck wurden im vergangenen März sechs neuronale Zellkulturen auf einer Platte mit elektrischen Leitern platziert, um das Wachstum und die Aktivitäten der Zellen im Weltraum erfassen zu können. Ein integriertes Heizsystem hielt die Zelltemperatur beim Aufenthalt in der Weltraumstation konstant, während ein autonomes Pumpsystem die Nervenzellen in regelmäßigen Abständen mit Nährstoffen versorgte. Eine integrierte Kamera überwachte den gesamten Prozess.

Die verwendeten Nervenzellen stammen aus den Siebzigerjahren und wurden damals von einem Kleinkind isoliert. Zu einer Zelllinie weiterentwickelt, werden sie für unterschiedliche Projekte zu Forschungszwecken genutzt.

Die Zellkammern mit Elektroden befinden sich auf Glasplatten. (Foto: Florian Peljak)

Die Hälfte der Nervenzellen wurden mit Beta-Amyloid angereichert, einem Protein, das unter anderem bei degenerativen Erkrankungen wie Alzheimer vorkommt. Dabei kam es zu einem Problem: Das hinzugefügte Protein verändert seine Struktur im Laufe der Zeit. "Das bereitete uns zunächst Schwierigkeiten, da es sich negativ auf unsere Ergebnisse ausgewirkt hätte", erklärt Marie Pruckner, Vorstand der WARR. Aus diesem Grund entwickelten die Studierenden eine Methode, um das Protein getrocknet zur ISS zu transportieren und sicherzustellen, dass es erst im Weltraum in seinen flüssigen Zustand übergeht.

"Wir konnten das Experiment nicht mehr von der Erde aus beeinflussen"

Vor allem die Erledigung des Experiments sei für vergleichbare Projekte ungewöhnlich, da die Daten direkt und autonom auf der Raumstation analysiert wurden. "Wir konnten das Experiment nicht mehr von der Erde aus beeinflussen", betont Pruckner.

Da einige Effekte des Alterungsprozesses im Weltraum beschleunigt ablaufen, möchten die Studierenden mit ihrem Experiment erforschen, ob sich bestimmte Aspekte degenerativer Erkrankungen in Zukunft möglicherweise effektiver im Weltraum als auf der Erde untersuchen lassen, um Fortschritte in der Medikamentenentwicklung zu erzielen. Zudem soll das Experiment mehr Klarheit über die Auswirkungen der Raumfahrt auf den Menschen geben.

Man werde frühestens in zwei Wochen mit der Auswertung von Addonis beginnen können. Das zurückgekehrte Objekt mit den Nervenzellen, müsse nämlich vorerst in Quarantäne gesteckt werden. Es sei ein Leck aufgetreten und anschließend habe sich an einer Stelle Schimmel gebildet. "Nur zur Sicherheit. Aber wir gehen davon aus, dass es sich um ganz normalen Haushaltsschimmel handelt, der sich beim langen Zollaufenthalt gebildet haben muss", sagt Pruckner.

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