Süddeutsche Zeitung

Garching:Schule erinnert an Max Mannheimer

Um eine persönliche Auseinandersetzung mit dem Erbe ihres Namensgebers zu ermöglichen und dieses zu pflegen, richtet die Max-Mannheimer-Mittelschule einen Erlebnisraum ein. Zutritt haben alle Garchinger.

Von Irmengard Gnau, Garching

Als Sandra Gruber selbst noch Schülerin war, führte Max Mannheimer ihre Klasse des Gymnasiums Freising einmal durch die Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Dachau. Wie anschaulich und zugleich ohne Schuldzuweisungen der Holocaust-Überlebende Mannheimer den Jugendlichen damals von den grausamen Taten der Nationalsozialisten und seinem eigenen Erleben der NS-Zeit erzählte, hat Gruber tief beeindruckt. Als sie Anfang dieses Schuljahres die kommissarische Leitung der Max-Mannheimer-Mittelschule in Garching übernahm, war es ihr deshalb ein besonderes Anliegen, das Erbe dieses großen Namensgebers zu pflegen. Dafür hat die Schule nun ein ambitioniertes Projekt gestartet.

Sie will einen eigenen Raum einrichten, der ganz dem Leben und Wirken des 2016 verstorbenen Max Mannheimer gewidmet ist. Der Raum soll jedoch kein Museum sein, sondern vielmehr ein Raum des Erlebens, der persönlichen Auseinandersetzung mit dem Erbe des Holocaust-Überlebenden sein. "Uns ist wichtig, dass wir nicht nur Max-Mannheimer-Schule heißen, sondern dass wir die Gedanken und Themen, für die Max Mannheimer steht, leben und weitergeben", sagt Gruber. "Wir wollen unsere Schülerinnen und Schüler und alle anderen sensibilisieren für Rechtsradikalismus und Antisemitismus."

Max Mannheimer wurde 1920 als das erste von insgesamt fünf Kindern einer jüdischen Kaufmannsfamilie im mährischen Neutitschein in der damaligen Tschechoslowakei geboren. Als die NS-Diktatur in Deutschland erwuchs und 1938 das Sudetenland an das Deutsche Reich angeschlossen wurde, erfuhr Mannheimer die geballte antisemitische Gewalt. Er wurde mit seiner Familie verfolgt und ins Konzentrationslager deportiert, wo er Zwangsarbeit leisten musste; nach Stationen in Theresienstadt, Auschwitz und Warschau kam Mannheimer 1944 in das KZ Dachau. Mit seinem jüngeren Bruder Edgar war er der einzige der Familie, der diese Zeit überlebte und 1945 von den US-Amerikanern befreit wurde. Die traumatischen Erfahrungen quälten ihn lange. Als einen Weg der Schmerzenslinderung entdeckte Mannheimer die Kunst; seit den 1950er-Jahren malte er unter dem Künstlernamen "Ben Jakov", Sohn des Jakobs.

Mitte der 1980er-Jahre machte Max Mannheimer es zu seiner Lebensaufgabe, öffentlich gegen Rechtsradikalismus und Antisemitismus zu kämpfen und wurde zu einer zentralen Instanz im Erinnerungsdiskurs. Unermüdlich engagierte er sich als Zeitzeuge für die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus. Dabei verstand er sich als Zeitzeuge im wahrsten Sinne des Wortes, nie als Ankläger oder Richter. "Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon", gab Mannheimer den jüngeren Generationen in seinen zahllosen Auftritten an Schulen mit auf den Weg.

2018 hat die Garchinger Mittelschule seinen Namen angenommen, als erste Mittelschule in Deutschland. Die Schulfamilie hat sich intensiv mit Mannheimers Leben und Wirken auseinandergesetzt und sich gerade als Schule mit Schülerinnen und Schülern aus vielen verschiedenen Herkunftsländern und kulturellen Hintergründen bewusst für Mannheimer entschieden. Diese Auseinandersetzung soll in dem neuen Raum noch stärker erlebbar werden. Mit Hilfe von Hochleistungsprojektoren soll der Raum zu einer Art interaktiver Plattform werden, in die auch Inhalte, die Schülerinnen und Schüler selbst erarbeiten, immer wieder einfließen. Schulleiterin Gruber denkt zudem etwa an Rollenspiele, welche die Effekte von Propaganda und Diktatur erfahrbar machen. "Mit Kopf, Herz und Hand lernen Schüler besser als nur aus einem Buch", sagt sie.

Der Raum soll darüberhinaus allen Garchingern und Interessierten offenstehen. Für die technische Umsetzung zeichnet die Perplex GmbH verantwortlich, die bereits das Corporate Design für die Max-Mannheimer-Schule entwickelt hat. Damit der Erlebnisraum das erwünschte "Leuchtturmprojekt" wird, sucht die Schule nun finanzielle Unterstützer. Man wolle, sagt Geschäftsführer Stefan Marshall, an Garchinger Unternehmen, aber etwa auch an den Zentralrat der Juden herantreten.

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SZ vom 07.07.2021
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