Wer die schwere Tür zum Maker Space aufschiebt, der wird von emsiger Geschäftigkeit empfangen. Der Laser-Cutter klackt. Vor einer Reihe bunter 3D-Drucker unterhalten sich zwei junge Männer über ihre Projekte. Eher Hardware oder Software-orientiert? Aha, interessant. Vielleicht ergibt sich da eine Zusammenarbeit? An den Arbeitstischen im hinteren Teil der Werkstatt wird gelötet, gefädelt, skizziert und wieder verworfen. Ein Mann mit zwei etwa 2,30 Meter langen Holzleisten unter dem Arm öffnet die Tür, grüßt kurz und schlurft in Richtung der Holzbearbeitungsräume.
Wenn Philip Flavio über den Maker Space spricht, kann er das Schwärmen in seiner Stimme kaum unterdrücken. Seit drei Jahren lebt der 31-Jährige im Landkreis, in Grünwald, und hat über seinen Arbeitgeber BMW das offene Werkstatt-Angebot auf dem Forschungscampus in Garching kennengelernt. Seither verbringt er auch privat öfter seine Zeit im Maker Space, um dort am Lasercutter oder der CNC-Holzfräse eigene Stücke zu bauen. "Ich bastele auch so zuhause gerne, aber im Maker Space hat man einfach ganz andere Möglichkeiten", sagt Flavio. 2015 hat der Maker Space eröffnet, der sich selbst eine "Prototypen-Werkstatt" nennt, aufgebaut und finanziert von der Unternehmer-TUM GmbH, einem Gründungs- und Innovationszentrum, dem BMW-Eigentümerin Susanne Klatten vorsteht.
Auf 1500 Quadratmetern finden kreative Geister, Bastlerinnen und Techies dort beinahe alles, was das Herz begehrt, zumindest in Sachen Hightech-Maschinen: Schweißen, Löten, Drehen, Sägen, Oberflächen veredeln, Formen drucken und scannen, individuelle Platinen bauen, an Materialien von Kunststoff bis Metall und Keramik, all das ist hier möglich, für Privatleute ebenso wie für Studierende, Start-ups oder gestandene Firmen. Ein Gewächshaus für Ideen.
Werkstatt als Freizeitangebot
So eines möchte Flavio auch in seinem Wohnort Grünwald initiieren, auch wenn er damit zunächst nicht durchgedrungen ist. "Der Erfahrungsaustausch im Maker Space ist sehr wertvoll, man inspiriert sich dort auch gegenseitig. Man läuft einmal durch die Werkstatt und hat am Ende zehn neue Ideen", sagt er. Eine solche öffentlich zugängliche Werkstatt würde auch das Grünwalder Freizeitangebot bereichern, findet der 31-Jährige. Freilich hätte die Werkstatt in Grünwald eine andere Dimension als jene in Garching, da macht sich Flavio keine Illusionen. Werkbänke, eine gute Grundausstattung an Werkzeugen und einige ausgewählte größere Maschinen an einem geeigneten Ort, das wäre seine Vorstellung. "Der Zweck ist ja, dass man sich einfach mal ausprobieren kann und eigene Ideen verwirklichen, auch als Mieter, der daheim vielleicht keine Garage zum Basteln hat." Außerdem könnten sich Bürgerinnen und Bürger bei Repair-Cafés gegenseitig helfen, kaputte Elektro- und sonstige Geräte wieder instandzusetzen.
Der Maker Space denkt da ein paar Nummern größer. Gerade hat eine zweite Werkstatt im Munich Urban Colab im neuen Kreativquartier am Leonrodplatz in München eröffnet. In Garching liegt der Fokus darauf, Neugründern den Weg zu ebnen, um ihre Ideen auch wirklich auf den Markt zu bringen. "Wir wollen es möglich machen, schnell Prototypen zu entwickeln, um etwas vorzeigen zu können", sagt Jasmin Eigemann von Unternehmer-TUM. Zum Kosmos des Maker Space gehören deshalb neben den Werkstätten auch Workshops, Austausch-Veranstaltungen und Wettbewerbe, Coachings und die Verknüpfung mit Firmen. Einige heute erfolgreiche Unternehmen haben dort ihren Anfang genommen.
Das Team des "Hyperloop"-Projekts der TU München etwa hat im Maker Space jahrelang an seinen Kapseln gebaut; das "Curveboard" wurde in Garching entwickelt ebenso wie der vollautomatisierte Gewächsschrank von Agrilution oder das Trinkflaschensystem "Air up". An der CNC-Holzfräse schneidet Wesley Fourie gerade ein Surfbrett zu. Der gebürtige Südafrikaner will mit seiner Firma "Furi Kiteboarding" und nachhaltig hergestellten Surfbrettern den Durchbruch schaffen. Im Maker Space findet er alles, was er braucht, um an neuen Prototypen zu feilen. Fehlende Maschinen hielten viele Entwickler zurück, sagt Fourie aus eigener Erfahrung.
In Grünwald findet dieser Appell allerdings bislang kein Gehör. Der Verwaltungsausschuss des Gemeinderats lehnte Flavios Antrag auf Einrichtung einer öffentlichen Werkstatt, den er bei der Bürgerversammlung eingebracht hatte, am Dienstag mit acht zu vier Stimmen ab. Die Begründung: Eine Werkstatt wie der Maker Space passe in eine Universitätsstadt wie Garching, für Grünwald aber sei das Projekt zu groß. Um eine vergleichbare Werkstatt wie in Garching zu eröffnen, müsste die Gemeinde aus Sicht der Verwaltung eine GmbH gründen und Personal einstellen.
Ein Missverständnis, sagt Flavio. Der Garchinger Maker Space wird zwar professionell geleitet und hat etwa ein Dutzend feste Mitarbeiter; Privatpersonen können sich eine Mitgliedschaft und damit Zugang zu den Werkstätten kaufen. Für Grünwald hingegen denkt der 31-Jährige in wesentlich kleineren Dimensionen: Dort könnte die Werkstatt über ein festes Team von Ehrenamtlichen organisiert werden, die Öffnungszeiten erst einmal auf das Wochenende beschränkt sein, so Flavios Idee.
Auch das Münchner Fablab unweit der Donnersberger Brücke, eine kleinere freie Werkstatt, wird seit 2010 erfolgreich von Ehrenamtlichen in einem Verein organisiert. Er selbst würde sich für ein Betreuerteam zur Verfügung stellen, sagt Flavio. "Und ich bin überzeugt, weitere Helfer würden sich finden lassen." Er habe nach der Bürgerversammlung einige positive Rückmeldungen von Nachbarn erhalten. Von der Gemeinde wünscht sich der Antragsteller eine passende Räumlichkeit, einen hellen, abschließbaren Raum, womöglich im Haus der Begegnung oder im Jugendzentrum. Außerdem könnte die Gemeinde die Grundausstattung bezahlen oder Firmen werden als Sponsoren geworben.
Aufgeben will Flavio seine Idee jedenfalls nicht. Im Gegenteil. Über den Stammtisch der FDP möchte er mehr Grünwalder für das Projekt interessieren und Missverständnisse aufklären. Vielleicht gibt es in Grünwald so doch noch bald eine Werkstatt für neue Ideen.