Der Forschungsreaktor FRM II der Technischen Universität (TU) München in Garching darf auch in Zukunft mit hoch angereichertem Uran betrieben werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München hat am Mittwoch eine Klage des Bundes Naturschutz in Bayern (BN) gegen den Weiterbetrieb abgewiesen. Eine detaillierte Begründung der Entscheidung liegt noch nicht vor. Mit der schriftlichen Urteilsbegründung sei vor allem wegen der Komplexität des Klageverfahrens erst in den nächsten Monaten zu rechnen, heißt es in einer am Mittwoch verbreiteten Mitteilung des VGH. Der 22. Senat hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Als Rechtsmittel gegen die Entscheidung kann der BN aber eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zum Bundesverwaltungsgericht einlegen, sobald den Beteiligten die schriftliche Urteilsbegründung zugestellt wurde.
Der Bund Naturschutz wollte mit seiner Klage verhindern, dass der Betrieb des FRM II mit hoch angereichertem Uran wieder aufgenommen wird, wie es die Technische Universität im Laufe des nächsten Jahres plant. Die Anlage auf dem Garchinger Forschungsgelände steht seit März 2020 nach einer Panne aus technischen Gründen still.
Bei der TU herrscht erwartungsgemäß Erleichterung über das Urteil: In einer Pressemitteilung der Universität wird der Wissenschaftliche Direktor des FRM II, Christian Pfleiderer, mit den Worten zitiert: „Damit kann diese für Wissenschaft und Medizin weltweit einzigartige Anlage weiter betrieben werden.“ Auch Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) begrüßt laut TU die Entscheidung des Gerichts: „Das ist eine Entscheidung für die Wissenschaft und gegen Ideologie.“
Die Grünen-Landtagsabgeordneten Claudia Köhler und Markus Büchler nennen die Entscheidung des Gerichts dagegen eine Enttäuschung und untermauern ihre Forderung, dass die Forschung mit atomwaffenfähigem Material politisch gestoppt werden müsse. „Im Bemühen um eine friedlichere Welt und gegen die Verbreitung von Atombombenmaterial schadet der Betrieb des FRM II“, so Köhler in einer Pressemitteilung der beiden Abgeordneten. „Die TUM und die CSU-Staatsregierung halten die Welt seit Jahrzehnten hin, anstatt das Problem endlich politisch zu lösen.“
Die Grünen stünden zwar zur Neutronenforschung, aber nicht mit diesem „hochproblematischen Brennstoff“. Deshalb fordern Köhler und Bühler die CSU auf, den Garchinger Forschungsreaktor nicht mehr anfahren zu lassen, bis die Anlage auf niedrig angereichertes Uran umgerüstet sei. Die Grünen-Politiker aus dem Landkreis München hoffen nach eigenen Angaben sehr, „dass der Bund Naturschutz alle weiteren Rechtsmittel nutzt“.
Ob dies der Fall sein wird, hängt laut dem BN von der ausstehenden schriftlichen Urteilsbegründung ab. Dass der Forschungsreaktor nach der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs „entgegen internationaler Bemühungen, schwächer angereichertes Uran als Kernbrennstoff einzusetzen, weiterbetrieben werden“ dürfe, ruft bei den Naturschützern großes Bedauern hervor. Sie sehen sich durch die Klage aber auch bestätigt. „Einen Erfolg hatte dieses Gerichtsverfahren bereits jetzt: Das Umweltministerium hat angekündigt, zu Beginn der 2030er-Jahre auf einen Umbau des Reaktors und eine Verwendung geringer angereicherter Brennstoffe hinzuwirken“, so BN-Geschäftsführer Peter Rottner.
Der Forschungsreaktor wurde 2004 als eine der wichtigsten Neutronenquellen Europas für Forschung, Medizin und Industrie in Dienst gestellt. Kernpunkt des Rechtsstreits, der am Montag vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof verhandelt wurde, war eine Auflage in der Betriebsgenehmigung von 2003. Der Betrieb mit bis zu 93 Prozent angereichertem Uran war bis Ende 2010 genehmigt, dann sollte auf maximal 50 Prozent des spaltbaren Uran-235 umgerüstet werden, sobald ein entsprechender Brennstoff zur Verfügung steht. Mangels dieses Brennstoffs lief er bis 2020 mit hoch angereichertem Uran weiter. Deswegen hält der BN den Betrieb seit dem Jahr 2011 für illegal und hatte geklagt.
Der bisher verwendete atomare Brennstoff stammt aus Russland
Die Umweltschützer kritisieren, dass der Reaktor aktuell mit waffenfähigem Material betrieben werde. Das stelle eine erhebliche Gefahr für Umwelt und Menschen in einem so dicht besiedelten Gebiet wie dem Großraum München dar, so die Kläger. Sie führen außerdem an, dass der Brennstoff aus Russland stamme. Die USA hätten eine Lieferung bereits bei der Planung und dem Bau des Forschungsreaktors abgelehnt, Deutschland habe mit dem Projekt „gegen jedwede internationale Vernunft verstoßen“, kritisierte der Anwalt der Naturschützer in der Verhandlung.
Laut einer TU-Sprecherin wurde in jahrelanger, aufwendiger Forschung ein Verfahren entwickelt, sogar komplett auf niedrig angereichertes Uran-235 mit Werten unter 20 Prozent umzusteigen. Ein Weg, den die Betreiber des Forschungsreaktors nach eigenen Angaben mit Nachdruck verfolgen, unlängst wurde mit einer französischen Firma bereits ein Vertrag zur Industrialisierung der Herstellung des neuen Brennstoffs unterzeichnet. 2025 soll der FRM II einen Genehmigungsantrag für die Umrüstung vorlegen. Bis diese jedoch umgesetzt werden kann, dürfte es noch viele Jahre dauern.