Ob der Forschungsreaktor mit dem sperrigen Namen „Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz“, kurz FRM II, in Garching dieses Jahr wieder hochgefahren werden kann, entscheidet sich möglicherweise an diesem Montag. Dann verhandelt der 22. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in München über eine Klage des Bundes Naturschutz (BN) gegen den Freistaat Bayern. Ziel der Klage ist, dass der Freistaat per Atomaufsicht gegen den Betrieb des Reaktors mit hoch angereichertem Uran einschreitet.
Der BN beruft sich in seiner Klage darauf, dass die Betriebsgenehmigung für den Reaktor aus dem Jahr 2003 eine Verpflichtung zur Umrüstung auf Brennelemente mit einem niedrigeren Anreicherungsgrad enthalte; diese hätte demnach spätestens bis zum 31. Dezember 2010 erfolgen müssen. „Dies ist bis heute nicht geschehen und die Bayerische Atomaufsichtsbehörde hat dies auch nie eingefordert“, wirft der BN der Staatsregierung vor. Der Bund Naturschutz hat daher im Mai 2020 Klage eingereicht.
„Wir nehmen es nicht hin, dass der Reaktor in Garching weiterhin mit diesem hochgefährlichen Brennstoff betrieben wird“, erklärt dazu der BN-Vorsitzende Richard Mergner. „Die atomrechtliche Genehmigung ist glasklar und hat einen Betrieb nur bis Ende 2010 erlaubt.“ Mit einer Vereinbarung zwischen dem Freistaat und der Bundesregierung, die einen Weiterbetrieb bis 2018 beinhaltete, habe sich die Staatsregierung einfach über die Regelung hinweggesetzt. Betrieben wird der Reaktor von der Technischen Universität (TU) München.
Juristisch geht es im Kern um die Frage, ob es sich bei der geforderten Umrüstung um eine Inhaltsbestimmung der Genehmigung handelt oder lediglich eine Auflage. Der BN hat dazu ein Gutachten erstellen lassen. Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass das bayerische Umweltministerium als Atomaufsichtsbehörde zwingend hätte einschreiten müssen. Der Freistaat Bayern hält die Fristsetzung dagegen für unwirksam und weist darauf hin, dass es – trotz internationaler Forschungsanstrengungen unter Beteiligung der TU – bisher nicht gelungen sei, einen geeigneten niedriger angereicherten Brennstoff zu entwickeln.
Atomexpertin Karin Wurzbacher sieht dahinter den Versuch, „der Klage Wind aus den Segeln zu nehmen“. Grundsätzlich begrüße der BN es natürlich, wenn die TU „endlich an einem neuen Brennstoff arbeitet“. Aber das könne sich als „trojanisches Pferd“ erweisen, so die Physikerin: „Über Jahrzehnte hat die TU einen Brennstoff mit dieser niedrigen Anreicherung als technisch unmöglich bezeichnet. Für den jetzt propagierten Brennstoff liegt noch keine Qualifizierung vor.“
Der Reaktor ist seit seiner Inbetriebnahme umstritten
So müssten zunächst noch Tests vorgenommen werden, erst danach könne ein Genehmigungsverfahren eingeleitet werden. Schließlich müsste erst noch eine industrielle Fertigungslinie für den Brennstoff aufgebaut werden. „Selbst in dem optimalen Fall, dass die Tests erfolgreich wären und die Genehmigung tatsächlich erteilt werden könnte, ist auch nach offiziellen Angaben frühestens im nächsten Jahrzehnt mit einer Umrüstung zu rechnen“, so Wurzbacher.
Der Reaktor der TU in Garching ist seit seiner Inbetriebnahme in den 1990er-Jahre umstritten. Atomkraftgegner werfen der TU vor, dort entgegen internationaler Bemühungen mit hochgefährlichem, weil atomwaffentauglichem Uran zu arbeiten. Wegen einer Panne ist der Forschungsreaktor seit 2020 nicht in Betrieb. Die TU beabsichtigt allerdings, den Reaktor Ende 2024 wieder hochzufahren – dann wieder mit hoch angereichertem Uran.