550. Geburtstag von Nikolaus Kopernikus:"Hinter jeder zweiten Ecke wartet noch Neuland"

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Eine seltene Konstellation: die vier Planeten Venus, Merkur, Jupiter und Mars (von oben) gemeinsam mit dem Mond, aufgenommen am Paranal in der chilenischen Atacama-Wüste, wo die Europäische Südsternwarte ESO Teleskope betreibt. (Foto: G. Hüdepohl (atacamaphoto.com)/ESO)

Schon seit Jahrtausenden fasziniert der Blick zu den Sternen die Menschen. An der Europäischen Südsternwarte ESO mit Hauptsitz in Garching suchen Astronomen wie Dietrich Baade nach Erkenntnissen im All. Noch heute stützen sie sich dabei auf die Erkenntnisse des großen Gelehrten.

Interview von Irmengard Gnau, Garching

Vor 550 Jahren wurde in der Hansestadt Thorn im Kulmerland, dem heutigen Torun in Polen, Nikolaus Kopernikus geboren. Kopernikus wirkte als Domherr, Arzt und ökonomischer Denker und widmete sein Interesse zudem der Astronomie. Sein Hauptwerk "De revolutionibus orbium coelestium" (zu Deutsch "Über die Umlaufbahnen der Himmelsphären") löste die sogenannte Kopernikanische Wende aus und beeinflusst die Astronomie bis heute, erklärt Astronom Dietrich Baade vom Forschungsverbund Europäische Südsternwarte (ESO) in Garching.

SZ: Herr Baade, Nikolaus Kopernikus hat mit seiner Beschreibung der Heliozentrik unseres Sonnensystems 1543 das Weltbild seiner Zeit auf den Kopf gestellt. Welche Bedeutung haben Kopernikus' Erkenntnisse für die heutige Astronomie?

Dietrich Baade: Das Weltbild damals war nicht wissenschaftlich geprägt, sondern philosophisch und ging davon aus, dass der Mensch im Zentrum steht. Damit hat Kopernikus aufgeräumt. Somit war die Kopernikanische Wende eigentlich für Nicht-Wissenschaftler noch bedeutender als für Wissenschaftler - weil sie den Menschen die eigene Kleinheit aufgezeigt hat. Diese Erkenntnis hat sich immer weiter fortgesetzt: Anfang des 20. Jahrhunderts wurde klar, die Sonne steht nicht im Zentrum der Milchstraße, sondern an deren Rand, und auch die Milchstraße bildet nicht das Zentrum des Universums. Wir Menschen sind also immer weiter an den Rand gerückt. Kopernikus war übrigens nicht der erste oder einzige, der von Heliozentrik ausging, davon spricht beispielsweise schon der Grieche Aristarch von Samos im dritten Jahrhundert vor Christus. Aber erst durch Kopernikus' Arbeit ist dauerhaft in dem Bewusstsein der Menschheit verankert worden, dass die Planeten sich nicht um die Erde, sondern um die Sonne bewegen.

Schon seit Jahrtausenden beobachten die Menschen den Himmel und die Himmelskörper. Was fasziniert uns so an den Sternen?

Wenn man Menschen das Bild einer Spiralgalaxie zeigt, aufgenommen vom Hubble-Teleskop, dann stimmen fast alle überein, dass das schön aussieht - warum ist das so? Wir wissen es nicht sicher. Es ist auf jeden Fall etwas Beeindruckendes, wenn man an einem dunklen Ort in einer klaren Nacht den Sternenhimmel betrachtet. Dazu gibt es auch noch sich bewegende Körper - Sonne, Mond und die bereits im Altertum bekannten Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn, nach denen unsere sieben Wochentage benannt sind. Das hat schon die Babylonier fasziniert. Sie haben damals versucht, wiederkehrende Muster am Himmel zu entdecken, um daraus Ereignisse auf der Erde vorhersagen zu können. Solche Muster gibt es jedoch nicht. Insgesamt ist es wahrscheinlich die Neugier der Menschen, Dinge beschreiben zu wollen und wissen zu wollen: Was ist da? Was steckt dahinter? Und sich dieses Wissen dann zunutze zu machen, denken Sie zum Beispiel an den Kalender.

Der Astronom Dietrich Baade war bis 2016 stellvertretender wissenschaftlicher Direktor der ESO in Garching. (Foto: ESO/)

Mit den Teleskopen und Instrumenten von heute können Forscherinnen und Forscher weiter ins Weltall blicken als je zuvor.

Ja, die Astronomie macht unglaubliche Fortschritte. Weil die Astronomie nicht eigene Experimente macht, sondern das beobachtet, was die Natur uns bietet, sind wir angewiesen auf die technische Weiterentwicklung unserer Forschungsinstrumente. Mit jedem neuen Instrument, das wir einsetzen, entdecken wir neue Dinge. Dabei steht hinter jedem neuen Projekt aber nicht nur eine Erkenntnis, sondern viele. Ich würde sagen, die Astronomie ist eines der wenigen Forschungsgebiete, in dem hinter jeder zweiten Ecke noch Neuland wartet. Kopernikus war da auf sehr viel einfachere Instrumente angewiesen, daher ist sein bahnbrechender und für immer gültiger Neuansatz umso bewundernswerter.

Welche Teile oder Aspekte des Sonnensystems sind zurzeit besonders von wissenschaftlichem Interesse?

Das hängt von den Instrumenten ab, die den Forschenden zur Verfügung stehen. Die Benutzer der Teleskope der ESO beschäftigen sich einerseits viel mit Kometen. Das sind Körper, die von sehr weit weg kommen und sich fast unverändert erhalten haben; aus dem Material, aus dem sie bestehen, hofft man deshalb Rückschlüsse auf die Entstehung unseres Sonnensystems ziehen zu können, das knapp fünf Milliarden Jahre alt ist. Außerdem forschen unsere Gastwissenschaftler an Exoplanetensystemen, das heißt an Planeten, die um andere Sterne oder Sonnen als unsere kreisen. Für diese Forschung greift man eigentlich wieder auf das zurück, was Kopernikus gesagt hat. Zur Zeit von Kopernikus kannte man allerdings nur ein Planetensystem - unseres. Heute haben wir dank der Forschungserkenntnisse der vergangenen Jahre Vergleichsmöglichkeiten. Das heißt, heute können wir anfangen, all die Puzzleteile zu einem großen Bild zusammenzufügen.

Die Europäische Südsternwarte (englisch: "European Southern Observatory", kurz ESO) ist nach eigenen Angaben die führende europäische Organisation für astronomische Forschung. 16 Länder haben sich in der ESO zusammengeschlossen. Die ESO plant, baut und betreibt Sternwarten mit hoch entwickelten Forschungsinstrumenten, die es Astronomen ermöglichen sollen, bedeutende wissenschaftliche Entdeckungen zu machen, darunter das "Very Large Telescope" (VLT) auf dem Berg Paranal in der chilenischen Atacama-Wüste. Als jüngstes Projekt errichtet die ESO derzeit das "Extremely Large Telescope" (ELT), das mit einem Durchmesser von knapp 39 Metern einmal das größte optische Teleskop der Welt sein soll. Hauptsitz der ESO ist in Garching bei München.

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