Garching:Digitales Upgrade für den Heizungskeller

Garching: Dank moderner Komponenten und Messinstrumente wird aus einer bestehenden Heizungsanlage eine digitalisierte Anlage, die den Verbrauch nachvollziehbar macht und steuert.

Dank moderner Komponenten und Messinstrumente wird aus einer bestehenden Heizungsanlage eine digitalisierte Anlage, die den Verbrauch nachvollziehbar macht und steuert.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Gabriele und Hans Joachim Voeller haben ihr Boarding-House in Garching mit Unterstützung des Gebäudetechnik-Spezialisten Caverion energieeffizient ausbauen lassen. Auf dem Bildschirm können die Bewohner bequem ablesen, wie sich die jüngsten Wetterwechsel auf den Energieverbrauch ausgewirkt haben.

Von Irmengard Gnau, Garching

Wenn Hans Joachim Voeller seinen Heizungsverbrauch kontrollieren will, geht er nicht in den Keller, sondern öffnet seinen Laptop. Auf dem Bildschirm kann der Garchinger bequem ablesen, wie sich die jüngsten Wetterwechsel auf die Heizung ausgewirkt haben. Drinnen im Wohnzimmer hat er idealerweise nichts davon bemerkt - da ist es gleichbleibend angenehm.

Wo Gabriele und Hans Joachim Voeller heute in ihrem geräumigen Wohnzimmer sitzen, war einst ein Hof. Als Gabriele Voeller Kind war, nutzte ihre Familie das Gebäude an der Freisinger Landstraße in Garching noch landwirtschaftlich. Die alten Holzbalken hat das Ehepaar beim Umbau 1982 bewusst erhalten, sie erinnern bis heute an die Vergangenheit des Hauses. 1986 kamen zwei Anbauten dazu; heute vermietet Voeller die meisten der insgesamt 31 Einheiten, an Dauermieter, Gewerbetreibende wie die Bar "Jocky's Treff" und zum Teil als möblierte Appartements, oftmals an Gastwissenschaftler der Technischen Universität München (TU), die auf dem Garchinger Forschungscampus arbeiten.

Ihre Gebäude mit technischen Möglichkeiten nachhaltig zu betreiben, dabei Alt und Neu sinnvoll zu verbinden, war dem Ehepaar schon immer wichtig. 2008 beschlossen sie, eine Solaranlage auf dem Dach zu installieren und Glasfaser zu verlegen. Als Garching 2011 die kommunale Geothermiegesellschaft "Energie-Wende Garching" (EWG) in Betrieb nahm, ließen sich die Voellers anschließen. Seither werden die drei Gebäude mit Erdwärme beheizt. "Jetzt machen wir den nächsten Schritt", sagt Hans Joachim Voeller.

Garching: Gabriele und Hans Joachim Voeller vor ihrem Anwesen in Garching mit Andreas Blassy von Caverion (Mitte).

Gabriele und Hans Joachim Voeller vor ihrem Anwesen in Garching mit Andreas Blassy von Caverion (Mitte).

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Technik im Bereich Gebäudeeffizienz hat sich in den vergangenen Jahren immens weiterentwickelt. Gleichzeitig wächst der Druck, klimaschädliche Emissionen zu verringern, und wird langsam, aber sicher auch von politischer Seite verstärkt. Die EU hat jüngst ihre Pläne vorgestellt, wie Gebäude künftig mehr zum Klimaschutz beitragen sollen: Wohnhäuser könnten bis 2030 den Vorgaben der Energieklasse E genügen müssen, im nächsten Schritt der Klasse D. Begleitet wurde diese Ankündigung von mancher Seite mit Polemik und Angstmacherei. Wie aber lässt sich ein älteres Haus, das aus Zeiten stammt, in denen Energieeffizienz noch kein so prominenter Begriff war, sinnvoll umrüsten?

Hier kommen Andreas Blassy und seine Kollegen ins Spiel. Blassy ist Leiter der Abteilung Digitales und Energie bei Caverion, einer Fachfirma für Gebäudetechnik mit Sitz in München. Caverion hat sich unter anderem darauf spezialisiert, durch eine Optimierung der technischen Ausrüstung eines Gebäudes, beispielsweise der Heizanlage, dessen Energieverbrauch zu senken. Als die Firma bei einem Hotel in Garching die Leistung der mit Erdwärme betriebenen Heizung deutlich verbessern konnte, wurde der Geschäftsführer der Garchinger Geothermie (EWG), Christian Maier, aufmerksam. Maier wirbt schon lange dafür, die EWG-Kunden zu motivieren, ihre Heizungen aufrüsten zu lassen, um so die sogenannte Rücklauftemperatur ihrer Geothermie-Anschlüsse, also die Temperatur, mit der das Wasser zurückgeleitet wird in die Heizzentrale und schließlich den Boden, zu senken. Hierfür gilt die einfache Formel: Je niedriger die Rücklauftemperatur, desto besser fällt die Wärmebilanz aus.

Wie die meisten Geothermieanbieter in der Region kann auch die EWG derzeit nicht ihren ganzen Bedarf allein mit der Wärme des Tiefenwassers decken, zu Spitzenzeiten muss mit Erdgas zugeheizt werden. Würde die von der Geothermie ins Haus gebrachte Wärme in jedem Gebäude effizienter genutzt und das Wasser käme mit einer niedrigeren Temperatur zurück, könnte Gas eingespart werden. Außerdem würden auf diese Weise Kapazitäten frei - es könnten also mehr Kunden an das bestehende Netz angeschlossen werden.

Bei Gabriele und Hans Joachim Voeller stieß die EWG mit ihrer Anregung auf offene Ohren. Sie beauftragten die Firma Caverion mit einer Bestandsaufnahme und schließlich mit der Aufrüstung. Dabei sei es für die Experten anfangs wie eine Art Detektivarbeit, sagt Blassy: "Jedes Gebäude ist anders. Es gibt keine Standardlösung. Wir müssen uns immer erst einen Eindruck vor Ort verschaffen." Was ist vorhanden an Heizungspumpen, Wärmepumpen und Schaltkästen, und inwieweit sind diese bereits miteinander verknüpft? In älteren Gebäuden komme die Herausforderung hinzu, dass man mit der vorhandenen Technik und Umgebung arbeiten müsse, sagt Techniker Jens Redlich. "Da braucht es zum Teil technische Tricks."

Neben den Grundkomponenten zählt heute auch eine sichere Internetverbindung zur Ausstattung einer modernen Heizanlage. Die Digitalisierung bringe einige Vorteile, erklärt Bassy. Der Verbrauch lässt sich übersichtlich ablesen, auch über einen längeren Zeitraum hin, um etwa die Gründe für Veränderungen analysieren zu können. Hans Joachim und Gabriele Voeller können selbst am Display in ihrem Heizungskeller oder über die Caverion-Webseite in Echtzeit überprüfen, wie viel Energie sie gerade verbrauchen zum Heizen. Sollten einmal Probleme auftauchen, haben die Techniker außerdem die Möglichkeit, sich aus der Ferne digital in das System zu schalten und Abhilfe zu schaffen - eine möglicherweise weite und umständliche Anreise wird unnötig.

Garching: Am Display der Heizanlage kann Gebäudetechnik-Spezialist Dieter Hintze von Caverion die Temperaturen im Heizkreislauf ablesen und anpassen.

Am Display der Heizanlage kann Gebäudetechnik-Spezialist Dieter Hintze von Caverion die Temperaturen im Heizkreislauf ablesen und anpassen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Digitalisierung sei auch wichtig für die Transparenz ihrer Arbeit, sagt Blassy. "Wir wollen, dass jeder Kunde sieht und versteht, was wir tun." Bei Caverion spüre er deutlich, dass das Interesse der Kunden daran, ihren eigenen Energieverbrauch zu verfolgen, gestiegen sei. Das Ehepaar Voeller aus Garching ist mit dem Ergebnis zufrieden: Die Heizkörper in ihren Häusern sind die alten geblieben, aus ihrem Heizungskeller aber ist Schritt für Schritt eine moderne Heizzentrale geworden. "Für Kunden ist es wichtig, dass diese Überlegungen gut erklärt werden", sagt Hans Joachim Voeller, der selbst im IT-Bereich tätig war. "Irgendwann habe ich realisiert: Da ist High Tech dahinter." Das rechtfertigt auch einen Preis im fünfstelligen Bereich, je nach Haus und Anlage, den Gebäudebesitzer für eine Umrüstung investieren müssen. Unterstützung dabei gibt es vom Bund: Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen großen Topf zur "Bundesförderung für effiziente Gebäude" (BEG) eingerichtet, der sowohl Wohnhäuser, als auch andere Gebäudearten wie auch Einzelmaßnahmen umfasst.

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