Garching:Das Ticken der Charaktere

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Klärendes Gespräch: "Zeitkind"-Vorsitzender Rolf Schönwald mit seinen Kollegen Jutta Roller (hinten), Simone Dirksen und Nikolaus Müller-Weihrich.

(Foto: Zeitkind)

Theaterverein "Zeitkind" inszeniert "Gott des Gemetzels"

Von Kaja Weber, Garching

"Am 3. November um 17.30 Uhr schlug Ferdinand Bruckhardt, elf Jahre, bewaffnet mit einem Stock nach einer verbalen Auseinandersetzung unserem Sohn Bruno Hofrichter ins Gesicht" - so nimmt das Drama seinen - nein, die Tragikomödie ihren Lauf. Zwei Elternpaare sitzen zusammen und möchten den Konflikt zwischen ihren Kindern aus der Welt schaffen, denn "zum Glück gibt es immer noch die Kunst des zivilisierten Umgangs miteinander". Dass manche Gespräche zwischen Erwachsenen aber nur auf den ersten Blick gesitteter ablaufen als eine Prügelei zwischen Jugendlichen, damit beschäftigt sich der Garchinger Musik- und Theaterverein "Zeitkind". Im Oktober bringt er das bekannte Stück "Der Gott des Gemetzels" der französischen Autorin Yasmina Reza im Theater im Römerhof auf die Bühne.

An einem kühlen Sonntag im September kommt die Theatergruppe in der Mittelschule Garching für Proben zusammen. Vor einer grünen Wand sitzen Rolf Schönwald und Jutta Roller - sie verkörpern die Hofrichters - neben den "Bruckhardts" Simone Dirksen und Nikolaus Müller-Weihrich auf bunten Stühlen, vor sich einen kleinen Tisch mit Kuchen. Ihnen gegenüber läuft Regisseurin Stephanie Brack auf und ab, beobachtet die Mimik ihrer Darsteller genau. Neben ihr souffliert Andreas Wagner, den manche Zuschauer vielleicht noch als Pfeife rauchenden Inspektor aus dem Landhauskrimi "Spurlos verschwunden" kennen, den "Zeitkind" im April dieses Jahres inszenierte.

Gerade geht es darum, wie weit Dirksen die fröhliche Art ihrer Rolle ausreizen kann, bis es aufgesetzt wirkt. Im Dialog der Schauspieler wechselt sich höfliches Geplänkel - ach was, die geheime Zutat im Strudel der Hofrichters sind Lebkuchenkrümel, wieder was gelernt - mit unangenehmer Stille und großen Emotionen ab: "Mein Sohn hat Ihren Sohn nicht entstellt!" Rollers und Müller-Weihrichs Charaktere befeuern dabei immer wieder die Diskussion, während Dirksens und Schönwalds Rollen versuchen, zu beschwichtigen. "Wo waren wir?", fragt Müller-Weihrich einmal. "Dass es schöner wäre, wenn wir uns unter anderen Umständen kennen gelernt hätten", erwidert Roller mit Nachdruck. Das können die Schauspieler wohl nicht übereinander sagen. Bei den Proben wird engagiert, aber immer sachlich diskutiert, etwa, ob der Kuchen schon vor der Szene geschnitten werden müsste und wer wo stehen sollte. Im Hintergrundgespräch wird aber auch oft gelacht.

Regisseurin Brack hat sich viele Gedanken über die Charakterentwicklung gemacht: "Da sich das ganze Stück nur darum dreht, wie Charaktere ticken, im Zusammenspiel und einzeln, wie man sich verbrüdert und neue Bande schmiedet, ist es natürlich wichtig, auch die emotionale Verbindung jedes Mal neu herzustellen. In der Sprache und im Spiel hervorzuheben: Warum passiert jetzt dieser kleine Konflikt?" Sie ist schon seit Jahren bei "Zeitkind"-Produktionen dabei, wie auch drei der vier Schauspieler des aktuellen Stücks. Nur Müller-Weihrich kam neu zur Produktion. Er versucht vor allem, sich von der Verfilmung des Stücks von Roman Polanski aus dem Jahr 2011 abzugrenzen.

Insgesamt hat die Gruppe keine großen Veränderungen an dem Erfolgsstück vorgenommen. Allerdings haben sie die Handlung nach Süddeutschland verlegt, das französische Gebäck in einen "Strudel" verwandelt und die Namen der Figuren eingedeutscht. Damit das Publikum näher am Thema ist. Überhaupt soll sich der Zuschauer im Stück wiederfinden. Ihre Bekannten wollten bei "Zeitkind" schon immer mal etwas zu lachen bekommen, berichtet Dirksen. Da lag "Der Gott des Gemetzels" nahe, sagt sie. Man könne im Stück sitzen und sich denken: "Ach herrje, das ist mir auch schon mal passiert". "Und trotzdem ist es tiefgründig, entlarvend, und zum Teil sehr lustig, das ist das Schöne an dem Stück", ergänzt Brack. "Dass man richtig lachen kann, und es einem trotzdem auch mal im Hals stecken bleibt."

Bereits seit Mai bereitet die Gruppe das Stück vor, am 6. Oktober feiert die Produktion im Römerhof Premiere. Dort sollen auch die letzten Proben stattfinden. Die Requisiten und das Licht auf der Bühne würden noch einmal viel am Schauspiel verändern, erzählt Schönwald. "Das ist die Theaterluft", sagt Dirksen.

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