Der Biergarten am Mühlenpark in Garching ist ein idyllisches Plätzchen mit rauschendem Wasserfall. Wo ließe sich besser Peter Martins Vortrag über den Mühlbach lauschen? Der 71-Jährige hat nach seinem Buch über die Gießen jetzt eines über den Mühlbach geschrieben. Er habe sich lange mit dem Thema befasst, sagt er, bis er endlich das Geheimnis des Baches geknackt hat: Peter Martin hat den verschwundenen Hauptwasserlauf rekonstruieren können.
Dass der Garchinger Mühlbach, den Martin als den bedeutendsten Bach des Landkreises bezeichnet, mindestens 800 Jahre alt ist, das kann er mit Hilfe eines Urbars aus der Zeit um 1230 herum belegen. Diese Verzeichnisse dienten den Landesherren dazu, ihre Ansprüche am wirtschaftlichen Erfolg einzufordern. Die Garchinger Mühlenbetreiber wurden dazu verpflichtet, 50 Laibe Käse im Jahr abzuliefern. Die folgenden 450 Jahre liegen jedoch völlig im Dunkeln. Erst dann gibt es wieder Karten, auf denen auch der Mühlbach samt Mühle eingezeichnet ist. Nicht alle hat Martin selbst entdeckt, zum Teil hat er sie vom Ortschronisten Michael Müller bekommen, mit dem er intensive Gespräche geführt hat, wie er berichtet.
Der Bach hat seinen lauf öfter verändert
So zeigt eine Karte von 1669 nicht nur den Bachverlauf, sondern auch die Lage der Mühle mit zwei Wasserrädern. Martin mag diese Karte wegen ihrer Details. Er zeigt auf einen Stamm mit einer Art Dach, das wie ein Taubenhaus aussieht. "Meine Vermutung ist, dass es einen Bildstock darstellt", sagt Martin. Genau an dieser Stelle stehe auch heute wieder ein Bildstock. "Beweisen kann ich das nicht", sagt er, aber es sei ein logischer Gedanke, dass die Menschen früher, bevor sie in die wilde Isarau gegangen sind, um himmlischen Beistand gebeten hätten.
Die unterschiedlichen Landkarten, eine Kopie einer Karte von 1716 hängt im Rathaus vor dem Sitzungssaal, beweisen, dass der Bach öfter seinen Lauf veränderte, nicht freiwillig, sondern menschengemacht. Martin spricht von einer "Dauerbaustelle". Der Mühlbach kommt aus einem der zahlreichen und vielverzweigten Nebenarme der Isar. Von Großlappen aus nimmt er seinen Weg nach Garching und mündet heute nördlich des Forschungscampus in die Isar.
Doch was Martin bei seinen Untersuchungen auffiel: Im Kernbereich des Bachs fehlt der Hauptwasserlauf. Jetzt wird es mathematisch. Martin umschreibt kurz, wie ein Mühlbach funktioniert. Der Müller zweigt Wasser vom Hauptwasserverlauf in einen Obergraben ab, der möglichst wenig Gefälle hat, erzeugt dann einen Absturz, dessen Wasserkraft die Mühlräder antreibt, und leitet dann das Wasser über den Untergraben zum Hauptwasser zurück. Martin hat sich das Gelände genau angeschaut, das Gefälle berechnet und ist etwa 1,5 Kilometer südlich vom heutigen Mühlenpark auf den Punkt gestoßen, wo der Obergraben abgeführt wurde.

Am Absturz fällt das Wasser etwa 1,10 Meter tief. Martin nimmt an, dass die Mühlräder früher im Absturz bis zur Hälfte mit Wasser bedeckt standen. Vom Garchinger Mühlbach gab es aber lange nur noch den Ober- und Untergraben, die die Mühle versorgten, der Hauptwasserlauf fehlte. Diesen hat der 71-Jährige jedoch als Senke ausgemacht, östlich vom Obergraben gelegen, eine Linie, die sich bis zum Zusammenfluss mit der heutigen Gießen verfolgen lässt.
Am Mühlbach gab es noch einmal eine gravierende Veränderung, als die Isar 1880 reguliert wurde. Der Grundwasserstand sackte ab und die Bauern gingen dazu über, ihre Wiesen zu bewässern. Den höher gelegenen Obergraben und den teilweise auch noch höher gelegenen Untergraben des Mühlbachs dafür anzuzapfen habe sich angeboten, sagt Martin. Er kann viele Luftaufnahmen vorlegen, die deutlich sichtbar Bewässerungskanäle zeigen. Bis in die Sechzigerjahre gab es diese Art der Bewässerung. Doch das überschüssige Wasser musste irgendwie wieder abgeführt werden. "Da brachte sich der Hauptwasserablauf wieder in Erinnerung", sagt Martin, denn er war der ideale Sammler.
Mindestens 800 Jahre hat die Mühle hier gestanden
All das schildert Martin in seinem Buch auf 91 Seiten. Interessant sind die zahlreichen Karten und Luftbilder, schön anzuschauen die Landschaftsfotos und die Aquarelle, die seine Tochter Johanna Reissl und Jürgen Pichler gemalt haben. Auch das Innenleben der verschwundenen Mühle kann er dank eines bearbeiteten Dias sehr anschaulich zeigen. Die Mühle ist erst 1976 abgerissen worden, sie war noch bis 1970 in Betrieb. Der Gemeinderat hatte es 1974 abgelehnt, sie in die Liste der Baudenkmäler aufzunehmen, sagt Martin. Er bedauert, dass nichts archiviert worden sei, es gebe keinerlei Zeugnisse mehr aus der alten Mühle, die mindestens 800 Jahre an dieser Stelle gestanden hat.
Martin ist ein Mensch, der gerne in die Natur geht. Als ehrenamtlicher Biberbetreuer des Landratsamts kommt er viel herum, er kennt die unterschiedlichen Gewässer der Umgebung gut. Die Bäche bezeichnet er "als das Wertvollste, das Garching hat". In dieser Vielfalt gebe es das sonst nirgends in der Umgebung. Er hofft, sein Buch möge einen Beitrag dazu leisten, ein Kulturerbe aus dem Mittelalter ins Bewusstsein zu rücken.
Kommt da noch mal ein Buch über einen anderen Bach nach? Peter Martin schmunzelt. "Im Augenblick möchte ich mich zurückhalten", sagt er. Doch es gibt noch ein Thema, an dem er dran ist. "Zeugnisse der Landschaftsentwicklung in Garching" nennt er es und verweist auf eine etwa 150 Jahre alte Schwarzpappel mit ganz eigener Geschichte und eine Brücke mitten im Acker. Sie ist ein Relikt aus der Zeit der Bewässerungsgräben, mittlerweile völlig mit Gras überwachsen. Alles sehr spannend, sagt Martin, das könnte man schön aufbereiten.
Das Buch "Der Mühlbach in Garching - seine Anfänge vor 800 Jahren und seine spätere Entwicklung" ist im Selbstverlag erschienen und in der Buchhandlung Sirius am Bürgerplatz 7 in Garching für 25 Euro erhältlich.