Süddeutsche Zeitung

Garching:CSU schließt Frieden mit Ditib

Anders als im Vorjahr kommt der CSU-Vorsitzende Jürgen Ascherl heuer zum Fastenbrechen des Integrationsbeirats mit Garchinger Muslimen.

Von Patrik Stäbler, Garching

Der Premiere des gemeinsamen Fastenbrechens im Gymnasium ist Jürgen Ascherl vergangenes Jahr ferngeblieben - unter Protest. An diesem Samstag hingegen wird sich der Garchinger CSU-Ortsvorsitzende mit an die langen Tischreihen in der Mensa setzen, wenn dort viele Muslime aus dem Ort zusammen mit ihren Gästen die erste Mahlzeit des Tages einnehmen.

Lokalpolitiker, Kirchenleute und Vereinsvertreter sind zu dem Fest eingeladen, das nicht nur der städtische Integrationsbeirat organisiert, sondern auch der Kreisjugendring München-Land sowie die Vereine FC Türk Sport, Ditib Garching, der Frauenfreundschaftsverein und - heuer erstmals - der Verein zur Förderung von Ehe und Familie.

Dass zu den Veranstaltern auch der Garchinger Ableger der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion gehört, kurz Ditib, hatte Ascherl und seine CSU-Stadtratskollegen im Vorjahr dazu bewogen, die Einladung zum Fastenbrechen auszuschlagen - und eine Protestnote zu verfassen. Man stehe Ditib "wegen seiner politischen Aktivitäten sehr kritisch gegenüber", erläuterte der Ortsvorsitzende damals, "Ditib ist ein direkter Teil des Machtapparats des türkischen Staatschefs Erdoğan." Die Ditib-Imame würden "ihre politischen und religiösen Weisungen direkt aus Ankara erhalten", so Ascherl. "Diesen politischen Islam und diese extremistische Einflussnahme aus dem Ausland wollen wir hier nicht!"

An diesen Ansichten habe sich bis heute nichts geändert, stellt der CSU-Chef klar. "Aber man darf nicht alle Ditib-Gemeinden über einen Kamm scheren." So habe sich die CSU unlängst beim Besuch des Ditib-Gebetshauses in Hochbrück davon überzeugt, "dass dort vor allem in Garching einheimische Türken sind", sagt Ascherl. "Da steht vielleicht außen Ditib drauf, aber man muss unterscheiden, wer wirklich dorthin geht."

Nicht zuletzt wegen dieses Treffens habe er sich dazu entschieden, das Fastenbrechen heuer zu besuchen, sagt Ascherl, "um mit unseren türkischen und muslimischen Mitbürgern dieses Fest zu feiern." Zudem sei die Einladung ja vom Integrationsbeirat gekommen, unterstreicht der Ortsvorsitzende. "Wenn da Ditib als Einlader draufstehen würde, hätte ich Bauchweh."

Erfreut über den Meinungsumschwung des CSU-Chefs zeigt sich Claudio Cumani. Der Vorsitzende des Garchinger Integrationsbeirats betont. "Es hat in den letzten zwei Monaten viele Gespräche zwischen verschiedenen Gruppen gegeben." Nicht nur CSU und Ditib seien aufeinander zugegangen, "sondern es hat auch eine Annäherung zwischen den türkischen und den nicht-türkischen Muslimen gegeben", sagt Cumani. Letztere waren bei der Premiere des Fastenbrechens kaum vertreten. Diesmal soll das anders sein - auch durch die Einbindung des Vereins zur Förderung von Ehe und Familie.

Diesen gebe es schon seit Jahrzehnten, sagt der Vorsitzende Marwan Al-Moneyyer. Nachdem der Verein jedoch 15 Jahre lang inaktiv gewesen sei, hätten er und einige befreundete Muslime aus Garching ihm 2016 wieder neues Leben eingehaucht. Ihr Ziel sei es, "Dienstleistungen anzubieten, sodass Ehen zusammenkommen und besser halten", sagt Al-Moneyyer, der aus Garching stammt und sich seit Jahren in der Moschee in Freimann engagiert. "Wir machen soziale Arbeit - mit religiösen Vorzeichen." Regelmäßige Veranstaltungen seien etwa die arabische Schule sowie die Treffen des Muslimkreises, was beides in der Moschee stattfinde - und immer auf Deutsch, sagt Marwan Al-Moneyyer.

Auch beim Fastenbrechen am Samstag soll Deutsch die vorherrschende Sprache sein, betont Claudio Cumani. Allein der Imam der Ditib-Gemeinde werde sich mangels Sprachkenntnissen auf Türkisch an die Besucher wenden, jedoch wolle man eine Übersetzung seiner Rede auslegen. Neben dem Imam werden Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) sowie Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche in Garching kurze Ansprachen halten. Anders als im Vorjahr, sagt Cumani, werde es diesmal keine externen Ehrengäste geben - etwa aus dem türkischen Konsulat oder vom Ditib-Dachverband. "Wir wollen uns auf die Menschen und das Leben in Garching konzentrieren", sagt der Vorsitzende des Integrationsbeirats. Umso erfreulicher sei es, dass rund 20 Vereine aus dem Ort angekündigt hätten, einen Vertreter zum Fastenbrechen zu schicken. Insgesamt rechnet Cumani mit rund 300 Gästen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4446736
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.