Garching:BMW bremst Rennfahrer aus

Kartbahn Garching-Hochbrück, Robert-Bosch-Straße 18

Nur noch bis Jahresende können Kartfahrer in Garching ihre Runden drehen.

(Foto: Florian Peljak)

Formel-1-Fahrer wie Ralf Schumacher und Adrian Sutil drehten hier früh ihre Runden. Nach mehr als 50 Jahren muss die Kartbahn in Garching nun einem Neuwagen-Parkplatz des Autobauers weichen

Von Kevin Rodgers, Garching

Man hört sie, bevor man sie sieht. Im Halbsekundentakt rasen die kleinen Karts mit quietschenden Reifen die lang gezogene Linksschikane hinunter zur Boxengasse. Die Motoren knattern wie Motorsägen, es riecht nach Gummi und Benzin. Doch damit ist bald Schluss. Nach mehr als 50 Jahren schließt die Garchinger Kartbahn zum Jahreswechsel.

Das 22 000 Quadratmeter große Grundstück geht an BMW. Der Autohersteller will seinen benachbarten Parkplatz für Neuwagen aus dem Münchner Werk erweitern. Seit der Kündigung kurz vor Weihnachten 2015 schwankt die Stimmung unter den zehn Mitarbeitern zwischen Trauer und Enttäuschung. Erst recht bei Betreiber Peter Wendl. Er muss in den nächsten vier Monaten sein Lebenswerk abwickeln und das Gelände "besenrein", also ohne Gebäude und Rennstrecke, übergeben.

Der Abriss der Strecke fällt dem 70-Jährigen schwer. "Ich fühle mich, auf gut Deutsch gesagt, beschissen. Aber wir werden den Betrieb so lange wie möglich aufrecht erhalten." Seit 1986, als er die Bahn vom Kart Club München übernommen hat, kümmert sich Wendl um Strecke, Karts und Kunden. Auf der 851 Meter langen Bahn werden Rennen gefahren und Firmenevents von Autoherstellern, darunter BMW und Mini, abgehalten. Bis zu 150 Fahrer sind pro Tag auf der Strecke.

"BMW hat sich überhaupt nichts dabei gedacht."

Die Kartbahn gibt es seit 1962, sie ist eine Institution und überregional bekannt. Höhepunkt war zweifelsohne die Europameisterschaft im Jahr 1984. Mittlerweile ist es etwas ruhiger geworden. Trotzdem hat die Bahn über die Jahre vielen Motorsportlern einen Ort zum Trainieren geboten, unter ihnen Formel-1-Fahrer Adrian Sutil, Prinz Leopold von Bayern und Ralf Schumacher. Künftig müssen die Mitglieder des Kart Clubs München ins 75 Kilometer entfernte Ampfing fahren, wenn sie auf einer richtigen Strecke fahren wollen.

Die Hauptschuld sieht Wendl beim neuen Pächter. "BMW hat sich überhaupt nichts dabei gedacht", sagt Wendl. Das Schicksal der Rennstrecke sei dem Konzern, der schon seit langem ein Interesse an dem Grundstück habe, im Grunde genommen egal. "Die machen einen Motorsportklub mit einer großen Historie kaputt und das interessiert dort gar niemanden."

Garching: Peter Wendl mit einem Prototyp für BMW. Er betreibt die legendäre Kartbahn. Nun beschert ausgerechnet der Autobauer den Motorsportfreunden das Aus.

Peter Wendl mit einem Prototyp für BMW. Er betreibt die legendäre Kartbahn. Nun beschert ausgerechnet der Autobauer den Motorsportfreunden das Aus.

(Foto: Claus Schunk)

Sorgen vor allem um die Nachwuchsförderung macht sich Rennfahrerlegende Hans-Joachim "Strietzel" Stuck, der sich bei der Stadt Garching für den Erhalt der Strecke eingesetzt hatte. "Die Kartbahn ist die Wiege des Motorsports", erklärt der ehemalige Formel-1-Fahrer. Vor allem für die Nachwuchsförderung seien Strecken wie in Garching von zentraler Bedeutung (siehe Interview). Dass mit BMW ausgerechnet eine im Motorsport fest verankerte Marke die Garchinger Rennstrecke kaputt macht, ist für Stuck genau wie für Peter Wendl nicht nachvollziehbar.

Bei BMW ist man sich keiner Schuld bewusst. Das Grundstück passe sehr gut zu den bestehenden Anlagen, sagt Unternehmenssprecher Jochen Frey. Das Münchner Werk sei mittlerweile viel zu klein. "Uns ist das Gelände angeboten worden, wir sind nicht selbst aktiv geworden." Auch Montagehallen sollen auf dem neuen Gelände gebaut werden. Davon weiß man bei der Stadt Garching jedoch nichts. "Im Flächennutzungsplan ist das Areal als Sondergebiet Pkw Neuwagen Zwischen- und Auslieferungslager ausgewiesen", sagt Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD). "Anträge zum Bau von Hallen liegen der Stadt nicht vor." Es bleibt also vorerst bei einem einfachen Parkplatz.

Garching: Die Kartbahn in Garching existiert seit 1962. Sie ist eine Institution und international bekannt. Höhepunkt war die Europameisterschaft im Jahr 1984.

Die Kartbahn in Garching existiert seit 1962. Sie ist eine Institution und international bekannt. Höhepunkt war die Europameisterschaft im Jahr 1984.

(Foto: Claus Schunk)

Der ADAC hilft als Rechtsbeistand

Bei der Firma Terremo, die das Grundstück verpachtet, sieht man den Vorgang halb so wild und verweist darauf, dass der Mietvertrag fristgerecht gekündigt, das Geschäft rechtlich einwandfrei abgewickelt worden sei. "Uns ist bewusst, dass eine Ära zu Ende geht", sagt Vermieterin Tatjana Strebel. Aber die goldenen Jahre der Kartbahn lägen auch schon länger zurück. Steil nach oben geht es hingegen demnächst wohl mit der Pacht. 198 000 Euro pro Jahr zahlte Wendl für das Grundstück. Das liegt weit unter dem Marktwert.

Die Einschätzung, dass das Ende der Kartbahn zwar schade, aber rechtlich einwandfrei ist, teilt auch der ADAC, der Wendl als Rechtsbeistand zur Seite steht und als ehemaliger Betreiber der Kartbahn einen Teil der Rückbaukosten übernimmt. Viele Kartstrecken in Deutschland würden geschlossen, weiß Oliver Runschke vom ADAC. "99 Prozent der Rennfahrer haben auf der Kartbahn angefangen. Was der Bolzplatz für den Fußball, ist die Kartbahn für den Motorsport."

Ganz aufgeben möchte Wendl indes nicht. Er sucht nach passenden Grundstücken in der Region, eventuell am Flughafen, wo es mit dem Lärmschutz weniger problematisch ist. In Garching selbst wird es dagegen auch an anderer Stelle keine Fortsetzung geben. "Die alte Kartbahn hatte Bestandsschutz. Eine Genehmigung für eine neue Anlage wird es nicht mehr geben", bescheidet der Bürgermeister unmissverständlich.

Das ist das definitive Ende des Kartsports unter freiem Himmel

Die Auflagen für den Lärmschutz seien inzwischen zu hoch. Den Betreibern hatte Gruchmann zuvor noch Hoffnungen gemacht. Inzwischen scheint er über das Aus nicht mehr allzu traurig zu sein. Im Dezember komme in Garching "definitiv das Ende für den Kartsport unter freiem Himmel".

Bleibt am Ende die Frage, warum ein betont sportlich auftretender Autohersteller wie BMW sich nicht um Alternativen bemüht hat, die einen Fortbestand der Strecke ermöglicht hätten. "Man hätte sicher eine Lösung finden können", ist Peter Wendl überzeugt. Das Einzige, was die Kartbahn noch retten könnte, wäre ein Engagement von BMW selbst. Große Hoffnungen hat Wendl jedoch nicht. "Da geht es wie so oft einfach nur ums Geld."

Für BMW hat die Entscheidung in der Tat ausschließlich wirtschaftliche Gründe. Ein Signal an den Motorsport gehe von der Entwicklung in Garching jedenfalls nicht aus, sagt Unternehmenssprecher Frey. Schließlich gebe es in Deutschland eine funktionierende Nachwuchsförderung. Nur der Großraum München wird davon zukünftig ausgenommen.

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