Cinecal-Premiere:Schneewittchen in der Matrix

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Kombination aus Live-Musical und Film: die Uraufführung von „Herzstillstand“ in Garching. (Foto: Johannes Simon/Johannes Simon)

Bei der beeindruckenden Uraufführung ihres neuen Stücks „Herzstillstand“ beweisen die SZ-Kulturpreisträger Blue Art aus Garching, wie Musical auch sozial relevante Themen abbilden kann. Die dystopische Story wirft Fragen über die unkritische Verwendung künstlicher Intelligenz auf, bietet aber ein versöhnliches Ende.

Von Irmengard Gnau, Garching

Wer bist du und wie weit bist du bereit zu gehen für deinen Traum? Ruhm, Geld und die Liebe der Fans, danach sehnen sich die fünf Sängerinnen von Red Heart. Sie haben lange für ihren Durchbruch gekämpft, doch immer noch treten sie bloß vor gut hundert Zuschauern auf statt Stadien zu füllen.

Managerin und Investoren machen Druck und die eigene Selbsterfüllung ist auch noch offen. Als ein Computer ihnen das Konzept für ihren Erfolg auf den Leib schreibt – Erfolgsgarantie garantiert! – zögern die Mädchen nicht lange. Doch das Musik-Business ist knallhart, wer sich durchsetzen will, muss bereit sein, alles zu geben – selbst wenn das Rezept der KI lautet: „gute Musik, Greenwashing und ein paar hübsche Leichen“. Das ist wörtlich zu verstehen, und so finden sich die fünf Sängerinnen bald in einer Art Matrix wieder, beherrscht von einem alles berechnenden Master Mind, während ihre Fans für ein Foto vor den tiefgekühlten Schneewittchen-Särgen ihrer Idole Schlange stehen.

In dieses dystopischen Szenario wagt sich die Gruppe Blue Art mit ihrem neuen Stück Herzstillstand. Es ist das zweite Projekt, das der Verein aus Garching auf die Bühne bringt. Mit ihren „Cinecals“, einer ganz eigenen Kombination aus Live-Musical und hochwertig produzierten Filmsequenzen, die auf riesige Leinwände hinter und auf die Bühne projiziert werden, hat die Gruppe um Gründerin Christiane Gimkiewicz 2023 die Jury des SZ-Kulturpreises „Tassilo“ überzeugt.

Das Publikum bei der Uraufführung des neuen Werks am Samstag im Garchinger Bürgersaal wird auch dieses Mal rasch hineingesogen in die Story, auch wenn sich das Thema komplexer darstellt als beim Erstling „Wellenreiter“. Die Crew aus 25 Darstellerinnen und Darstellern weiß mit starker Bühnenpräsenz, kunstvollen Kostümen und ambitionierten Choreografien zu beeindrucken, die Hauptfiguren überzeugen sowohl stimmlich als auch schauspielerisch.

Musical in Garching
:Wenn künstliche Intelligenz die Kunst übernimmt

Die Gruppe Blue Art aus Garching, Träger des Tassilo-Kulturpreises, malt in ihrem neuen Stück „Herzstillstand“ das kreativ-dystopische Bild einer nahen, hypertechnisierten Zukunft. Am Samstag feiert das cineastische Musical seine Uraufführung.

Von Irmengard Gnau

Bei den mehrstimmig arrangierten Liedern zeigen Gimkiewicz, die wieder als Komponistin, Autorin und Regisseurin verantwortlich zeichnet und auch selbst auf der Bühne steht, sowie die fünf Hauptdarstellerinnen ihr ganzes Können und schicken das Publikum mit einigen Ohrwürmern nach Hause. Freilich auch mit dem etwas mulmigen Gedanken, dass eine künstliche Intelligenz selbst die Kunst recht leicht unterwandern kann – zumindest solange Menschen so leicht zu berechnen sind in ihrer Sehnsucht nach Schönheit, Anerkennung oder ewiger Jugend.

Doch ganz ernüchtert entlässt Blue Art seine Zuschauer nicht. Solange noch ein Freiheitswille in den Menschen glimmt, haben wir eine Wahl, so die versöhnliche Botschaft am Ende. So viel Musical muss sein.

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