Süddeutsche Zeitung

Garching:Bloß nicht nachlassen

Seit zehn Jahren gibt es in der Stadt ein Klimaschutzkonzept. Laut Umweltreferent Christoph Marquart hat die Stadt bislang viel umsetzen können. In vielen Bereichen fehlt ihr der Einfluss - auf Bürger und Firmen

Von Gudrun Passarge, Garching

Klimaschutz ist ein Thema, an dem derzeit niemand vorbeikommt. Garching hat schon vor zehn Jahren die Zeichen der Zeit erkannt und ein "integriertes Klimaschutzkonzept" erarbeitet, das 2010 vom Stadtrat beschlossen wurde. Die CSU-Fraktion hat nun in einem Antrag gefordert, Bilanz zu ziehen und einzelne Punkte an neue Entwicklungen anzupassen. Die Frage nach der Bilanz richtet sich an die Verwaltung. Garchings Umweltreferent Christoph Marquart sagt dazu: "Es ist eine ganze Menge umgesetzt worden." Er sagt aber auch: "Klimaschutz ist nicht nur eine Sache des Umweltreferats. Klimaschutz geht alle an."

Damit umreißt er schon die Schwierigkeit des Themas, denn nicht alles, was die Stadt wünschenswert fände, kann sie auch umsetzen. Da braucht es die Unterstützung der Bürger, aber auch der Firmen oder Schulen. Die Garchinger hatten sich 2010 hehre Ziele gesetzt. Eine Gruppe von engagierten Bürgern hatte zusammen mit Vertretern der Verwaltung und Stadträten aus acht Themenbereichen ein Konzept erarbeitet. Die Themen seien von der Bundesregierung vorgegeben worden, sagt Marquart, sie habe das Programm auch mit 70 Prozent bezuschusst. Schwerpunkte waren etwa Energieeinsparungen, erneuerbare Energien, Verkehr, Klimaschutz in der Verwaltung und in der Bauleitplanung, oder auch Verkehr und Gewerbe. Das Ergebnis unterteilt der Umweltreferent in zwei Blöcke: Bei dem einen "kann es Garching allein auf die Beine stellen", beim anderen "kann die Stadt maximal inspirierend wirken". Zum ersten Block zählt etwa die Energiesparförderung. Da habe die Stadt beispielsweise eine Energieberatung im Rathaus eingeführt, auf den Dächern öffentlicher Gebäude sei der Solarpark entstanden und auch ein Förderprogramm zur Energieeinsparung wurde aufgelegt, anfangs mit 40 000 Euro bestückt. Allerdings sind es inzwischen nur noch 30 000 Euro, "weil die Mittel nie ausgeschöpft wurden", wie Marquart sagt. Gefördert werden etwa neue Fenster, Wärmedämmung am Haus oder auch Fotovoltaikanlagen mit Speicher. Auch für 2020 wolle er wieder 30 000 Euro beantragen, sagt der Umweltreferent, aber er möchte noch mit den Energieberatern sprechen, was alles gefördert werden soll. Im Gespräch sind etwa E-Lastenfahrräder.

Die Stadt hatte sich das Ziel gesteckt, bis 2025 klimaneutral zu werden. Ursprünglich war geplant, dass die Geothermie unterstützt von einem Biomasseheizkraftwerk in Hochbrück ihren Beitrag dazu leistet, doch das Heizkraftwerk wurde nie gebaut. Marquart bedauert, dass beim Konzept von 2010 Windenergie nicht thematisiert wurde. Das sei erst nach der Katastrophe von Fukushima hochaktuell geworden. Die Garchinger setzen dennoch auch auf diese Energieform. Geht es nach dem Stadtrat, so werden zwei Windräder westlich des Forschungscampus installiert; derzeit liefen die Planungen und Untersuchungen, sagt Marquart. Und auch bei der Solarenergie ist die Stadt aktiv. Westlich der A 9 am Stadion soll eine große Fotovoltaikanlage entstehen. Zuvor jedoch müsse die erste Maßnahme des Pflege- und Entwicklungsplans von Mallertshofer Holz mit Heiden umgesetzt werden. Dort wird Boden abgeschoben, der dann westlich der Autobahn verbaut wird, ebenso wie Boden aus dem Baugebiet der Kommunikationszone von städtischen Grundstücken.

Wind, Sonne, LED-Beleuchtung, um Strom zu sparen, Elektromobilität. Auf vielen Feldern hat es große Entwicklungen gegeben. Der Umweltreferent berichtet von Ladestellen, die die Stadt eingerichtet hat oder noch plant. Oder von dem äußerst erfolgreichen Mieträdern der MVG, die super angenommen würden. "Wir haben ein Drittel aller Bewegungen im Landkreis in Garching", sagt Marquart und spricht von einer Erfolgsgeschichte. Auch das Radwegkonzept der Stadt zählt er zu den positiven Entwicklungen im Klimaschutz. Und natürlich die vielen Baumpflanzungen, zum Beispiel im Bürgerpark. Sie sind zwar nicht im Klimaschutzkonzept thematisiert, gehörten für ihn aber unbedingt dazu, wenn es um das Thema geht. Marquart berichtet, die Stadt habe anfangs auch Klimaschutztage veranstaltet, "aber an den Ständen haben wir uns nur gegenseitig besucht", die Bürger, die man habe ansprechen wollen, seien eher nicht gekommen. Doch als es darum ging, Bäume im Bürgerpark zu pflanzen und Baumpate zu sein, da habe es große Resonanz gegeben. Das sei eine Erfahrung der vergangenen Jahre: "Wenn sie etwas anbieten, ohne den Leuten ein schlechtes Gewissen einzureden, dann kommt es an."

Das führt Marquart zu den Dingen, die die Stadt nicht beeinflussen kann. So habe sie gleich zu Beginn den Energieverbrauch in den einzelnen Ortsteilen untersucht. Für die Wasserturmsiedlung etwa sei danach der Vorschlag gemacht worden, dort ein dezentrales Blockheizkraft zu errichten. "Aber wer macht das? Wir nicht", sagt der Umweltreferent. Ebenso schwierig gestalte sich der Bereich Öffentlichkeitsarbeit, zu dem auch der Klimaschutz in Kindergärten und Schulen gehört. "Da sind wir auf die Unterstützung der Lehrkräfte und Erzieher angewiesen." Wenn jemand ihn einlade, komme er gerne, sagt Marquart, aber er könne das nicht selbst bestimmen. Es freut ihn, dass Garching derzeit plant, Fair-Trade-Stadt zu werden. Klimaschutz ist ein weites Feld und betreffe jeden Einzelnen, sagt Marquart, "jeder muss den Gedanken in seinem Bereich verankern und danach leben".

Das Klimaschutzprogramm würde er gerne auf den Prüfstand stellen, die Frage sei: "Was können wir leisten, was ist sinnvoll?". Doch er sieht auch die Erfolge des Konzepts. Gegenüber 2010 hat die Stadt den Ausstoß von CO₂ bei ihren Gebäuden um 36,2 Prozent gesenkt. Bis 2030 soll dieser Wert auf 48 Prozent gesteigert werden, so sieht es das Landkreiskonzept vor.

Der Garchinger Stadtrat berät über den Punkt in der Sitzung am Donnerstag, 24. Oktober, 19.30 Uhr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4648315
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.10.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.