Galeria Autonomica:Urbanität für 48 Stunden

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Schnelllebige Kunst und ein Hauch von Urbanität - das ist die Galeria Autonomica. Ein völlig neues Galerie-Konzept.

Martina Kollroß, SZ-Jugendseite

Eigentlich ist die Kunst der Galeria Autonomica spontan und urban. Ganz bewusst setzt Christoph Pankowski auf den Event-Charakter: eine Galerie, geöffnet für 48 Stunden. "Das Schnelllebige soll die Gesellschaft widerspiegeln", sagt der 24-Jährige, der die Galeria Autonomica zusammen mit Künstlerfreund Christian Minke vor zwei Jahren gründete. In seiner Wahlheimat München ist das aber gar nicht so leicht umzusetzen. Die Mieten sind hoch, und junge, geeignete Künstler sind so rar wie die passenden Ausstellungsräume, an denen zumindest ein bisschen Untergrund-Flair kleben sollte. Die kommende Ausstellung findet vom 25. bis 27.November in Haidhausen statt, im "Industrie Loft" (Grafinger Straße 6, Gebäude44, über der "whiteBOX").

Christoph Pankoswski hat die Galeria Autonomica nach München gebracht. (Foto: Stefan Hobmaier)

Im hessischen Wetzlar gründeten Christoph und Christian gemeinsam die Galeria Autonomica. Dort hatte die Galerie noch einen einzigen Standort und präsentierte anfangs allein die Werke von Christian Minke. Denn zu dem Zweck entstand überhaupt die Idee, selbst Kunst auszustellen: Um sie so präsentieren zu können, wie der Künstler es will. Anfang des Jahres zog die Galeria mit ihren Gründern dann vollständig nach München. Christoph lebt bereits seit drei Jahren hier.

Sein erster Eindruck der Landeshauptstadt war: "Hier gibt es überhaupt keine junge Kunstszene." Er merkte auch bald, dass Events hier nicht über Nacht geplant werden. Dass Kunst in München nicht spontan entsteht, sondern vielmehr im elitären Zirkel besteht.

Um das zu ändern, braucht es Zeit und Vorbereitung. Doch die Galeristen sehen sich gerne als Avantgarde der jungen Münchner Kunstszene, als Vorreiter. Christoph sagt, er arbeite oft 14, 15 Stunden täglich. Regulär, plus die Arbeit für die Galeria. In der 48-Stunden-Galerie, die am Donnerstag, 25. November, für zwei Tage öffnet, stecken zwei Monate Planung. Die langen Vorlaufzeiten stören, laut Christoph, den kreativen Prozess aber nicht. "Wenn man einmal weiß, wie alles funktioniert, kannst du dich mehr ums Kreative kümmern." Dabei hilft ihm auch seine berufliche Erfahrung, denn der 24-Jährige macht eine Ausbildung zum Eventmanager. In den vergangen drei Jahren habe er circa 50Ausstellungen realisiert. "Das Tempo muss man runterfahren, denn die Qualität kann man sonst nicht halten."

Gerade darauf geben die jungen Galeristen besonders acht: Die Galerie soll finanziell unabhängig sein und sich von der Masse absetzen. Gleichzeitig möchte Christoph aber auch alle Münchner mit dem kostenlosen Angebot ansprechen: "Es ist schwer, dass sich die Münchner auf was einlassen. Aber seit einem Jahr spüre ich eine leichte Kehrtwende." Auch mit der Stadt stehen die beiden momentan in Verhandlung über finanzielle Unterstützung.

Christoph drückt sich vorsichtig aus, Glaubhaftigkeit ist ihm wichtig. Genauso wie das Alternative, leicht Revolutionäre in seiner Arbeit mit der Kunst. Er trägt einen Oberlippenbart - und ein kleines Ziegenbärtchen. Mit 16 Jahren fing er an, im Theater zu arbeiten. Es war sein Einstieg in die Kunstszene. "Ich liebe es, in einem kreativen Umfeld zu arbeiten", sagt Christoph, der auch später im kulturellen Bereich Geld verdienen will. Er möchte jungen Künstlern Raum geben, motivieren und inspirieren. "Ich finde es schade, dass wir mit der Galeria in München konkurrenzlos sind."

In seinen Vorhaben ist er zielstrebig und ernst. Aber seine Arbeit an der Galeria Autonomica sieht er auch politisch und ironisch. Offen gibt er zu: "Bei den Ausstellungen feiern wir die junge Münchener Kunstszene - und ein bisschen uns selbst." Wir, das sind nicht nur die Galeria-Autonomica-Aktivisten, sondern das sind auch die dort auflegenden DJs und vor allem die Künstler, denen der Raum zur Präsentation gegeben wird. Sie alle sehen sich als Münchner Subkultur-Community, die zwar noch überschaubar ist, aber gerade durch diese Events Netzwerke spinnt.

Als Christoph nach München kam und keine junge Kunstszene vorfand, suchte er sie in den Akademien und Kunstklassen. Er ging auch auf die Straße, zu Sprayern und bot ihnen an, bei ihm auszustellen. Manche ließen sich darauf ein. Andere waren skeptisch. Heute sprechen ihn viele Künstler selbst an. Zudem scoutet Christoph in ganz Deutschland. Fünf der insgesamt zehn ausstellenden Künstler bei der kommenden 48-Stunden-Galerie sind Nicht-Münchner. "Dadurch fördern wir den kulturellen Austausch deutschlandweit", sagt der Jung-Galerist.

Aber Christoph kann nicht alle Künstler ausstellen: Die einen passen nicht ins Konzept, die anderen genügen seinen Standards nicht. So direkt sagt er das zwar nicht, aber die Kunst entspreche schon rein seinem Geschmack. "Aber mir geht es auch um die Menschlichkeit. Ich habe schon guten Künstlern abgesagt, weil wir uns nicht verstanden haben." Er stockt kurz im Redefluss: "Klar, ich habe eine große Verantwortung." Die Künstler würden ihnen ja sozusagen ihre Kinder anvertrauen.

Manchmal braucht es dafür sogar einiges an Überzeugungskraft. Wie beim Urban-Art-Künstler "Hate One" aus Gießen. Durch einen Tipp seien sie vergangenes Jahr auf den Maler gestoßen, der bis dahin nur fürs Atelier malte. Sie hätten ihn lange begleitet, sein Vertrauen gewonnen, bei der ersten 48-Stunden-Galerie im vergangenen Winter hätte er ausstellen sollen. Doch dann kam es anders: Die Ausstellung war im Aufbau, als ein Kunstsammler zufällig vorbeikam und sich die Bilder ansah. Er kaufte die Bilder von "Hate One", bezahlte tausend Euro in bar und nahm sie mit, noch bevor die Galeria offiziell eröffnet wurde.

Am kommenden Donnerstag soll "Hate One" noch einmal in München ausstellen - wenn nichts dazwischen kommt. Auch der 18-jährige Niko aus München ist bei der 48-Stunden-Galerie vertreten. Er ist Graffiti-Künstler und präsentiert eine Kollaboration. "Kollektiv-Werke finde ich momentan besonders stark", sagt Christoph. Die temporäre Galerie steht dieses Mal unter dem Konzept, "den urbanen Begriff definieren". "Die Werke stellen reine Mischformen dar. Es ist keine Fotokunst darunter. Es geht um die Inspiration des urbanen Lebens. Dazu passt der Industriecharakter des Lofts", konkretisiert Christoph Pankowski. Inwieweit der "urbane Begriff" eigentlich zu München passt, ist vielleicht nach den 48 Stunden klar.

Die Autorin ist 20 Jahre alt. Weitere Texte der SZ-Jugendseite finden Sie hier.

© SZ vom 22.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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